Handelsblatt App
Jetzt 4 Wochen für 1 € Alle Inhalte in einer App
Anzeigen Öffnen
MenüZurück
Wird geladen.

19.09.2022

07:18

Nutzfahrzeugmesse IAA

VW-Tochter MAN will 2024 in das Geschäft mit elektrischen Lkw einsteigen

Von: Markus Fasse

Alexander Vlaskamp, Vorstandschef der angeschlagenen Volkswagen-Tochter, kündigt eine Elektrooffensive an. Für den Erfolg fehlt aber eine Voraussetzung.

MAN-Vorstandschef Alexander Vlaskamp präsentiert in der neuen Woche auf der IAA in Hannover einen Elektro-Lkw für die Langstrecke. IMAGO/Sammy Minkoff

MAN-Chef Vlaskamp setzt auf den Elektro-LKW

MAN-Vorstandschef Alexander Vlaskamp präsentiert in der neuen Woche auf der IAA in Hannover einen Elektro-Lkw für die Langstrecke.

München Der Lastwagen-Hersteller MAN richtet seine Zukunft am Elektrotruck aus. „Ab 2024 sind wir bereit, in größere Stückzahlen zu gehen. Wir gehen davon aus, dass 2030 die Hälfte unserer verkauften Lkw mit Strom fahren wird“, sagte MAN-Chef Alexander Vlaskamp dem Handelsblatt.

Auf der am Montag in Hannover startenden Branchenmesse IAA stellt MAN seinen batteriegetriebenen Elektrotruck vor, der mit einer Reichweite von 600 bis 800 Kilometer auf den Markt kommen soll. Zudem setzt MAN auf das Schnellladen. „Unser Truck soll in 45 Minuten zu 80 Prozent geladen sein. Das entspricht den vorgeschriebenen Ruhezeiten der Fahrer“, sagt Vlaskamp.

Während die in der Sanierung steckende MAN beim Abschied vom Dieselmotor voll auf die Batterie setzt, plant die Konkurrenz auch mit Wasserstoff in Kombination mit der Brennstoffzelle. So haben Daimler und Volvo Trucks im vergangenen Jahr ein Joint Venture für die Brennstoffzellen-Produktion gegründet mit dem Ziel, 2025 die Serienproduktion für Lkw aufzunehmen. Mit Blick auf den Hochlauf der Elektrofahrzeuge „werden wir über jeden Truck froh sein, der Wasserstoff tankt“, sagte Daimler-Truck-Chef Martin Daum dem Handelsblatt.

MAN-Chef Vlaskamp sieht die Energiebilanz von grün erzeugtem Wasserstoff kritisch, der dann in der Brennstoffzelle in Strom für den Fahrzeugantrieb gewandelt wird. „Für einen elektrisch betriebenen Lkw braucht man – bildlich gesprochen – die Leistung eines Windrades. Für einen Lkw mit Brennstoffzelle braucht man drei Windräder.“ Die Brennstoffzelle werde deshalb auf lange Zeit eine Nischentechnik im Lastwagen bleiben.

Ein Lkw-Schnellladenetz mit 1000 Kilowatt entlang der Autobahnen gefordert

Mehr als ein Jahrhundert war der Diesel im Schwerlastverkehr gesetzt. Ob die schweren Laster künftig mit Batterie oder Brennstoffzelle fahren, hängt auch von der Infrastruktur ab. MAN-Chef Vlaskamp drängt auf den Ausbau eines Ladenetzes nur für Lkw. „Wir brauchen vor allem entlang der Autobahnen ein Schnellladenetz mit Ladestationen, die 1000 Kilowatt pro Stunde schaffen. Dafür muss aber bald mit dem Aufbau der Starkstromtrassen begonnen werden.“

Vorerst soll mit Unterstützung des Verkehrsministeriums erst einmal die A2 zwischen Berlin und dem Ruhrgebiet mit einem Hochleistungs-Ladenetz (Hola) ausgestattet werden. Zusätzlich hat die MAN-Dachgesellschaft Traton gemeinsam mit Daimler und Volvo angekündigt, europaweit 1700 Stationen in Eigenregie aufzubauen. Die Aufgabe dürfte aber noch viel größer sein: Wollte man die gesamte Lkw-Flotte in Europa auf Elektroantrieb umstellen, wären rund 42.000 Ladestationen nötig, schätzt der Branchenverband VDA.

Sicher ist: Die gesamte Lkw-Industrie ist in der Pflicht, sich langfristig vom Diesel zu verabschieden. Zwar hat die EU kein Verbot von Verbrennungsmotoren wie für Pkw verhängt, aber die Hersteller müssen bis 2025 den durchschnittlichen CO2-Ausstoß um 15 Prozent reduzieren, für 2030 sind 30 Prozent im Gespräch. Ohne Batterie oder Brennstoffzelle geht das nicht. Hinzu kommt der europäische Emissionshandel für den Transportsektor, der ab Mitte des Jahrzehnts greifen soll und die Kosten für den Betrieb von Diesel-Lkw deutlich erhöhen dürfte.

Elektro-Lkw, in der Anschaffung heute noch dreimal so teuer wie ein Diesel-Truck, bekommen dann einen Schub, glaubt Vlaskamp. „Abhängig von den Rahmenbedingungen gehen wir davon aus, dass sich ein Elektro-Lastwagen in den Gesamtbetriebskosten ab Mitte des Jahrzehnts gegenüber einem Diesel-Lkw rechnet.“

MAN war komplett von Lieferungen aus der Ukraine abhängig

Für MAN ist die Antriebswende eine zusätzliche Herausforderung. In den vergangenen Jahren schrieb die Volkswagen-Tochter trotz guter Auftragslage immer wieder Verluste. Fehlten im vergangenen Jahr vor allem Halbleiter, so waren es im ersten Halbjahr 2022 Kabelbäume. MAN bezog bei Ausbruch des Ukrainekriegs sämtliche Kabelbäume aus der Ukraine und konnte wegen der fehlenden Lieferungen nicht produzieren. Nun laufen die Bänder wieder, und die Nachfrage bleibt hoch.

„Die Fahrzeuge unserer Kunden sind gut ausgelastet, wir haben einen hohen Auftragsbestand. Wir sehen in unserer Branche aktuell keine Rezession“, sagte Vlaskamp. Die steigenden Energiekosten und der Fahrermangel seien vielmehr ein Anreiz für die Lkw-Betreiber, die Fahrzeuge zu wechseln. „Die Lastwagen in Europa sind im Durchschnitt 13 Jahre alt. Die Masse der Fahrzeuge ist nicht mehr effizient, deshalb werden unsere Kunden investieren.“

Vlaskamp muss nun zudem die Sanierung von MAN fortsetzen. Der gebürtige Niederländer kam im November 2021 nach München und löste den VW-Manager Andreas Tostmann ab, der nach einem Jahr und einer Flugaffäre seinen Stuhl räumen musste. Der ehemalige Scania-Manager braucht für seinen Elektrokurs ein vollständig saniertes Unternehmen.

Dazu gehört der Abbau von über 3000 Stellen in Deutschland und der Verkauf des Werks Steyr mit mehr als 2200 Stellen in Österreich, der im kommenden Jahr abgeschlossen sein soll. Schwere Lastwagen sollen dann nur noch im Stammwerk München und im polnischen Krakau gebaut werden. Das Motorenwerk in Nürnberg fertigt außer Dieselantrieben jetzt auch Batterien.

Schub soll auch die Kooperation mit den Konzernschwestern Scania und dem US-Hersteller Navistar bringen, den Traton im vergangenen Jahr vollständig erworben hatte. Zur Traton-Gruppe gehören zudem eine Lkw-Tochter in Brasilien und eine Beteiligung am chinesischen Truck-Produzenten Sinotruk. „Wir sind noch mitten in der Restrukturierung. Im kommenden Jahr werden wir die wichtigsten Schritte abgeschlossen haben. Wir verfolgen weiter das strategische Ziel, eine Umsatzrendite von acht Prozent zu erwirtschaften“, sagte Vlaskamp.

Direkt vom Startbildschirm zu Handelsblatt.com

Auf tippen, dann auf „Zum Home-Bildschirm“ hinzufügen.

Auf tippen, dann „Zum Startbildschirm“ hinzufügen.

×