Guten Morgen liebe Leserinnen und Leser,
in Stuttgart stellt man sich seit 157 Jahren immer am selben Tag die gleiche Frage. Seit 1866 versammeln sich dort am Dreikönigstag Menschen mit der gleichen politischen Gesinnung und erörtern, was es bedeutet, liberal zu sein. Am Freitag ist es wieder so weit: Die FDP trifft sich im Opernhaus der baden-württembergischen Landeshauptstadt, um über die aktuellen politischen Herausforderungen zu sprechen – und über sich selbst.
Angesichts von bundesweiten Umfragewerten zwischen sechs und siebeneinhalb Prozent und anstehenden Wahlen in Berlin, Schleswig-Holstein, Bremen, Hessen und Bayern, wird die Frage nach dem eigenen Markenkern für die Liberalen existenziell.
FDP-Politiker Stefan Naas tritt als Spitzenkandidat der Liberalen bei den hessischen Landtagswahlen an.
Bild: dpa
Der Vorsitzende der bayerischen FDP, Martin Hagen, und der hessische Spitzenkandidat, Stefan Naas sind in der Frage nach dem Liberalismus im Jahr 2023 schon einmal vorgeprescht. In einem Positionspapier, das dem Handelsblatt vorliegt, fordern sie die FDP auf, ihr Profil in der Ampelkoalition zu schärfen.
Hagen und Naas stellen sechs Kernforderungen auf:
Das Papier dürfte für Stirnrunzeln im Bund sorgen, denn die aufgeführten Forderungen stehen im Gegensatz zu den Ansichten von Grünen und SPD.
Parteichef Christian Lindner könnte die forsche Position seiner Kollegen in Bedrängnis bringen. Er muss den Spagat schaffen, einerseits als oberster Liberaler den liberalen Enthusiasmus seiner Parteikollegen nicht kleinzureden und gleichzeitig die eigenen Koalitionspartner nicht zu sehr zu verärgern. Auf dem Spiel steht die Frage, wie sehr die liberale Stimme nach 157 Jahren in Deutschland in Zukunft noch den Ton angeben darf.
US-Kongress: Abgeordnete stimmen über den Sprecher des Repräsentantenhauses ab.
Bild: Bloomberg
Auch eine andere Partei sieht sich indes mit einer historischen Herausforderung konfrontiert. In der Nacht schrieb der republikanische Abgeordnete Kevin McCarthy in Washington Geschichte – allerdings anders als ihm lieb sein dürfte.
Eigentlich wollte sich McCarthy in die bedeutende Rolle des Sprechers des Repräsentantenhauses wählen lassen. Doch in mehreren Wahlgängen fiel er als Kandidat durch. Das hatte es zuletzt vor einhundert Jahren gegeben.
Der Grund für die historische Pleite liegt in den Erosionserscheinungen seiner eigenen Partei. Da die Republikaner nur eine geringe Mehrheit im Repräsentantenhaus haben, hätten nicht mehr als vier seiner Parteikollegen gegen ihn stimmen dürfen. Doch es wurden deutlich mehr. Am heutigen Mittwoch soll der Abstimmungswahnsinn in die nächste Runde gehen.
Die „Kamikaze-Aktion“, wie unsere Korrespondentin aus Washington schreibt, könnte sich im Endeffekt aber sogar über mehrere Tage hinziehen und zeige, „dass die größte Demokratie der Welt noch immer politisch instabil ist“.
Am Montag habe ich an dieser Stelle die schlechte Nachricht für Autointeressenten überbracht, dass die Prämien für Elektroautos limitiert werden. Jetzt folgt der nächste Schlag für alle, die sich nach einem neuen Fahrzeug umschauen. Halten Sie sich gut an ihrem Haltegriff fest, denn hier kommt sie: Bald dürfte es keine Rabattaktionen beim Autohändler Ihres Vertrauens mehr geben.
Denn die Autohersteller wollen den Handel an sich ziehen und die Regeln des Geschäfts bestimmen – dazu zählt vor allem die Preisgestaltung. Viele Produzenten planen, das sogenannte „Agentursystem“ in Europa einzuführen und somit selbst über den Vertrieb zu bestimmen. Feilschen, handeln und Schnäppchen jagen wird dadurch in Zukunft kaum noch möglich sein.
Einsteigen oder Aussteigen? Diese Frage stellt sich nicht nur beim Auto, sondern auch auf dem Finanzmarkt. Welche Aktien machen reicher, welche machen ärmer?
Wer im vergangenen Jahr im Euroraum zu den Gewinnern und den Verlierern zählte, zeigen jetzt die aktuellen Auswertungen. Dabei lassen sich einige Rückschlüsse auf die wirtschaftlichen Dynamiken des vergangenen Jahres ziehen. Den ersten Platz unter den Gewinnern etwa macht der Energiekonzern Total. Kein Wunder bei massiv gestiegenen Preisen für Erdöl und Erdgas. Deutlich zulegen konnten auch die Deutsche Telekom, die Deutsche Börse und die Münchener Rück.
Die Top of the Flops führt mit über 50 Prozent Verlust Vonovia an. Der Bochumer Immobilienkonzern litt vor allem unter den kräftig gestiegenen Zinsen und einer konjunkturell angespannten Situation. Auch Adidas und die Deutsche Post mussten starke Einbußen hinnehmen.
Auch das kommende Jahr dürfte nicht einfacher werden. „Die Wahrscheinlichkeit, dass wir eine Rezession bekommen, liegt bei 80 Prozent in Europa“, schätzt der Chefanlagestratege Jan Viebig. Wer im Grundkurs Aktienhandel aufgepasst hat, wittert hier eine Möglichkeit, in den Markt einzusteigen und Wertpapiere unter Wert zu ergattern. Doch Experte Viebig mahnt zur Geduld: „Typischerweise erhöht man sein Aktiengewicht im letzten Drittel einer Rezession, wobei wir aktuell erst am Beginn einer Rezession stehen.“
Mit Höhenflügen und einem tiefen Fall kennt sich Sam Bankman-Fried ganz besonders gut aus. Erst schuf der Kryptokönig einen Handelsplatz mit fulminantem Erfolg, jetzt werden ihm Betrug und Geldwäsche vorgeworfen.
Bankman-Fried erklärte sich gestern erwartungsgemäß selbst für unschuldig. Ob das auch das Gericht so sieht, wird sich ab dem 2. Oktober zeigen, wenn der Prozess in New York offiziell beginnt. Im Falle einer Verurteilung in allen Anklagepunkten drohen dem 30-Jährigen bis zu 115 Jahre Haft. Bisher ist er gegen Kaution jedoch nicht im Gefängnis, sondern steht im Haus seiner Eltern unter Arrest.
Ich stelle mir die Situation recht bizarr vor, wie Bankman-Fried möglicherweise zwischen Stoffteddys in seinem alten Kinderzimmer auf den Beginn seines Prozesses wartet. Dass sein Hausarrest eines Tages einmal von den Weltmedien beobachtet und der Polizei überwacht würde, hätte sich der junge Bankman-Fried wahrscheinlich auch nicht träumen lassen.
Ich wünsche Ihnen einen guten Start in den Tag mit viel Zeit an der frischen Luft.
Es grüßt Sie herzlich
Ihre
Teresa Stiens
Redakteurin Handelsblatt
PS: Krieg, Inflation und große Verunsicherung. Die Märkte waren 2022 in Aufruhr. Uns interessiert: Sorgen Sie sich mit Blick auf das kommende Jahr um Ihre Finanzen? Auf welche Anlageklassen werden Sie 2023 setzen und warum? Was wollen Sie mit Blick auf Ihre Geldanlage vielleicht anders machen? Schreiben Sie uns Ihre Meinung in fünf Sätzen an [email protected]. Ausgewählte Beiträge veröffentlichen wir mit Namensnennung am Donnerstag gedruckt und online.
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