Guten Morgen liebe Leserinnen und Leser,
Peter Thiel ist vieles gleichzeitig: Ein Wunderkind der Technologieszene und ein rechtslibertärer Ideologe. Außerdem ein gefeierter Geschäftsmann mit einem Gespür für neue Trends und ein verhasster Politaktivist mit einem Hang zu gefährlichen Thesen. Gerade wegen dieser Gegensätze ist der Paypal-Gründer und Investor unfassbar schwer zu greifen.
Unser Korrespondent in New York, Felix Holtermann, hat versucht, sich Peter Thiel anzunähern, und dabei nicht nur ein rares Interview mit ihm ergattert, sondern auch viele Weggefährten des umstrittenen Multimilliardärs befragt.
Darin zeigt sich einmal mehr, dass der Deutschamerikaner voller Provokationen, aber vor allem voller Gegensätze steckt. So lobt er im Interview die Grünen, will aber in den USA weiterhin die Republikaner unterstützen. Seine Ausführungen zu rechten Aktivisten während des Interviews wiederum möchte er im Nachhinein nicht veröffentlicht sehen.
Es scheint, dass Thiel vor allem an eines unumstößlich glaubt: den Fortschritt durch Technologie. Selbst seine schärfsten Kritiker müssen anerkennen, dass er hierbei meist den richtigen Riecher für das große neue Ding hatte. Diese Art der disruptiven Innovation sieht Thiel jetzt beim Thema Künstliche Intelligenz.
Der „Medienrummel“ darum sei gerechtfertigt, meint er. Künstliche Intelligenz könne gegen die aktuelle Stagnation an Innovationen und Produktivität helfen, das hätten mittlerweile alle erkannt. Google etwa sei „völlig im Panikmodus“, denn, so Thiels Prophezeiung: „Wir erleben gerade etwas Großes, weil die Macht neu verteilt wird.“
Peter Thiel: Der Tech-Investor gilt als Vordenker, ist wegen seines politischen Engagements aber auch umstritten.
Was Deutschland, das Heimatland seiner Eltern, angeht, macht Thiel einige krude Vorhersagen, deren Eintrittswahrscheinlichkeiten an dieser Stelle mal dahingestellt seien. Politische Zuspitzungen und provokative Zukunftsthesen gehören zu seinem Repertoire. Doch auch hier zeigt sich Thiels Widersprüchlichkeit ein weiteres Mal, wenn er trotz seiner düsteren Prognosen ausführt: „Deutschland ist vielleicht das Land mit der größten Lücke zwischen Selbstwahrnehmung und Potenzial.“
Mehr über die vielleicht umstrittenste Persönlichkeit des Silicon Valley lesen Sie in unserem großen Wochenendtitel.
Erzählungen, bei denen mutige Helden allein gegen eine Übermacht der Ungerechtigkeit ankämpfen, haben ihren Reiz. Auch deshalb ist die Geschichte der Ermittlungen zum Cum-Ex-Skandal so legendär. Eine Staatsanwältin, die fast im Alleingang den größten Steuerraub in der Geschichte der Bundesrepublik aufdeckt.
Problematisch wird es dann, wenn die einsame Heldin auch im weiteren Verlauf der Geschichte nicht die Unterstützung bekommt, die sie benötigt. So geschehen in der Causa Cum-Ex. Denn die Kölner Staatsanwaltschaft, die hauptverantwortlich für die Aufklärung des Betrugs ist, ist personell bei weitem nicht gut genug aufgestellt, um die Flut an Verfahren zeitig zu bewältigen.
Wie das Handelsblatt erfuhr, hat der ehemalige nordrhein-westfälische Justizminister Peter Biesenbach (CDU) deswegen eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den Leiter der Kölner Staatsanwaltschaft eingereicht. Es bestehe die Gefahr einer „Strafvereitelung im Amt“. Denn im schlimmsten Fall dauern einzelne Ermittlungen so lange, dass Beschuldigte wegen der langen Verfahren mit niedrigeren Strafen davonkommen könnten.
Bei der Energiewende stellt sich eine große Frage: Wie kann Energie, die durch Sonne oder Wind an einem Ort erzeugt wird, an einem anderen Ort verbraucht werden? Eine der vielversprechendsten Lösungen lautet, Wasserstoff für Speicherung und Transport zu benutzen. Doch bisher fehlt dafür noch die nötige Infrastruktur.
Schon bald soll jedoch in der Nordsee eine neue Pipeline für Erneuerbare entstehen, die den Namen „Aquaductus“ trägt. Damit könnte Wasserstoff beispielsweise aus schottischen Offshore-Windparks bis an die deutsche Küste transportiert werden.
Das große Ziel ist es, in der Nordsee ein ganzes Wasserstoffnetz entstehen zu lassen, durch das im großen Stil grüne Energie transportiert werden kann. Eine Studie, die von einem der Mitinitiatoren der neuen „Aquaductus“ -Pipeline in Auftrag gegeben wurde, rechnet vor, dass mit Investitionen zwischen 15 und 22 Milliarden Euro ein 4200 Kilometer langes Wasserstoffnetz in der Nordsee entstehen könnte. So würden Deutschland, Belgien, Großbritannien, Dänemark und die Niederlande energetisch miteinander verbunden.
Lange galt in Deutschland die Mär, dass Wirtschaft und Politik stets getrennt voneinander betrachtet werden müssten. Der Bau der umstrittenen Ostseepipeline Nord Stream 2 wurde beispielsweise vor allem damit gerechtfertigt, dass es sich um ein „rein wirtschaftliches“ Projekt handle. Der Ausgang des Ganzen ist hinlänglich bekannt.
Doch im vergangenen Jahr hat sich diese Sichtweise gewandelt. Das wird an einem sperrigen Begriff deutlich, der derzeit in Berlin, aber auch Brüssel und Washington diskutiert wird: Outbound Investment-Screening. Das bedeutet, dass Unternehmen dazu verpflichtet wären, bestimmte Investitionen in kritischen Bereichen im Ausland einer staatlichen Stelle zu melden. In einem zweiten Schritt könnten sie sogar untersagt werden.
Die Diskussionen sowohl auf EU-Ebene als auch innerhalb der Bundesregierung stehen zwar noch am Anfang. Doch ein Brüsseler Eingeweihter sagte dem Handelsblatt: „Das Instrument wird kommen.“ In den USA ist die Debatte schon weiter fortgeschritten. Dort hätte die Maßnahme einen klaren Adressaten: Unternehmen, die planen, in China zu investieren.
In diesen Stunden, in denen ich das Morning Briefing schreibe, erreichen mich die traurigen Nachrichten aus Hamburg. Während einer Veranstaltung der Zeugen Jehovas im Stadtteil Alsterdorf sind laut Polizeiberichten Schüsse gefallen. Demnach sind nach letztem Stand dort sechs oder sieben Menschen um Leben gekommen, mindestens acht weitere seien verletzt worden.
Da es zum Redaktionsschluss dieses Briefings noch nicht viel mehr Informationen gibt, möchte ich für den Moment nicht mehr dazu schreiben. Über aktuelle Entwicklungen zu dem Vorfall können Sie sich >> hier informieren. Ein launiger Abschluss des Morning Briefings, wie sonst üblich, scheint vor diesem Hintergrund allerdings nicht angebracht.
Ich wünsche Ihnen trotzdem einen guten Start in den Tag.
Herzliche Grüße
Ihre
Teresa Stiens
Redakteurin Handelsblatt
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