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03.04.2021

11:36

Elektromobilität

Hindernis Netzanschluss: „Das läuft einem schnellen Ausbau der Ladesäulen entgegen“

Von: Claudia Scholz

Schnellladesäulen sollen die Elektromobilität voranbringen. Doch der Ausbau stagniert – auch weil Unternehmen oft lange auf den Stromanschluss warten müssen. Die hohen Kosten machen den Betrieb unwirtschaftlich.

Schnellladesäulenbetreiber bemängeln: „Die wohl größte Schwierigkeit liegt darin, einen leistungsstarken Stromanschluss an das Grundstück zu bringen.“ EnBW

Schnellladesäule

Schnellladesäulenbetreiber bemängeln: „Die wohl größte Schwierigkeit liegt darin, einen leistungsstarken Stromanschluss an das Grundstück zu bringen.“

Düsseldorf Seit Mai vergangenen Jahres wartet Duraid El Obeid darauf, dass seine Schnellladesäule ans Stromnetz angeschlossen wird. Nun soll der Strom Ende April fließen. Als letzten Grund für die Verzögerung habe der brandenburgische Netzbetreiber ihm „Witterung“ genannt, sagt der Geschäftsführer von Sprint Tank, einem Tankstellenunternehmen mit 140 Standorten.

Einige Firmen, die Schnellladesäulen aufstellen wollen, müssen sich derzeit in Geduld üben. „Sie kämpfen mit den komplizierten Genehmigungsverfahren und Förderanträgen bei den zuständigen Behörden, die sich teilweise über Monate hinziehen“, sagt El Obeid, der auch Chef des Bundesverbands Freier Tankstellen (BFT) ist. „Die wohl größte Schwierigkeit liegt jedoch darin, einen leistungsstarken Stromanschluss an das Grundstück zu bringen.“

So kommt es bundesweit immer wieder zu der Situation, dass nagelneue, aber verhüllte Ladesäulen bei den Betreibern an Ladeparks oder Stromtankstellen stehen und der Anschluss auf sich warten lässt – für Ladesäulenbetreiber wie Tankstellenbesitzer ein Problem, die zunehmend E-Auto-Fahrer als Kunden im Blick haben. Aber auch für die Politik, die den Ausbau von Schnellladesäulen vorantreiben will, um damit den Absatz von elektrisch betriebenen Fahrzeugen zu steigern und den Menschen die Reichweitenangst zu nehmen.

Wie Erhebungen der Bundesnetzagentur zeigen, stagniert die Zahl der errichteten Schnellladesäulen. Die sogenannten High Power Charger, an denen E-Fahrzeuge mit 150 bis 350 Kilowatt (KW) Leistung laden können, machen erst fünf Prozent der öffentlichen Ladeeinrichtungen aus.

Lange Bearbeitungszeiten der Netzbetreiber seien da kontraproduktiv, sagt Ulf Schulte, Managing Director von Allego, mit 326 Schnellladeeinrichtungen der drittgrößte Schnellladesäulenbetreiber hinter EnBW und Ionity. „Meistens dauert es von der Beantragung bis zur Inbetriebnahme sechs Monate, es können aber auch mal neun werden. Das läuft einem schnellen Ausbau entgegen.“

Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) widerspricht. Eine Befragung bei 198 Ladesäulenbetreibern habe ergeben, dass die Genehmigung eines Netzanschlusses für Schnellladeinfrastruktur durchschnittlich fünf Wochen und der Netzanschluss selbst durchschnittlich neun Wochen dauerte.

Allerdings sei die Dauer auch von Genehmigungsbehörden, Bauunternehmen oder Dienstleistern abhängig – besonders im Falle von Neubau und Netzertüchtigung. „Gerade im urbanen Umfeld mit geballter Bebauung kann die Durchführung von Baumaßnahmen aufgrund eingeschränkt verfügbarer Flächen und Verkehrsplanung hausfordernd sein“, heißt es vom BDEW.

Der Verband gibt zu, dass es durch die steigende Nachfrage nach Netzanschlüssen „bei begrenzten operativen Ressourcen der Netzbetreiber vereinzelt zu längeren Bearbeitungszeiten von Anschlussanfragen“ kommen kann. Und: „Die Möglichkeiten der Netzbetreiber zum Aufbau neuer personeller Kapazitäten werden durch die Anreizregulierung der Bundesnetzagentur begrenzt.“ Da die Netzbetreiber gegenüber dem Verbraucher eine Monopolstellung einnehmen, werden sie von der Bundesnetzagentur über die Netzentgeltregulierung darin beschränkt, steigende Kosten an ihre Kunden weiterzugeben.

„Da sie Monopolisten sind, ist man von ihnen abhängig“

Was viele Antragsteller vermissen, sind Fristen, an die sich die Netzbetreiber beim Anschluss von Schnellladesäulen halten müssen. Sie sind lediglich verpflichtet, bei Ladeleistungen über 12 KW innerhalb von zwei Monaten mitzuteilen, ob ein Netzanschluss möglich ist. Der Zeitraum der Umsetzung bleibt unverbindlich. „Da sie Monopolisten sind, ist man von ihnen abhängig“, sagt Schulte.

Die großen Stadtwerke würden oft territorial agieren und am liebsten ihre Städte mit den eigenen Ladesäulen ausstatten. Bei Anträgen von potenziellen Konkurrenten herrsche eine fast abwartende Haltung, so El Obeid. Zum Teil müssten Förderanträge für die Säulen immer wieder verlängert werden. Denn die Gelder werden erst gezahlt, wenn die Ladeeinrichtung in Betrieb geht.

Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) entgegnet: „Die Unternehmen wie Tankstellenbetreiber sind wichtige Kunden für die Netzbetreiber. Diese haben daher ein hohes Eigeninteresse, Ladeinfrastruktur so schnell wie möglich anzuschließen.“

Für den BFT ist klar: „Der Aufbau der Schnellladeinfrastruktur wird nur dann besser, wenn der Bund die Netzbetreiber zu verbindlichen Umsetzungszeiten verpflichtet und die Kosten für den Netzanschluss vollständig übernimmt“, sagt El Obeid. Denn viele Unternehmen schreckten vor dem Ausbau zurück, auch wenn ein Teil gefördert wird.

Für Schnellladesäulen muss an den meisten Standorten eine neue Stromleitung verlegt oder sogar ein Transformator gebaut werden. „Hier liegen die Kosten im fünf- oder sechsstelligen Bereich, was angesichts der zumindest aktuell noch fehlenden Wirtschaftlichkeit von Ladesäulen gerade bei mittelständischen Unternehmen finanziell nicht darstellbar ist“, sagt El Obeid. Zu gering sei die Auslastung durch die Elektrofahrzeuge immer noch.

Eine 150-KW-Säule mit Niederspannungsanschluss sei für viele schon die Schmerzgrenze der Wirtschaftlichkeit, sagt der Manager eines norddeutschen Energieunternehmens und rechnet vor: Bei einem Niederspannungsanschluss entfallen etwa 20.000 bis 30.000 Euro auf Kabel, Tiefbau und Baukostenzuschuss an die Netzbetreiber. Die staatliche Förderung beträgt maximal 5000 Euro. Hinzu kommt noch die Säule mit rund 45.000 Euro.

Eine 300-KW-Säule, die derzeit favorisierte Variante von Politik und Wirtschaft, schlägt mit 65.000 Euro zu Buche. Bei Säulen dieser Leistungsklasse wird immer ein Mittelspannungsanschluss mit eigenem Trafo erforderlich, der bis zu 80.000 Euro kosten kann.

Anschluss teurer als die Säule selbst

So wird der Anschluss teurer als die Säule selbst. „Bei einem Anschluss ans Niederspannungsnetz erreicht man die Gewinnschwelle trotz Förderung erst nach rund sechs Jahren. Bei Anschluss ans Mittelspannungsnetz können es abhängig von der Ladefrequenz neun Jahre und mehr werden“, sagt der Manager. Die Preise fürs Schnellladen könnten nicht beliebig gesteigert werden. „80 Cent pro Kilowattstunde sind schon jenseits des Maximums, das am Markt durchsetzbar ist. Im Schnitt wird eine Kilowattstunde Schnellstrom für 50 Cent verkauft.“

Deswegen lagern viele mittelständische Tankstellen das Geschäft mit den Ladesäulen an Firmen wie Allego aus. Diese hat beispielsweise für die Deutsche Tamoil fünf Prozent des Hem-Tankstellennetzes mit Ladesäulen ausgestattet.

Die Netzanschlusskosten variieren deutschlandweit sehr stark. Die Preise hängen laut BDEW von der Säulenleistung, der Spannungsebene, an der der Netzanschluss erfolgen soll, sowie dem Erschließungsaufwand ab.

Die Netzbetreiber unterlägen einem „harten Kostenmonitoring“ durch die Bundesnetzagentur. „Wir können davon ausgehen, dass die Preise kosteneffizient und für die bereitgestellte Leistung gerechtfertigt sind. Elektromobilität wird gleichbehandelt wie alle anderen Netzkunden, sprich diskriminierungsfrei“, so der BDEW.

Die Netzbetreiber verweisen auf die lange Lebensdauer eines Mittelspannungsanschlusses. Die Kabel halten zwischen 40 und 50 Jahre und Transformatoren ungefähr 20 Jahre. Dies relativiere die höheren Anfangsinvestitionen.

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