Guten Morgen liebe Leserinnen und Leser,
beunruhigende Bilder erreichen uns aus Brasilien. Anhänger des ehemaligen Präsidenten Jair Bolsonaro haben in der Hauptstadt Brasília das Parlamentsgebäude, den Obersten Gerichtshof und den Regierungssitz Palácio do Planalto gestürmt. Die Zahl der Angreifer wurde auf etwa 3000 geschätzt. Die Polizei setzte Pfefferspray und Blendgranaten ein, konnte die Unterstützer des rechtsgerichteten Ex-Staatschefs zunächst aber nicht aufhalten. Später brachte die Polizei das Regierungsviertel wieder unter Kontrolle.
Bolsonaros Nachfolger Luiz Inácio Lula da Silva war zum Zeitpunkt der Attacke nicht in der Hauptstadt. „Alle Vandalen werden gefunden und bestraft“, sagte der linksgerichtete Präsident später am Abend. „Wir werden auch herausfinden, wer sie finanziert hat.“ Per Dekret ordnete Lula an, dass die Bundesregierung die Verantwortung für die öffentliche Sicherheit in Brasília übernimmt. Bolsonaro hatte seine Wahlniederlage gegen Lula nie ausdrücklich anerkannt. Er verurteilte allerdings die Stürmung des Regierungsviertels.
Eine Erinnerung zum Jahresauftakt, dass Demokratie eine fragile Angelegenheit ist, die wohl behütet werden will – nicht nur in Brasilien.
Nach einem guten Jahr Ampelkoalition gibt es unter den demokratischen deutschen Parteien zwei Gewinner und zwei klare Verlierer. SPD und FDP haben in den Umfragen gegenüber dem Wahlergebnis vom September ‘21 verloren, CDU und Grüne zugelegt.
Eine Folge: Unter führenden Liberalen und Sozialdemokraten ist die Stimmung derzeit etwa so gelassen wie unter 15-jährigen Tanzschülern, die keine Partnerin für den Abschlussball finden. Liegt es an den Pickeln? Oder ist man vielleicht nicht witzig genug?
Die probate politische Antwort auf solche Selbstzweifel: neue inhaltliche Vorstöße. Die SPD-Spitze macht sich nun für ein „Comeback der Infrastrukturpolitik für das 21. Jahrhundert“ stark. Planungs- und Genehmigungsverfahren für Verkehrs- und Energienetze müssten beschleunigt, das Bildungs- und das Gesundheitssystem modernisiert werden. So heißt es: „Wer in Deutschland nachhaltige Infrastruktur ausbauen oder Zukunftsinvestitionen tätigen will, soll darauf nicht jahrelang warten müssen.“
Klingt gut. Passend dazu allerdings auch unsere Zahl des Tages: Seit zehn Jahren steht die SPD im Bund ununterbrochen in Regierungsverantwortung.
Demgegenüber hat die FDP den Vorteil, dass man erst seit einem Jahr im Bund mitregiert. Doch zugleich scheint unter den Anhängern der Liberalen das Gefühl besonders ausgeprägt zu sein, dass die eigenen Positionen in der Ampel unter die Räder kommen. Bei allen in diesem Jahr anstehenden Landtagswahlen ist die Fünf-Prozent-Hürde zum Hauptgegner der FDP geworden.
Dabei waren es eindeutig die Grünen, die im vergangenen Jahr ihrer Stammklientel die meisten Ideologiebrüche zugemutet haben. Die Stichworte lauten Waffenlieferungen, Tankrabatt, Kohle-Reaktivierung und sogar eine Mini-Atomkraftverlängerung. Dennoch hat die Partei als einziger Ampel-Partner in den Umfragen zugelegt.
Wu Ken: Chinas Botschafter in Berlin übt scharfe Kritik an der geplanten deutschen China-Strategie.
Bild: imago images/Emmanuele Contini
Täusche ich mich, oder erleben wir seit einigen Monaten den Aufstieg einer neuen Berufsgruppe – jene der undiplomatischen Diplomaten? Den Anfang machte der damalige ukrainische Botschafter in Deutschland, Andrij Melnyk. Selbst seit man ihn nach Kiew wegbefördert hat, lässt er noch immer seine Twitter-Schimpftiraden auf alle echten und vermeintlichen Putin-Versteher in der Bundesrepublik herabregnen.
Und jetzt ist es Pekings Vertreter in Berlin, der im Handelsblatt-Interview empört auf die Pläne Deutschlands reagiert, seine Chinapolitik neu auszurichten. Botschafter Wu Ken sagt über den Entwurf für eine Chinastrategie der Bundesregierung:
„Das Papier erweckt den Eindruck, dass es vor allem von Ideologie geleitet wird. Dies riecht für mich verdächtig nach einer Mentalität des Kalten Kriegs.“
Der bisher bekannt gewordene Entwurf unter Federführung von Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) plädiert für eine härtere Gangart gegenüber Peking und für mehr wirtschaftliche Unabhängigkeit von China. Wu äußert den Verdacht, dass die deutsche Regierung ihre Unabhängigkeit einbüße und stattdessen in Sachen Chinapolitik ganz den USA folge: „Und diese zielen bekanntlich auf eine Unterdrückung und Eindämmung Chinas.“
Man muss nicht alles für bare Münze nehmen, was der Botschafter im Interview von sich gibt, vor allem nicht zur angeblich rosaroten Menschenrechtslage in China. Aber in einem Punkt sollte er uns zum Nachdenken bringen: Mit jedem Regime Geschäfte machen und zugleich der Welt Lehrstunden über die Unveräußerlichkeit von Menschenrechten zu halten – diese beiden Seiten des deutschen Handelns gehen zunehmend schwer zusammen.
Und dann ist da noch der Bayerische Hof in München, Tummelplatz der Bussi-Society und als Gastgeber der Münchner Sicherheitskonferenz einmal im Jahr Schauplatz der Weltpolitik. Allerdings: Im Handelsblatt-Ranking der 101 besten Hotels Deutschlands landet der Bayerische Hof stets nur im Mittelfeld. Es sind vor allem die Gästebewertungen auf Buchungsportalen wie Booking.com, die die familiengeführte Hotellegende nach unten ziehen. Was ist da los am Münchner Promenadenplatz?
Um diese Frage zu überprüfen, hat unser Hoteltester Carsten Rath für eine penible Sonderinspektion im Bayerischen Hof eingecheckt. Er ist auf Kritikpunkte gestoßen, die mir zum Teil nicht einmal aufgefallen wären. Etwa, dass der Doorman fehlte und der Barkeeper vor den Gästen Cola trank, anstatt dazu den Barbereich zu verlassen. In einem Punkt allerdings übertrifft meine Empörung noch die unseres Testers: Zum Frühstück wurden ihm keine Tageszeitungen angeboten.
Wenn das Baby Schimmerlos noch erleben müsste!
Ob im Hotel oder daheim: Ich wünsche Ihnen einen Tag, der mit einem wunderbaren Frühstück startet – inklusive Handelsblatt.
Herzliche Grüße
Ihr
Christian Rickens
Textchef Handelsblatt
Auf tippen, dann auf „Zum Home-Bildschirm“ hinzufügen.
Auf tippen, dann „Zum Startbildschirm“ hinzufügen.
×
Kommentare (1)