Die Alterung der Gesellschaft droht den Bundeshaushalt zu überfordern. Ein Ausweg könnte die Kopplung des Rentenalters an die Lebenserwartung sein.
Rentner
Die Ampelkoalition hat eine weitere Anhebung des Rentenalters, das bis Anfang der 2030er-Jahre auf 67 Jahre steigt, ausgeschlossen.
Bild: dpa
Berlin Um den finanziellen Druck auf die gesetzliche Rentenversicherung abzumildern, werden Arbeitnehmer in Zukunft länger arbeiten müssen. Dies zeigen Simulationsrechnungen, die die Bundesbank in ihrem aktuellen Monatsbericht veröffentlicht hat. Demnach ist langfristig eine Anhebung des Renteneintrittsalters auf 69 Jahre sinnvoll.
Dadurch würde der Anstieg der Beiträge zur Rentenversicherung und des Steuerzuschusses aus dem Bundeshaushalt zumindest gedämpft. Eine andere Möglichkeit wäre die Entkopplung der Altersbezüge von der Lohnentwicklung, also ein Absenken des Rentenniveaus.
Das Thema ist politisch heikel, die Ampelkoalition hat eine weitere Anhebung des Rentenalters, das bis Anfang der 2030er-Jahre auf 67 Jahre steigt, ausgeschlossen. Ökonomen und Rentenexperten empfehlen dagegen eine Koppelung an die steigende Lebenserwartung.
Der Wissenschaftliche Beirat beim Bundeswirtschaftsministerium musste sich dafür im April vergangenen Jahres noch harsche Kritik des damaligen SPD-Kanzlerkandidaten und heutigen Bundeskanzlers Olaf Scholz anhören.
Die Bundesbank lässt sich davon nicht beirren. Es sei „insgesamt gut nachvollziehbar, dass etliche nationale und internationale Beratungsgremien Deutschland eine solche Ausgestaltung empfehlen“, schreibt sie im Monatsbericht. Denn Rentenkasse und Bundeshaushalt würden überstrapaziert, sollte die Politik das Rentenalter bei weiter steigender Lebenserwartung dauerhaft bei 67 Jahren fixieren.
Bis 2025 gilt noch die „doppelte Haltelinie“, das Rentenniveau darf 48 Prozent nicht unterschreiten, der Beitragssatz nicht über 20 Prozent steigen. Nach geltendem Recht würde danach im Basisszenario der Bundesbank das Versorgungsniveau bis Ende der 2030er-Jahre auf 43 Prozent und bis 2070 auf rund 40,45 Prozent sinken. Gleichzeitig steigt der Beitragssatz zunächst auf 23 Prozent und bis 2070 auf 25 Prozent. Auch die Bundesmittel für die Rentenkasse steigen kräftig – in Relation zur Wertschöpfung um rund 1,5 Prozentpunkte.
Nun haben SPD, Grüne und FDP aber vereinbart, das Rentenniveau dauerhaft bei 48 Prozent zu stabilisieren. In diesem Szenario stiege der Beitragssatz bis 2070 sogar auf 29 Prozent. Auf den Bundeshaushalt kämen erhebliche Mehrbelastungen zu. Um den Kostenanstieg finanzieren zu können, wäre dann 2070 das gesamte Aufkommen aus einem um sechs Prozentpunkte erhöhten Mehrwertsteuerregelsatz erforderlich.
Deutlich entspannter stellt sich die Situation dar, wenn das Rentenalter nicht eingefroren wird, sondern mit der Lebenserwartung steigt – und zwar so, dass das Verhältnis aus Beitragsjahren und Rentenbezugsjahren auf dem Anfang der 2030er-Jahre erreichten Stand fixiert wird. In diesem Fall würde das Renteneintrittsalter nach der Simulation der Bundesbank bis 2070 auf 69 Jahre steigen.
Sollte das Rentenniveau bei 48 Prozent stabilisiert werden, stiege der Rentenbeitragssatz in diesem Szenario bis 2070 auf 27 Prozent. Er läge also zwei Prozentpunkte niedriger als ohne Anpassung des Rentenalters. Auch die nötigen Bundesmittel steigen deutlich weniger stark.
In einer weiteren Simulationsrechnung untersucht die Bundesbank auch noch den Fall, dass die Renten nicht mehr im Gleichschritt mit den Löhnen wachsen, sondern nur noch die Steigerung der Verbraucherpreise berücksichtigt wird. So wird das beispielsweise in Österreich gehandhabt.
Bei einer solchen Inflationsindexierung koppeln sich die Renten in der Bezugsphase von der Lohnentwicklung ab, was sich in einem sinkenden Versorgungsniveau zeigt. Die Rentner nehmen also nicht mehr im gleichen Maße an der Wohlstandsentwicklung teil wie die Arbeitnehmer, müssen aber auch keine Kürzungen ihrer Altersbezüge befürchten.
Die Bundesbank unterstellt dabei eine jährliche Steigerung der Verbraucherpreise um zwei Prozent und einen Bruttolohnanstieg um drei Prozent. Wählt man für das Jahr 2026, wenn die „doppelte Haltelinie“ ausgelaufen ist, als Start ein Rentenniveau von 48 Prozent, würde das bei einer Inflationsindexierung bis 2070 auf gut 40 Prozent sinken.
Das Rentenniveau ist eine statistische Rechengröße, die die Altersbezüge eines Rentners, der 45 Jahre lang zum Durchschnittslohn gearbeitet hat und zum gesetzlichen Rentenalter in den Ruhestand geht, ins Verhältnis zum aktuellen Durchschnittslohn setzt. Im Durchschnitt läge das Versorgungsniveau in dieser Simulation während einer durchschnittlichen Rentenbezugsdauer bei 44 Prozent.
Der Rentenbeitrag stiege in diesem Szenario bis 2070 auf rund 26,5 Prozent – gut 2,5 Prozentpunkte weniger als bei einer Fixierung des Versorgungsniveaus auf 48 Prozent. Die erforderlichen Bundesmittel würden immer noch deutlich steigen – um knapp zwei Prozentpunkte der Wertschöpfung.
Eine konkrete Handlungsempfehlung für die Bundesregierung will die Bundesbank nicht geben. Letztlich müsse die Politik entscheiden, wie sie die Lasten der Demografie auf Beitragssatz, Bundesmittel und Renten verteilen wolle, heißt es im Monatsbericht. „Sie sollte aber transparent durch langfristige Vorausberechnungen erläutern, welche Auswirkungen die beabsichtigte Reform aus heutiger Sicht unter plausiblen Annahmen haben wird.“
Erstpublikation: 20.06.22, 13:28 Uhr.
Auf tippen, dann auf „Zum Home-Bildschirm“ hinzufügen.
Auf tippen, dann „Zum Startbildschirm“ hinzufügen.
×
Kommentare (6)