Beschleunigungswerte wie ein Sportwagen und trotzdem fast 500 Liter Kofferraum: der Taycan Cross Turismo ist in jeder Hinsicht ein Auto der Extreme. So schlägt er sich im Test.
Sportwagen-Gene
Von vorne behält der Taycan auch als Kombi seine typischen Design-Gene.
Düsseldorf Es ist keine Überraschung, dass Porsche schnelle Fahrzeuge baut. Auch nicht, dass der Autokonzern aus Zuffenhausen mittlerweile auch sehr schnelle Elektroautos verkauft. Ungewöhnlich ist aber, dass Porsche nun auch eine Art aufgebockten Elektro-Sport-Kombi im Angebot hat: Den Taycan Cross Turismo. Und der ist in der Turbo-S-Version beängstigend schnell.
Der Sprint auf 100 Kilometer pro Stunde: eine Sache von weniger als drei Sekunden. Keine sieben Sekunden später stehen 200 auf dem Tacho. Bei 260 Kilometer pro Stunde wird abgeriegelt, wahrscheinlich wären locker 300 möglich. Angetrieben wird das Fahrzeug von zwei Elektromotoren, die maximal 761 PS entfalten. Die Beschleunigung ist brutal. Bei Mitfahrern gibt es nur zwei Reaktionen: Entweder hassen sie es oder sie haben ihre Begeisterung nicht mehr im Griff.
Für Porsche ist die Taycan-Reihe der Einstieg in die Welt der reinen Elektromobilität. Und direkt mit dem ersten Modell hat der Sportwagenbauer offenbar ins Schwarze getroffen. Kaum zwei Jahre nach Marktstart hat Porsche in diesem Jahr bereits mehr Taycans zugelassen als 911er, jenes legendäre Automodell, das Porsche seit jeher definiert. Selbst ein Rückruf wegen einer fehlerhaften Leistungselektronik-Software, die zu Leistungsverlusten geführt hatte, tut dem Taycan-Erfolg keinen Abbruch.
Der Taycan Cross Turismo beruht auf Porsches „J1“-Plattform. Gebaut wurde das über 200.000 Euro teure Testfahrzeug in Zuffenhausen. In Düsseldorf falle ich mit dem Fahrzeug nicht mal auf. Hier sind Passanten an Porsche gewöhnt. Ein Bekannter, der den Wagen sieht, sagt: „Der sieht ja fast so aus wie ein Panamera.“
Vom Panamera unterscheidet sich der Taycan Cross Turismo aber nicht nur hinsichtlich des Antriebs. Auch beim Fahrwerk geht Porsche andere Wege. Das lässt sich im sogenannten „Gravel-Mode“ um zehn Millimeter anheben. Geländegängig wird der Wagen dann zwar nicht, wie der Name suggeriert. Aber der Gravel-Mode bietet auch Vorteile im Stadtverkehr: Hohe Bordsteinkanten oder Bremsschwellen zum Beispiel sind für den Cross Turismo weniger ein Problem als für den normalen Taycan. In der Testwoche nutze ich den Gravel-Modus öfter als ich erwartet hatte.
Schlank geblieben
Auch im Profil wirkt der Cross Turismo alles andere als klobig.
Alles im Griff
Der Innenraum ist von der Verarbeitung über jeden Zweifel erhaben.
Richtig aufregend ist aber der Sportplus-Modus. Das Fahrwerk senkt sich dann ab, die Elektromotoren an Vorder- und Hinterachse werden scharf gestellt und – davon bin ich kein Fan – es wummert aus Lautsprechern ein „Motorsound“ den den Innenraum. Das Dröhnen dürfte eine Reminiszenz an aussterbende sportlich klingende Verbrennungsmotoren sein – ein Kompromissangebot an die Petrolheads.
Denn langjährige Porsche-Fans dürften in Zukunft die röhrenden Boxermotorengeräusche vermissen. Ich brauche das nicht. Glücklicherweise kann das raumschiffähnliche Geräusch ausgeschaltet werden.
Allzu oft durchbeschleunigen sollte man mit dem Taycan aber nicht, wenn man nicht schnell zurück an die Ladesäule möchte. Der Verbrauch liegt dann jenseits der 30 Kilowattstunde pro 100 Kilometer. Aber auch bei normaler Fahrt verbraucht der Taycan mit etwa 27 Kilowattstunden relativ viel. Sportwagenfahrer kennen das vom Verbrenner.
Insgesamt kann man auf eine Batteriekapazität von 83,7 kWh zurückgreifen. Das reicht im Labor für rund 400 Kilometer Reichweite, in der Realität komme ich auf etwa 330 Kilometer.
Ein Segen ist die Möglichkeit des Schnellladens mit bis zu 270 Kilowatt. Fünf Minuten an die Ladesäule gestöpselt, können fast 100 Kilometer zusätzlich geladen werden. Das Aufladen von 10 auf 80 Prozent Batteriekapazität dauert keine 20 Minuten. Dank der Porsche Connect App kann man den Wagen zudem während des Ladens bereits kühlen oder heizen, auch wenn man nicht im Fahrzeug sitzt.
Anders als bei anderen Sportwagen aus Zuffenhausen ist auch der Einkauf mit dem Extrem-Kombi kein Problem. Der Kofferraum hat ein Volumen von 489 Liter, mit umgeklappten Rücksitzen passen sogar bis zu 1212 Liter rein. Dann lässt sich auch sperriges Gut transportieren. Skier und Golf-Schläger kann der Taycan-Fahrer locker unterbringen.
Im Innenraum erstrecken sich vom Fahrer bis zum Beifahrer hochauflösende Displays. Es sind drei einzelne Bildschirme und kein durchgehender, wie beim Mercedes EQS. Der Beifahrer kann sich wichtige Fahrzeuginformationen, wie zum Beispiel die Geschwindigkeit, anzeigen lassen. Über das Beifahrerdisplay lässt sich auch das Radio beziehungsweise Spotify bedienen. Das „Virtual Cockpit“, sprich das Fahrerdisplay, ist schön animiert, allerdings ist es leider etwas zu groß. Je nach Lenkradeinstellung verdeckt es ein paar Informationen.
Viel Bildschirm
Auch der Beifahrer kommt im Taycan auf seine Kosten.
Platz genug
Anders als andere Sportwagen hat der Taycan Cross Turismo viel Ladefläche.
Die Qualität der verbauten Materialien im Innenraum ist über jeden Zweifel erhaben. Das Lenkrad in Alcantara umhüllt, die Armaturen sind lederverkleidet, alles ist unterschäumt. Fast nichts fühlt sich billig an – mit einer Ausnahme: Ausgerechnet beim Türgriff hat Porsche gespart. Der ist aus Plastik. Kurze Zusatzinfo: Der Testwagen kostet über 211.000 Euro. Da hätten die Türgriffe gerne aus Edelstahl oder Aluminium sein können.
Wer weitere Fehler sucht, findet sie in der Software. Besonders nervig ist ein Bug bei Apple CarPlay. Wenn ich bei Spotify auf das nächste Lied springen will, vergehen etwa 1,5 Sekunden, bis das Lied nach dem Klick wechselt. Immer wieder habe ich dann das Gefühl, dass ich den Button nicht getroffen habe oder das System nicht reagiert. Das ist während der Fahrt sehr irritierend.
An einem Tag hat sich der Porsche auch per se nicht mit dem Handy verbinden wollen. Mehrmaliges Neustarten des Handys, des Autos und der Neukonfiguration der Verbindung haben nichts gebracht. Es war einfach unmöglich mein Smartphone mit dem Fahrzeug zu verbinden. Am nächsten Tag dann funktioniertes es wieder einwandfrei.
Schön am Heck
So werden die meisten Autofahrer den Taycan erleben: von hinten.
Insgesamt ist die Menüführung einigermaßen intuitiv und flüssig. Nur die Navigationskarte sollte während der Fahrt besser nicht verschoben werden. Die nämlich ruckelt, springt und ist viel zu langsam. Entweder wurde das schlecht programmiert oder Porsche hat schlichtweg ein Steuergerät mit zu wenig Grafikspeicher und zu wenig Arbeitsspeicher verbaut.
Gewöhnungsbedürftig ist auch die Bedienung der Klimaanlage. Dafür hat Porsche ein viertes eigenes Display in der Mittelkonsole verbaut. Darüber lässt sich die Temperatur einstellen und die Richtung des Luftstroms. Die Luftdüsen selbst nämlich lassen sich manuell nicht justieren. In meinen Augen wird damit die Bedienung der Klimaanlage unnötig verkompliziert.
Schade ist auch, dass mir während des Ladens keinerlei Zerstreuungsmöglichkeit geboten wird. Es gibt keine Netflix- oder Youtube-App, ich kann über das Infotainment-System auch nicht ohne Einschränkungen im Internet surfen. Bedeutet: Ich habe keine Möglichkeit mir beispielsweise eine Serie auf den großen und gestochen scharfen Displays im Innenraum des Porsches anzugucken. Stattdessen muss ich mich mit meinen knapp fünf Zoll großen Smartphone-Display begnügen. Aber immerhin kommt der Sound aus den Fahrzeugboxen.
Viertüriger Elektro-Sportwagen mit Allradantrieb
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