Clean Logistics will mit Wasserstoff-Lkw das Klima schützen. Die Produktion soll im kommenden Jahr starten. Doch die Konkurrenzsituation im Markt ist hart.
Clean Logistics
Dirk Graszt (links) und Dirk Lehmann sind die Gründer von Clean Logistics. Sie wollen den Güterverkehr auf der Straße emissionsfrei machen.
Bild: Clean Logistics/Paul Schimweg
Düsseldorf Die Logistik, weiß Dirk Graszt, kann ganz schön träge sein. In seinen Jahrzehnten in der Branche hat der erfahrene Manager fast alle Bereiche kennengelernt. Er war Vertriebsdirektor, Flottenmanager und schließlich CEO eines großen Transportdienstleisters – und irgendwann nur noch genervt davon, dass es den meisten Logistikunternehmen so schwerfällt, sich vom Diesel zu trennen.
„Das hat mich arg frustriert“, erinnert sich Graszt heute. Eigentlich müsste für die Branche die Energiewende auf der Straße oberste Priorität haben: Stattdessen sind die CO2-Emissionen des Straßengüterverkehrs von 1995 bis 2020 nach Angaben des Umweltbundesamtes um 17 Prozent auf 45,9 Millionen Tonnen gestiegen. Graszt will es besser machen – und den Diesel überflüssig machen.
Mit seinem Unternehmen Clean Logistics entwickelt er einen Wasserstoff-Lkw, der schon im kommenden Jahr marktreif sein soll: Die Sattelzugmaschine, die das Unternehmen auf den Namen „Fyuriant“ getauft hat, fährt mit Brennstoffzelle und H2-Tanks, die rund 40 Kilogramm Wasserstoff speichern können. So kommt das Modell auf eine Reichweite von 500 Kilometern – ohne Emissionen.
Mit Dirk Lehmann holte sich Graszt bei der Gründung des Unternehmens im Jahr 2018 echte Wasserstoffexpertise an Bord: Als Chef von Becker Marine Systems hatte Lehmann schon 2001 wasserstoffbasierte Energiesparsysteme für Riesentanker entwickelt. Damit hat der Unternehmer, der sich selbst „Energiepionier“ nennt, mehr als zwölf Millionen Tonnen CO2 eingespart. Auf dem „Deutschen Umweltpreis“, der ihm am 30. Oktober durch den Bundespräsidenten verliehen wird, will Lehmann sich nicht ausruhen. Gemeinsam mit Graszt will er den Wasserstoff nun auf die Straße bringen.
Graszt kennt die Branche, Lehmann die Technologien: 5000 wasserstoffbetriebene Lkw wollen beide bis 2027 ausliefern. Ein entsprechender Rahmenvertrag mit dem Energie-Dienstleister GP Joule wurde bereits im August unterzeichnet. Außerdem haben Kunden für das kommende Jahr bereits rund 130 Förderanträge eingereicht, erklären die Gründer.
Der Bund subventioniert die Anschaffung von H2-Lkw und hat Clean Logistics in der Entwicklungsphase mit 3,3 Millionen Euro unterstützt. Beim Rennen um den Lkw-Antrieb der Zukunft ist der Wasserstoff die beste Alternative, sind die Gründer überzeugt.
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H2-Antriebe gelten als emissionsfrei, weil eine Brennstoffzelle genau zwei Nebenprodukte hat: Strom und Wasserdampf. Soll der Wasserstoff „grün“ sein, werden Solar- und Windenergie für dessen Herstellung benutzt. „Wasserstoff ist in seiner reinsten Form der sauberste Kraftstoff, den sich die Menschheit wünschen kann“, sagt Lehmann.
Der Markt scheint lukrativ, ist aber umkämpft: Nicht nur Branchenriesen wie Daimler Truck und Volvo, auch finanzstarke Start-ups wie Nikola verfolgen ebenfalls die Idee, Wasserstoff-Lkw marktreif zu machen.
Bislang sind die 180 Mitarbeiter des Unternehmens weniger Fahrzeugbauer, sondern vielmehr Fahrzeugumbauer: Aktuell rüstet Clean Logistics bestehende Diesel-Lkw auf H2-Antrieb um. Sie weiden alle Bestandteile des Verbrennerantriebs aus und machen die 40-Tonner wasserstofftauglich.
Der Vertrag mit GP Joule ist für das Unternehmen der Einstieg in die Produktion eigener Lkw. Zuletzt hat Clean Logistics für die Umsetzung dieses ambitionierten Plans den niederländischen Fahrzeugbauer GINAF übernommen. Allein in den kommenden drei Jahren will das Unternehmen bis zu 500 weitere Mitarbeiter einstellen. Die Produktionskapazitäten werden stetig erweitert.
Andere in der Branche glauben nicht an den schnellen Durchbruch des Wasserstoffantriebs. Auf der IAA Transportation in Hannover kritisierte zuletzt MAN-Chef Alexander Vlaskamp gegenüber dem Handelsblatt die Energiebilanz der H2-Trucks: „Für den elektrisch betriebenen Lkw braucht man – bildlich gesprochen – die Leistung eines Windrades. Für einen Lkw mit Brennstoffzelle braucht man drei Windräder.“
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Die Zukunft der Wasserstoffbranche sei unsicher, meint auch Nikolaos Soulopoulos, Chefanalyst der Transport-Sparte beim Strategie-Dienstleister BloombergNEF. Die drei entscheidenden Fragen seien: „Zu welchen Kosten werden wir H2-Trucks in Zukunft bauen können? Zu welchem Preis werden wir Wasserstoff produzieren und liefern können? Und wie groß wird die Nachfrage nach den Lkw zukünftig überhaupt sein?“
„Für den elektrisch betriebenen Lkw braucht man – bildlich gesprochen – die Leistung eines Windrades. Für einen Lkw mit Brennstoffzelle braucht man drei Windräder.“ MAN-Chef Alexander Vlaskamp
Für die Kunden der Lkw-Bauer sind die Gesamtkosten eines Antriebs von entscheidender Bedeutung. Sie kalkulieren nicht mit Kaufpreisen, sondern mit den sogenannten Total Costs of Ownership – darin sind Anschaffung und sämtliche Betriebskosten enthalten. Ohne staatliche Förderung wären Wasserstoff-Lkw hier nicht konkurrenzfähig: Bei der Anschaffung der H2-betriebenen Sattelzugmaschine fördert der Bund darum bis zu 80 Prozent der Mehrausgaben. Ein H2-Lkw kostet so nur noch etwa 80.000 Euro mehr als das Dieselpendant.
Um die H2-Lkw zu einem marktfähigen Preis produzieren zu können, müssen selbst große Hersteller zusammenarbeiten, betont Soulopoulos. Das zeigt auch die Kooperation zwischen den „zwei großen Konkurrenten“ Daimler Truck und Volvo, die gemeinsam an einem Lkw-Modell mit Brennstoffzelle arbeiten. Ihr gewünschter Starttermin für die Produktion: 2025.
Clean Logistics will dagegen bereits im kommenden Jahr mit der Produktion beginnen. „Das Ziel muss sein, die Preise im Vergleich zu den heutigen Preisen innerhalb der nächsten zwei bis drei Jahre deutlich zu senken“, sagt Graszt. Das könne nur über einen Ausbau der Produktion und entsprechend höhere Stückzahlen funktionieren. „Wir müssen irgendwann ohne die Subventionen auskommen.“
Er setzt darauf, dass der Druck auf die Branche wächst, sich vom Diesel zu lösen. „Wenn ein Spediteur nicht in der Lage ist, Lieferungen nachhaltig zu gestalten, dann wird er es in Zukunft schwer haben“, meint Graszt. Er müsse darum „nicht aktiv auf Kundenakquise gehen“, erklärte er zuletzt in einem Interview. Die hohe Nachfrage und das geringe Angebot alternativer Lkw-Antriebe führe „zwangsläufig zu höheren Preisen“.
Analyst Nikolaos Soulopoulos von BloombergNEF sieht das anders. Das grundsätzliche Interesse an Brennstoffzellen-Trucks sei riesig. „Die Nachfrage in Europa und den USA ist allerdings sehr gering.“ Es gebe eine Art Sehnsucht danach, Flotten bis 2030 oder 2040 zu dekarbonisieren, „aber zurzeit kauft fast niemand Wasserstoff-Lkw.“ Die Branche sei nach wie vor unsicher, welche Technologie sich durchsetzen wird.
Der Analyst selbst räumt dem Batterieantrieb höhere Chancen ein, zumindest auf kürzeren Strecken. Allein für große Distanzen könnte sich der H2-Antrieb besser eignen, weil die Technik deutlich leichter sei. Doch auch hier wächst die batterieelektrische Konkurrenz: „Daimler entwickelt Batterie-Lkw für Strecken bis zu 500 Kilometer. Das reicht aus, um fast 60 Prozent des Bedarfs in Europa abzudecken“, sagt Soulopoulos.
„Die Preise für Wasserstoff und Brennstoffzellen werden mit den Jahren sinken“, prognostiziert der Analyst, „jedoch wird sich auch die Batterietechnologie weiterentwickeln – und die könnte wenig Raum für Alternativen lassen.“
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