Handelsblatt App
Jetzt 4 Wochen für 1 € Alle Inhalte in einer App
Anzeigen Öffnen
MenüZurück
Wird geladen.

EU-Referendum

Seite 2 von 3

Die Argumente für einen Brexit

Großbritannien zahlt der EU 350 Millionen Pfund pro Woche

„Die Europäische Union kostet uns 350 Millionen Pfund die Woche. Damit ließe sich jede Woche ein Krankenhaus bauen, ein ganzes Jahr lang.“ So lautet eine der prominentesten Behauptungen des Brexit-Lagers. Sie findet sich etwa auf den Broschüren der „Vote Leave“-Kampagne und ziert den „Brexit Battle Bus“.

Mit seinem roten Kampfmobil tourt Boris Johnson, prominentester Fürsprecher der EU-Gegner, derzeit über die Insel. Doch die Zahl führt in die Irre. Sie ignoriert den Britenrabatt”, eine Ermäßigung zum EU-Budget, den nur das Vereinigten Königreich genießt, wie die Organisation „Full Fact“ feststellt. Die Ermäßigung hatte Margaret Thatcher 1984 ausgehandelt, sie gilt bis heute.

Wie viel Geld die Briten tatsächlich pro Woche nach Brüssel überweisen, schwankt. 2015 dürften es nach Schätzungen des EU-Finanzberichts 248 Millionen Pfund gewesen sein, umgerechnet rund 320 Millionen Euro. Außerdem verschweigt das Brexit-Lager bei der Rechnung die EU-Gelder, die zurück auf die Insel fließen, etwa in Form von Landwirtschaftssubventionen oder Zuschüssen für ärmere Regionen wie Cornwall oder Wales.
Gemessen am Bruttonationaleinkommen (BNE) zahlt das Vereinigte Königreich, immerhin die viertgrößte Volkswirtschaft Europas, mit 0,65 Prozent sogar den niedrigsten Beitrag aller Mitgliedsstaaten. Die meisten anderen Länder steuern ein Prozent ihres BNE bei.

Hohe Kosten wegen EU-Regulierung

33 Milliarden Pfund, umgerechnet 42,5 Milliarden Euro – so viel sollen EU-Regularien die britische Wirtschaft jedes Jahr kosten. Das behaupten zumindest die Brexit-Befürworter der „Vote Leave“-Kampagne, darunter Boris Johnson. Sie stützen sich dabei auf ein Papier der Londoner Denkfabrik “Open Europe”. Dieses, so kritisiert der Bericht des Finanzausschusses, konzentriert sich nur auf die Kosten, die etwa durch Bürokratie anfallen.

Ein Beispiel sind Berichtspflichten bei Asbestvorkommen. Vorteile, wie mehr Sicherheit am Arbeitsplatz, höhere Produktstandards oder Klimaschutz würden nicht beachtet. Full Fact und andere Institutionen bemängeln zudem die Methodik. Open Europe stütze sich auf Schätzungen über Auswirkungen von Gesetzen, bevor diese überhaupt in Kraft getreten seien.

Außerdem, so argumentiert Full Fact, müsste sich Großbritannien auch im Falle eines Austritts an bestimmte EU-Regeln halten, etwa an das Basel-III-Abkommen zur Regulierung von Banken. Auch eine britische Regierung, die nicht mehr Teil der EU sei, müsse zu dem Schluss gelangen, „dass viele der EU-Regeln die Nachteile mehr als aufwiegen“, konstatiert der Finanzausschuss.

Luftballons

Boris Johnson, Londons ehemaliger Bürgermeister und einer der prominentesten Brexit-Befürworter, hat bei seinem Auftritt vor dem britischen Finanzausschuss und bei Wahlkampfauftritten behauptet: Die EU verbiete Kindern unter acht Jahren Luftballons aufzublasen.

Das stimmt so nicht, hat Tyrie sofort korrigiert. Was stimmt, ist: Nach EU-Vorgaben müssen die Hersteller von Luftballon auf die Verpackung einen Warnhinweis drucken, dass Kinder unter acht Jahren beim Aufblasen von Luftballons ersticken können und und deshalb beim Auflasen ein Erwachsener dabei sollte.

Teebeutel

Boris Johnson, London ehemaliger Bürgermeister und einer der prominentesten Brexit-Befürworter, behauptet bei Wahlkampfauftritten gern: Die EU verbiete das Recycling von Teebeuteln.

Auch da hat Andrew Tyrie den ehemaligen Bürgermeister korrigieren müssen. Was stimmt, ist: Die Stadtverwaltung von Cardiff hat ihren Bürgern verboten, Teebeutel in den Recycling-Müll zu werfen. Hintergrund dafür ist eine Vorgabe der EU, dass Dinge, die mit Milch in Berührung kamen, nicht in die grüne Tonne gehörten, um eine Verbreitung der Maul- und Klauenseuche zu verhindern. Es ist Experten zufolge aber Sache der einzelnen Stadtverwaltung, zu entscheiden, ob Teebeutel in den Kompost-Müll dürfen oder nicht.

Weniger Einwanderung nach einem Brexit

Nigel Farage, der Parteichef der europakritischen UK Independence Party (UKIP) ist sich sicher: Nur über einen Brexit lässt sich Einwanderung reduzieren. Was stimmt: In der EU gilt das Prinzip der Freizügigkeit – alle Bewohner können sich mit einigen Ausnahmen aussuchen, in welchem EU-Land sie leben und arbeiten wollen.

Allerdings kommt über die Hälfte der Einwanderer in Großbritannien nicht aus der EU, den Zuzug kann das Land ohnehin eigenständig begrenzen. Wollte sich Großbritannien nach einem Brexit auch EU-Bürgern verschließen, würde das seinen Zugang zum europäischen Binnenmarkt beeinträchtigen. Auch für Staaten wie Norwegen und die Schweiz, die keine EU-Mitglieder sind, aber eng mit der EU verflochten sind, gilt: Eine vollständige Einbindung in den Binnenmarkt gibt es nur für den Preis der Freizügigkeit.

Direkt vom Startbildschirm zu Handelsblatt.com

Auf tippen, dann auf „Zum Home-Bildschirm“ hinzufügen.

Auf tippen, dann „Zum Startbildschirm“ hinzufügen.

×