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31.03.2022

07:50

Elektromobilität

Lang lebe der König der Geländewagen – der Land Rover Defender 110 P400e im Handelsblatt-Autotest

Von: Lukas Bay

Der Land Rover Defender ist in seiner Neuauflage auch halbelektrisch zu haben. So soll der Klassiker für die neue Zeit gerüstet sein. Reicht das?

Auch bei der Neuauflage haben sich die Briten am klassischen Design orientiert.

Kantige Optik

Auch bei der Neuauflage haben sich die Briten am klassischen Design orientiert.

Düsseldorf „Packt mich einfach hinten auf einen Land Rover und fahrt mich nach Windsor.“ Diesen Satz soll Philip, Herzog von Edinburgh, oft zu seiner Frau, der britischen Königin Elizabeth II., gesagt haben.

Der Prinzgemahl beliebte nicht zu scherzen. Als er vergangenes Jahr im Alter von 99 Jahren verstarb, wurde ihm der letzte Wunsch erfüllt. Das letzte Geleit wurde dem Sarg in einem nach Philips Entwürfen angefertigten Geländewagen vom Typ Defender, dem ikonischen „Landy“, mit der Spezifikation „130 Gun Bus“ zuteil.

Doch selbst den treuesten Defender-Fahrern, wie Prinz Philip einer war, fällt es schwer, ihre Leidenschaft für den König der Geländewagen noch zu rechtfertigen. Wer nicht gerade den Klimawandel verleugnet, kann schlecht mit einem Auto fahren, das fast 14 Liter Diesel auf 100 Kilometer verbrennt und damit fast so viel CO2 ausstößt wie zwei Kleinwagen.

Als Neufahrzeug ist der klassische Defender, dessen für Extremterrain ausgelegtes stählernes Kastendesign über die Jahrzehnte praktisch unverändert geblieben ist, nicht mehr zu erhalten. Und das nicht aus Umweltschutzgründen, sondern weil die EU festgestellt hat, dass Fahrzeugform und -höhe Menschen das Leben kosten. Der „Landy“ war nicht mehr sicher genug für die Straßen.

In der Neuauflage, die Land Rover im Jahr 2020 auf den Markt brachte, wurde der Defender zwar sicherer, aber keinesfalls sparsam. Mit einer Ausnahme: Der Ausführung mit halbelektrischem Antrieb. Denn als Plug-in-Hybrid lesen sich die offiziellen Verbrauchswerte für den riesigen Geländewagen nicht mehr so furchteinflößend: 3,3 Liter Benzin soll der Defender als Hybrid verbrauchen, etwa so viel wie ein VW Up.

Natürlich sind die offiziellen Werte immer mit Vorsicht zu genießen. Das stellen wir schnell fest, als wir uns für den Handelsblatt-Autotest auf den Fahrersitz des Land Rover Defender PHEV packen. Der ungünstige Luftwiderstand und das hohe Gewicht fordern ihren Tribut.

Mit seinen Maßen ist der Defender auch PHEV eine imposante Erscheinung.

Riese auf Rädern

Mit seinen Maßen ist der Defender auch PHEV eine imposante Erscheinung.

Das schlanke Multimediasystem erlaubt einen 360-Grad-bLick beim Einparken.

Alles im Blick

Das schlanke Multimediasystem erlaubt einen 360-Grad-bLick beim Einparken.

Insgesamt landen wir bei einem Verbrauch von 9,6 Litern Benzin – dabei haben wir fast 189 Kilometer der rund 800 Kilometer rein elektrisch zurückgelegt und sind mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 46 Stundenkilometern nun wirklich nicht gerast.

Doch man muss festhalten: Die englische Traditionsmarke, die inzwischen zum indischen Tata-Konzern gehört, hat verstanden. Damit der König der Geländewagen das Elektrozeitalter überlebt, muss er sparsamer sein. Für den automobilen Adel ist das schon eine große Erkenntnis. Mehr sparen wäre dennoch schön.

Mit seiner Größe ist der Defender eine royale Erscheinung. Mit 1,97 Metern ist das Modell weit höher als der durchschnittliche Fahrer, wobei sich die Höhe – ganz Geländewagen – auch manuell verstellen lässt, wenn es mal durch unwegsames Terrain geht. Denn dafür ist der Defender, anders als die meisten domestizierten SUVs, konzipiert.

Der Defender hat immer zwischen 22 und 29 Zentimeter Platz nach unten. Da kann selbst eine Hauskatze Glück haben, wenn sie versehentlich den Weg des Geländewagens kreuzt. Kleinkinder erklimmen die Rücksitze wie ein Klettergerüst in der Kita.

In der getesteten Langversion 110, die Kenner „One Ten“ nennen, ist der Wagen fünf Meter lang. Das ist vergleichbar mit einem Mercedes Vito, also einem kleinen Transporter. Das Ersatzrad am Heck – da macht Land Rover keine Kompromisse – sorgt nochmal für zusätzliche Zentimeter. Und obwohl die wuchtige Karosserie aus Aluminium gefertigt wird, bringt der Defender immer noch 2,6 Tonnen auf die Waage – etwa 400 Kilo mehr als ein Audi Q8.

Neben der Klimaanlage lässt sich im Defender auch die Geländegängigkeit einstellen.

Geländegängig

Neben der Klimaanlage lässt sich im Defender auch die Geländegängigkeit einstellen.

Zwischen Defender und Asphalt sind immer zwischen 22 und 29 Zentimeter Platz.

Platz nach oben

Zwischen Defender und Asphalt sind immer zwischen 22 und 29 Zentimeter Platz.

Die Karosserie macht schon klar, dass es bei einem echten Geländewagen nicht auf Petitessen wie Aerodynamik ankommt, sondern auf Robustheit. Die Motorhaube wird durch schwarze Riffelbleche geschützt. Wo andere Hersteller Beschleunigungsdaten angeben, erklärt Land Rover, welche Wattiefe mit dem Defender durchfahren werden dürfe – außerdem den Böschungswinkel, Rampenwinkel und die maximale Schräglage.

Ein sperrbares Mittendifferential gleicht unterschiedliche Drehzahlen auf Vorder- und Hinterachse aus. Wer einmal im Schlamm steckte, weiß zu schätzen, dass darüber hinaus natürlich auch ein aktives Sperrdifferential für die Hinterachse verbaut ist.

Dabei ist das Modell auch in Deutschland nicht nur in Forst- und Landwirtschaft unterwegs, sondern auch in den Nobelvierteln von Hamburg-Blankenese bis München-Bogenhausen. Denn der neue Defender ist mehr als ein reines Nutzfahrzeug und bietet im Innenraum den Komfort, den die gut betuchte Kundschaft aus anderen Premiummodellen gewohnt ist – gibt sich dabei aber deutlich rauer.

Die Sitze sind zwar aus schwarzem Leder, die Schrauben, mit denen die Türverkleidung angebracht wurde, sind aber sichtbar. Klar gibt es eine Ablage, in der das Smartphone geladen werden kann. Dahinter prangt der Name des Modells, eingelassen in aufgerautes graues Metall. So bleibt der Defender seinen Genen treu – ist allerdings deutlich digitaler geworden.

Um den riesigen Geländewagen in Parklücken zu manövrieren, die ja eigentlich nicht sein Revier sind, ist man sehr dankbar für die 360-Grad-Kamera. Das Multimediasystem unterscheidet sich nicht von anderen Modellen des Herstellers – nimmt aber deutlich weniger Raum ein als von dort gewohnt.

Offene Schrauben, raues Metall - der Defender gibt sich im Innenraum alle Mühe, weiter als Geländewagen zu gelten.

Rauer Kern

Offene Schrauben, raues Metall - der Defender gibt sich im Innenraum alle Mühe, weiter als Geländewagen zu gelten.

Dank der wuchtigen Rückspiegel hat man alles im Blick.

Rückspiegel wie Teller

Dank der wuchtigen Rückspiegel hat man alles im Blick.

So leistet sich der Defender kaum Schwächen, bis eben auf diese eine wirklich große: den Verbrauch. Das liegt vor allem daran, dass der Strombedarf im reinen Elektromodus mit 35 Kilowattstunden absurd hoch ist.
Ein elektrischer Sportwagen wie der Porsche Taycan erreicht bei einem ebenfalls stattlichen Gewicht von 2,4 Tonnen allein durch die überlegene Aerodynamik etwa 29 Kilowattstunden. Und so schrumpft auch die Reichweite schnell. Rein elektrisch kommen wir meist rund 25 Kilometer weit – deutlich weniger als vom Hersteller ausgelobt.

An einer Wechselstrom-Ladestation dauert es mit 4,6 Kilowatt mehrere Stunden bis die 19,1-Kilowattstunden-Batterie wieder voll ist. Doch anders als viele halbelektrische Konkurrenten geht es auch schneller: An einer DC-Säule sind sogar bis zu 32 Kilowatt drin. In einer halben Stunde hat er damit genug Strom gezogen, um weiterzufahren.

Hier macht sich der Doppelantrieb bezahlt. Denn die zwei Motoren beschleunigen das riesige Auto unerwartet leicht nach vorne. In 5,6 Sekunden hat man 100 Stundenkilometer erreicht. Erst bei 191 riegelt der Wagen ab, im reinen Elektromodus bei 140 Kilometern pro Stunde. Viel schneller sollte man mit einem derart schweren Auto ohnehin nicht unterwegs sein.

Trotzdem kommen dann ernsthafte Zweifel auf, ob sich die 5000 Euro Aufpreis für den Doppelantrieb lohnen. Auch wenn Defender-Kunden natürlich nicht auf den Cent achten: In den Genuss einer Kaufprämie kommen Defender-Fahrer bei einem Listenpreis von circa 75.000 Euro nicht mehr. Weiterer Nachteil des Hybrids: Die Batterie erhöht das Gewicht um 200 Kilo – und kostet auch noch Platz.

Unter der Haube ist dank doppeltem Antrieb nur noch wenig Platz.

Doppelherz

Unter der Haube ist dank doppeltem Antrieb nur noch wenig Platz.

Dank CCS-Anschluss sind an einer DC-Säule bis zu 32 kW drin.

Schnell geladen

Dank CCS-Anschluss sind an einer DC-Säule bis zu 32 kW drin.

Der ist im Defender aber auch in der Hybridversion reichlich vorhanden. Der Kofferraum öffnet sich wie eine Schrankwand. Dahinter bieten sich fast 700 Liter Stauraum mit einer niedrigen Ladekante. Da lässt sich ein Fahrrad schnell verstauen. Wer doch den erlegten Hirsch nach Hause fahren will, kann das Ladevolumen auf bis zu 1760 Liter erweitern, das sind etwa 100 weniger als im reinen Verbrenner, aber immer noch sehr viel.

Insgesamt ist Land Rover mit der Neuauflage darum der schwierige Spagat zwischen Tradition und Aufbruch gelungen. Natürlich bleibt die Frage erlaubt, ob derart große Autos nicht längst aus der Zeit gefallen sind. Der Defender hat als Traditionsmodell mit Geländehistorie allerdings durchaus seine Berechtigung. Allein: Eine rein elektrische Version des Geländewagens fehlt nach wie vor. Konkurrenten wie Mercedes haben mit EQG zumindest einen Ausblick gegeben, wie die Elektromobilität auch in schwieriges Terrain vorstoßen könnte.

Selbst der traditionsbewusste Prinz Philip nutzte auf seiner letzten Fahrt schließlich keinen Verbrennungsmotor. Der engagierte Umweltschützer wählte einen Land Rover Defender, der dank Umbau rein elektrisch unterwegs war.

Technische Daten Land Rover Defender PHEV

Fünftüriger Geländewagen

  • Länge: 5,02 Meter
  • Breite: 2,01 Meter (Breite mit Außenspiegeln: 2,13 Meter)
  • Höhe: 1,97 Meter
  • Radstand: 3,02 Meter
  • Kofferraumvolumen: 696 bis 1759 Liter
  • Gewicht: 3300 kg
Selbst ohne umgeklappte Rückbank bietet der Defender auch als PHEV genug Stauraum.

Reichlich Stauraum

Selbst ohne umgeklappte Rückbank bietet der Defender auch als PHEV genug Stauraum.

Der geländeerprobte Defender war leider zu selten elektrisch unterwegs.

Stilecht mit Ersatzrad

Der geländeerprobte Defender war leider zu selten elektrisch unterwegs.

  • Vierzylinderbenziner: 221 kW/301 PS
    Leistung Elektromotor: 105 kW /143 PS
    Systemleistung: 297 kW/404 PS
  • Automatikgetriebe
  • Allradantrieb
  • Drehmoment: 640 Nm
  • 0–100 km: 5,6 s
  • Vmax: 191 km/h (rein elektrisch: 140 km/h)
  • Normverbrauch: 3,3 Liter/100 Kilometer (WLTP)
  • Stromverbrauch kombiniert: 23,8 kWh
  • elektrische Reichweite: 43 km (WLTP)
  • CO2-Ausstoß: 74 g/km (WLTP)
  • Emissionsklasse: A+
  • Preis: ab 75.000 Euro, Testwagenpreis: circa 99.000 Euro

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