Auch das zweite E-Modell von Daimler überzeugt nicht durch die stärkste Batterie. Den Langstreckentest besteht der EQA zwar – allerdings mit Einschränkungen.
Mercedes EQA 250
Für Berufspendler reicht die Reichweite. Die Fahrt in den Urlaub jedoch muss man gut planen.
Düsseldorf Selten habe ich mit einem Elektroauto so viele Blicke auf mich gezogen wie mit dem neuen Mercedes EQA. Kein Wunder, ist das kompakte SUV doch die rein elektrische Version des Verkaufsschlagers GLA – das Premium-SUV für jedermann könnte man fast sagen. Denn der EQA trifft mit Größe, Design und Komfort den Geschmack der Masse. Bewundernde Blicke und Komplimente auf dem Parkplatz inklusive.
Zwei Wochen lang durfte ich das neue Vorzeigemodell aus dem Hause Daimler fahren und testen, was sich unter der metallisch-grauen, universal ansprechenden Haube der Kompaktklasse versteckt. Und das ist zunächst einmal eine Serienausstattung, die sich sehen lassen kann.
Unter anderem bekommt man ab einem Preis von 47.540 Euro einen aktiven Spur- und Bremsassistenten, Klimaautomatik, LED-Scheinwerfer, eine elektrische Heckklappe, Ambientelicht mit 64 Farben, Komfortsitze, Rückfahrkamera und Navigationssystem.
Die Batterie wartet mit einer nutzbaren Kapazität von 66 Kilowattstunden und einer Nennleistung von 140 Kilowatt (190 PS) auf. Mit einem Nettolistenpreis unter 40.000 Euro kann außerdem der staatliche Förderbonus von 9000 Euro abgegriffen werden.
Die Krux an der Sache ist wie so oft allerdings die Reichweite. Hier gibt Mercedes einen NEFZ-Wert von maximal 486 Kilometern an, von denen schon vor der ersten Fahrt und bei 100 Prozent Ladung nur noch 328 Kilometer auf dem Tacho übrig bleiben. Für jeden normalen Berufspendler sollte das reichen, aber manchmal will man vielleicht doch mit dem Auto in den Urlaub fahren.
Mercedes EQA
Das zweite Elektro-Modell aus dem Hause Daimler.
Also habe ich das Experiment gewagt und während meiner zwei Wochen mit dem EQA einen Langstreckentest gemacht. Von Köln nach Berlin ging die Reise. Eine Strecke: 580 Kilometer. Fast das Doppelte der verfügbaren Reichweite laut Tacho. Eins schon mal vorweg: Ich bin heil und in einem Rutsch in der Hauptstadt angekommen. Ganz ohne Verluste ging das allerdings nicht.
Zunächst ein paar Eckdaten: Der erste Eindruck ist innen wie außen unaufgeregt, praktisch, modern. Anders als die erste Stromer-Auskopplung aus Stuttgart, der EQC, kann die A-Linie vor allem mit ihrer schlichten Eleganz punkten.
Ein großes Touch-Display, viel Stauraum in der Mittelkonsole und mit schwarzem Leder bezogene Armaturen runden das Erscheinungsbild im Innenraum ab. Platz für Fahrer und Beifahrer ist in dem SUV mit einer Gesamtbreite von 1,83 Metern reichlich.
Innenansicht
In dem Kompakt-SUV ist viel Platz, zu groß ist er dabei aber nicht.
Ähnlich wie der Hyundai Kona ist der EQA zwar deutlich größer als ein Golf, aber eben nicht ganz so wuchtig wie ein BMW X3 oder andere vergleichbare Modelle. Die zwei Tonnen Leergewicht brauchen trotzdem etwas mehr Zeit, um den Spurt von 0 auf 100 Kilometern pro Stunde zu schaffen – mit 8,9 Sekunden ist der Stromer von Mercedes gegen andere E-Autos fast schon behäbig unterwegs.
Auch die Bremse will etwas intensiver betätigt werden, um das Schwergewicht zum Stillstand zu bringen. Dem mittlerweile gut bekannten Fahrspaß mit Elektromotor-Drehmoment, in diesem Fall 375 Newtonmeter, tut das natürlich keinen Abbruch. Positiv überrascht außerdem der extrem handliche und kleine Wendekreis, den man einem SUV gar nicht zugetraut hätte.
Der EQA lässt den Fahrer selbst wählen zwischen Optionen wie „One Pedal Driving“, also der Überflüssigkeit des Bremspedals über dementsprechend starkes Abbremsen des Motors und der anschließenden Energierückgewinnung (Rekuperation), oder eben einem selbstbestimmteren dynamischeren Stil mit der Einstellung D+.
Auch die digitale Ausstattung lässt keine Wünsche offen. Das Smartphone ist schnell verbunden, das Navigationssystem rechnet automatische Ladestopps von mehr als 450.000 verzeichneten Ladepunkten in 31 Ländern mit ein und dank des Energizing-Plus-Pakets wird man von Mercedes bei längeren Fahrten auch freundlich daran erinnert, Pausen einzulegen.
Vitalisierende Musik, anregende Massage hinter dem Steuer und zur Stimmung passendes Licht sorgen aber auch während der Autofahrt für Abwechslung. Kleiner Tipp: Statt der seichten Gema-freien Rock-Pop-Musik von Mercedes kann auch ein bisschen AC/DC nicht schaden.
Bei 35 Grad geht es also von Köln nach Berlin. Klimaanlage an, Musik läuft, Navigation ist eingeschaltet, das Handy lädt, und die Batterie ist voll. Der Start läuft schon mal gut, auch mit 8,9 Sekunden zaubert der Tritt aufs Pedal automatisch ein Lächeln ins Gesicht.
Mit knapp 300 Kilometern Reichweite lotst mich der EQA allerdings nach rund 200 Kilometern schon bei Bielefeld an die nächste Schnellladesäule – gut, ich folge besser den Anweisungen, schließlich will ich möglichst effizient nach Berlin kommen.
Frontalansicht
Der Stromer ist allerdings noch auf einer Plattform für Verbrenner gebaut.
Besonders sparsam bin ich zwischenzeitlich nicht gefahren. Der Test soll schließlich realistisch bleiben. Auch wenn unbegrenzte Streckenabschnitte mit dem EQA maximal 163 Kilometer die Stunde bedeuten, denn dann ist bei dem Stromer Schluss.
Kein Wunder, schließlich zieht die Batterie bei dieser Geschwindigkeit auch deutlich über 40 Kilowatt die Stunde, und die Reichweite schmilzt nur so dahin. Mit 350 Kilowatt an der Ultraschnellladesäule und 30 Minuten lade ich in Bielefeld also wieder voll. Mercedes empfiehlt mir, die Klimaanlage auszumachen, um Strom zu sparen. Gut, dann mach ich eben das Fenster runter.
230 Kilometer vor Berlin will der EQA dann das nächste Mal tanken. Da sind noch mehr als 120 Kilometer auf dem Tacho. Nein, denke ich, das ist mir jetzt wirklich zu früh. Also ignoriere ich das Navi und suche selbst eine Schnellladesäule unterwegs. Und werde fündig.
Währenddessen versucht das Mercedes-interne Navigationsgerät allerdings immer wieder, mich zu der geplanten Ladeoption zurückzuführen, selbst wenn das heißt, dass ich mittlerweile 30 Kilometer zurück in Richtung Hannover fahren müsste. Das ist bei einer begrenzten Reichweite wirklich Unsinn.
Meine Ladeoption liegt dagegen 30 Kilometer in der richtigen Richtung – hier weiß man nicht genau, was sich Mercedes mit dieser sturen Route gedacht hat, die sich auch nach der fünften verpassten Abfahrt strikt nicht umorientieren will.
Bei meinem zweiten Ladestopp tanke ich etwas mehr, als ich brauche, damit ich in Berlin nicht gleich wieder auf Steckdosensuche gehen muss, und komme entspannt abends um kurz nach sechs in Friedrichshain an. Eine Stunde länger war meine Reisezeit mit den Zwischenstopps. Knapp 40 Euro hat mich die Fahrt insgesamt gekostet – deutlich günstiger als mit dem Verbrenner.
Und bei so einer weiten Strecke ist es natürlich auch keine schlechte Idee, kurz einen Kaffee zu holen, auf die Toilette zu gehen und sich die Beine zu vertreten. Nur etwas verschwitzt war ich bei der Ankunft. Die Klimaanlage hatte ich schließlich ausgeschaltet, um Energie zu sparen. Alles in allem hat mich der EQA aber verlässlich und vor allem dank wirklich guter Assistenzsysteme fast halbautonom souverän befördert.
Für den Ausflug von Berlin an die Ostsee nach Usedom, wo es zunehmend weniger Möglichkeiten zum schnellen Laden gibt, blieb der Stromer am Ende aber doch sicher in den Straßen von Berlin. Bei staubedingten viereinhalb Stunden Hinfahrt, vier Personen und einem Dauereinsatz der Klimaanlage bei 38 Grad vielleicht auch nicht die schlechteste Idee.
Das Cockpit
Das Entertainment-System hat ziemlich viel zu bieten.
Sicher wieder in Köln angekommen, ist der EQA allerdings eine gute Wahl für all diejenigen, die nicht regelmäßig weite Strecken fahren müssen oder wollen. An „normalen“ AC-Ladesäulen (Wechselstrom, in der Stadt) zieht sich der EQA maximal 11 kW. Eine komplett leere Antriebsbatterie wäre somit unter idealen Bedingungen mit AC in knapp sechs Stunden wieder zu 100 Prozent gefüllt. Nachts oder auf der Arbeit an die Steckdose und fertig.
Aber die mangelnde Reichweite bleibt gerade vor dem stattlichen Preis im Vergleich zur Konkurrenz ein echtes Manko. Der Testwagen EQA 250 kommt mit Panoramadach, verdunkelten Heckscheiben, Sitzheizung und Head-up-Display immerhin auf einen Gesamtpreis von über 55.000 Euro. Und dafür sollte doch mehr Reichweite drin sein. Das liegt natürlich auch daran, dass der EQA noch auf einer Plattform produziert wird, die eigentlich auf Verbrennermodelle ausgelegt ist.
Das ändert sich erst mit dem nächsten Wurf aus Stuttgart: dem EQS. Nachdem die Schwaben für ihren Erstling Mercedes EQC und den darauffolgenden EQA heftige Kritik haben einstecken müssen, wird der EQS nun zum ersten Mal auf einer dezidierten Plattform mit der typischen Skateboard-Architektur gebaut. Für den EQS bedeutet das eine Batteriekapazität von 107,8 Kilowattstunden netto. Das entspräche einer theoretisch möglichen Reichweite von bis zu 770 Kilometern.
Technische Daten EQA 250
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