Der Kampf um Wählerstimmen findet längst in sozialen Netzwerken statt. Doch lauern dort auch Gefahren. Experten warnen: Das Risiko für Parteien und Politiker, im Wahlkampf Opfer von Falschnachrichten zu werden, wächst.
Fake News im Netz
Falsche oder gefälschte Inhalte melden und gegebenenfalls rechtlich dagegen vorgehen, ist eine mögliche Strategie gegen Fake News.
Bild: dpa
Berlin Für die aus der CDU ausgetretene Bundestagsabgeordnete Erika Steinbach bestand offenbar kein Zweifel an der Echtheit des Dokuments, das sie kürzlich über Twitter verbreitete – zunächst jedenfalls. Sollte das zutreffen, schrieb die heute der AfD nahestehende Politikerin, käme das einem „Verbrechen am Rechtsstaat“ gleich. Und: „Mündlich habe ich desgleichen unter der Hand von hessischen Polizisten gehört.“
Steinbach nahm Bezug auf ein Schreiben, das angeblich vom nordrhein-westfälische Innenministers Herbert Reul (CDU) stammen sollte. In dem Dokument weist Reul den „Polizeipräsidenten für Köln und Leverkusen“ mit offiziellem Ministerbriefkopf an, Straftaten von Flüchtlingen und Menschen mit Migrationshintergrund zu vertuschen. Angehängt war zudem eine „Vorschrift zur Verhaltensweise der Polizeibeamten des Landes Nordrhein-Westfalen in Sachen Ausländerkriminalität“. Auf Twitter und Facebook verbreitete sich all das in Windeseile, versehen mit entsprechend abfälligen Kommentaren. Später stellte sich heraus: Die Dokumente waren frei erfunden. Auch Steinbach ruderte zurück.
Reul sprach von einer „perfiden Fälschung“, die erneut vor Augen führe, wie dreist geistige Brandstifter Stimmung gegen Ausländer machten. „Der Zeitpunkt der Veröffentlichung knapp sechs Wochen vor der Bundestagswahl ist dabei vermutlich kein Zufall“, sagte der Innenminister. Er könne daher die Bürger nur bitten, „auf derartige Propaganda nicht hereinzufallen und bei angeblichen Nachrichten in Sozialen Netzwerken kritisch zu sein“.
Reuls Appell kommt nicht von ungefähr. Denn das versucht werden könnte, die Bundestagswahl am 24. September mit falschen Nachrichten zu beeinflussen, ist ein realistisches Szenario. Spätestens seit dem Sieg von Donald Trump und dem „schmutzigen US-Wahlkampf“ (so SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann) schwant deutschen Politikern schon, dass sie sich mit völlig neuen Phänomen der Meinungsmache beschäftigen müssen. Und das Fälschungs-Beispiel aus NRW zeigt, dass auch die deutsche Politik vor derartigen Aktionen nicht gefeit ist. Unklar ist allerdings, welche Wirkungen solche Versuche der Einflussnahme entfalten können.
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„Die Verbreitung von Fake News nimmt definitiv im Zuge der Bundestagswahl zu“, sagt zwar Simon Hegelich von der TU München dem Handelsblatt. „Die Frage ist aber, ob aus dieser Quantität auch auf eine Qualität geschlossen werden kann: Nur weil viele Falschnachrichten verbreitet werden, heißt das noch nicht, dass die Leute das auch glauben.“ Dennoch sollte die Öffentlichkeit und auch die Politik aus Hegelichs Sicht dafür sensibilisiert sein. Die Expertise des Professors für „Political Data Science“ ist gefragt. Im CDU-Bundesvorstand stellte Hegelich schon die Möglichkeiten der politischen Manipulationen in der digitalen Welt vor.
Hegelich wies Ende 2016 auf die große Gefahr von falschen Informationen hin, die abseits klassischer Medien in sozialen Netzwerken kursieren und eine millionenfache Verbreitung in einer Art Gegenöffentlichkeit finden. Weil das Facebook-Programm Nutzern vor allem Beiträge präsentiert, die sich mit der eigenen Meinung decken, sprechen Experten von „Echoräumen“, in denen es keine abweichenden Positionen mehr gibt. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) warnte schon offen vor diesen „Meinungsverstärkern“.
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