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09.03.2023

06:00

Morning Briefing

Rennen um Rohstoffe: EU schmiedet neue Allianzen

Von: Teresa Stiens

Guten Morgen liebe Leserinnen und Leser,

es sind die Zutaten, aus denen die Zukunft gemacht ist: Rohstoffe wie Lithium, Kupfer oder Kobalt, die für die Wende hin zur klimaneutralen Wirtschaft unentbehrlich sind. Will die Europäische Union ihren Green Deal wie versprochen bis 2050 umsetzen, braucht sie den Zugang zu den wertvollen Materialien dringend. Denn ohne Lithium etwa gibt es keine Batterien und ohne Batterien keine Elektromobilität.

Bisher ist die EU bei vielen kritischen Rohstoffen allerdings komplett von Importen aus anderen Weltregionen abhängig. Bleiben die aus, stehen die Fabriken still. Das Trauma der Fokussierung auf russisches Gas bei der Energieversorgung sitzt noch so tief, dass man bei den Rohstoffen auf keinen Fall den gleichen Fehler machen will. Denn, so die bittere Lehre: Ökonomische Abhängigkeit bedeutet auch politische Erpressbarkeit.

Um dem vorzubeugen sind gleich mehrere Aktionspläne in der Mache. Die EU plant einen neuen „Raw Materials Act“, der vorsieht, dass zehn Prozent des europäischen Bedarfs an strategischen Rohstoffen innerhalb der EU abgebaut werden. Dazu sollen Genehmigungsverfahren für neue Minen deutlich verkürzt werden. Auch die Wiederverwertung von bereits genutzten Rohstoffen soll mit 15 Prozent einen Beitrag zur größeren ökonomischen Unabhängigkeit leisten.

International ist die EU auf der Suche nach neuen Verbündeten zur Beschaffung kritischer Mineralien. Kommissionpräsidentin Ursula von der Leyen ist momentan auf transatlantischem Besuch in Kanada und den USA, um dort für eine Art „Rohstoff-Nato“ zu werben. Europa, Japan, Kanada und die USA arbeiten jetzt schon intensiv daran, gemeinsam kritische Mineralien und Metalle zu sichern. Am Ende dieser Bemühungen könnten Abkommen zum gegenseitigen Rohstoff-Beistand stehen. Die Suche nach den modernen Schätzen ist längst zu einer globalen Sicherheitsfrage geworden.

IMAGO/TT

Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius hat den Anschlag auf die Erdgaspipeline in der Ostsee beim Treffen mit seinen EU-Kollegen in Stockholm kommentiert.

Wenn sich Politiker öffentlich äußern, ist es oft spannender, darauf zu hören, was sie nicht sagen. Nach neuen Enthüllungen, die die Anschläge auf die Nord Stream Pipelines proukrainischen Akteuren zuschreiben, wurde Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) gestern bei einem Treffen mit seinen EU-Kollegen in Stockholm zu Deutschlands Ukraineunterstützung gefragt. Was in seiner Antwort fehlte, war ein klares Bekenntnis zum aktuellen Kurs. Er sagte nur:

„Ich würde so eine Frage gerne beantworten, wenn ich etwas Belastbares weiß.“

Das lässt die Interpretation zu: Belastbare Beweise, dass ukrainische Akteure hinter der Sabotage stecken, könnten Deutschlands Haltung zur Ukrainehilfe infrage stellen. Ein Zeichen für die Brisanz des Themas innerhalb des proukrainischen Bündnisses. Vor allem, weil die Frage nach der Täterschaft auch die öffentliche Wahrnehmung der Konfliktparteien beeinflussen könnte. Wenn die Bevölkerung die Ukrainehilfen langfristig nicht mehr unterstützt, dürfte es auch für die Politik in Deutschland und den USA schwieriger werden, diese noch weiter aufrechtzuerhalten.

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Jetzt zu einem anderen Thema, das derzeit extrem an Bedeutung gewinnt: Bürogebäude aus den 1980er-Jahren, gelegen in Vororten der großen Städte Finnlands. War bisher bei Ihnen noch nicht so hoch auf der Agenda? Das sollte sich ändern. Denn diese Immobilien helfen, eine drohende Krise für ganz Europa zu verstehen – mit potenziell besorgniserregenden Auswirkungen.

Denn der Preisverfall eben jener Bürogebäude in Finnland hat dazu geführt, dass Blackstone, eines der größten Private-Equity-Häuser der Welt, einen Immobilienkredit nicht mehr bedienen konnte. Der Kredit ist Grundlage einer 531 Millionen Euro großen, mit Gewerbeimmobilien besicherten Anleihe. Dabei wandelt ein Kreditgeber eine Hypothek in Wertpapiere um, die an Investoren verkauft werden können.

Wenn bei dieser Geschichte Ihre Finanzmarkt-Alarmglocken läuten, liegen Sie richtig. Denn dabei kommen Erinnerungen an die Finanzkrise 2008 hoch, die ihren Ursprung auf dem US-Immobilienmarkt ebenfalls im Verbriefungsgeschäft hatte. Besorgniserregend ist, dass die finnischen Entwicklungen kein Einzelfall sind, auch in Deutschland sinken die Preise für Gewerbeimmobilien derzeit deutlich.

Selbst prominente Objekte sind betroffen: Das Commerzbank-Hochhaus in Frankfurt etwa sucht seit vergangenem Herbst vergeblich einen neuen Eigentümer. Der bestehende Kredit für das höchste Hochhaus in der Europäischen Union wird in diesem Jahr fällig.

Ein wahnwitziger Streit mischt derzeit die Umfragebranche auf. Auf der einen Seite steht das etablierte Meinungsforschungsinstitut Forsa unter Leitung von Manfred Güllner, auf der anderen Seite das vergleichsweise junge Unternehmen Civey unter Leitung von Janina Mütze. Dabei geht es um verschiedene „Schulen“ der Meinungsumfragen, zum Beispiel, ob diese per Festnetz oder Internet durchgeführt werden sollten.

Aber auch um einen persönlichen Disput, bei dem Mütze des Öfteren Post von Güllners Anwalt erhält. Etwa als die Jungunternehmerin über den Forsa-Chef im Handelsblatt-Podcast sagte, er sei in Rente. Die Replik per Anwaltsschreiben: Sollte sie das noch mal behaupten, müsse sie 10.000 Euro zahlen. In den vergangenen vier Jahren zählte Civey insgesamt rund 20 rechtliche Auseinandersetzungen mit Forsa – fast alle seien von dem Konkurrenten angestoßen worden. Unternehmensreporter Michael Scheppe hat die Details des Disputs zusammengetragen.

Civey/Rica Rosa

Janina Mütze leitet das Berliner Startup Civey, das Online-Umfragen für Meinungs- und Marktforschung durchführt.

Und dann ist da noch Twitter-Chef Elon Musk, der derzeit offenbar ganz besondere Sicherheitsvorkehrungen treffen muss. Nachdem der selbst ernannte Technokönig beim Kurznachrichtendienst das Personal einmal gehörig umgekrempelt hat, bewegt sich Musk nach BBC-Berichten nur noch mit Personenschutz durch das Twitter-Hauptquartier. Die beiden Bodyguards begleiten ihn demnach sogar bis aufs WC.

Die Geschichte dürfte viele Chefs weltweit beruhigen. Solange sie noch nicht fürchten müssen, auf der Toilette von ihren Mitarbeitern angegriffen zu werden, können sie sich rühmen, dass die Stimmung in ihrem Unternehmen immer noch besser ist als bei Twitter.
Ich wünsche Ihnen einen sicheren Start in den Tag.
Herzliche Grüße
Ihre

Teresa Stiens
Redakteurin Handelsblatt

Morning Briefing: Alexa

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