Das Unternehmen Valneva hofft auf eine baldige Zulassung in Deutschland. Doch diese steht vor Schwierigkeiten. Wir erklären, wie der Valneva-Impfstoff wirkt und für was er nicht geeignet ist.
Mitarbeiter im Labor
Die gegenwärtigen Corona-Impfstoffe lösen im Körper vor allem eine sogenannte humorale Immunantwort aus, also die Bildung von Antikörpern durch die B-Zellen.
Bild: Bloomberg
Berlin Das französische Pharmaunternehmen Valneva stößt bei der Entwicklung des gleichnamigen Impfstoffs auf Probleme. Die Europäische Arzneimittelagentur (Ema) habe weitere Informationen über den Impfstoff angefordert, teilte das Unternehmen am Montag mit. Bislang hoffte der Konzern, noch im April die Genehmigung für seinen sogenannten Totimpfstoff zu erhalten.
„Wir sind enttäuscht, dass die Ema unsere Einreichungen bisher nicht als ausreichend angesehen hat“, sagte Valneva-Chef Thomas Lingelbach. „Wir bleiben voll und ganz der Zusammenarbeit mit den Aufsichtsbehörden im Hinblick auf eine Produktzulassung verpflichtet.“
Das Unternehmen ordnet das Mittel in die Gruppe der Totimpfstoffe ein. Obwohl der Valneva-Impfstoff für manche eine Alternative zu den bisherigen mRNA-Vakzinen darstellen könnte, erwarten Experten nicht allzu viel.
Anfang April hatte bereits Großbritannien den Covid-19-Impfstoff von Valneva zugelassen. Es war damit das erste europäische Land, das grünes Licht für den Totimpfstoff gegeben hat. Bei der europäischen Arzneimittelagentur Ema dagegen befindet sich das Valneva-Produkt weiterhin im rollierenden Zulassungsverfahren, ebenso wie der proteinbasierte Impfstoff von Sanofi und GSK sowie die Impfstoffe der chinesischen Sinovac und des russischen Gamaleya-Instituts.
Bisher sind in Deutschland Corona-Impfstoffe von fünf Unternehmen zugelassen: Biontech, Moderna, Astra-Zeneca, Johnson & Johnson und zuletzt der Protein-Impfstoff Novavax. Trotz der umfangreichen Palette an Anbietern bereitet sich der Valneva-Impfstoff auf eine europäische Zulassung vor. Hier sind die wichtigsten Antworten zu dem neuen Mittel:
Laut der Pressemitteilung des Unternehmens besteht der Valneva-Impfstoff „aus inaktivierten ganzen Viruspartikeln von Sars-CoV-2, die in Kombination mit den beiden Adjuvanzien Alaun und CpG 1018 formuliert sind“.
Einfach ausgedrückt sind in dem Mittel inaktivierte Viren enthalten, die den Körper nicht krank machen können. Um eine Immunantwort auszulösen, werden dem Medikament Wirkverstärker – sogenannte Adjuvanzien – beigefügt.
„Ein typischer Impfstoff aus inaktivierten Viren löst nur eine Antikörperantwort aus“, sagt Friedemann Weber, Direktor des Instituts für Virologie an der Uni Gießen, gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. „Es fehlt dann der bewaffnete Arm der Immunabwehr, der infizierte Körperzellen erkennt, diese abtötet und so die Neuproduktion von Viren stoppt.“ Die Mischung aus inaktivem Virus und Wirkverstärker sorgt somit dafür, dass der Körper sich gegen das Virus wehren kann.
Zwar kategorisiert Valneva den Impfstoff als Totimpfstoff, diese Einordnung sei aber „unzureichend“, erklärt Weber. Der Unterschied zwischen Lebend- und Totimpfstoffen sei die Fähigkeit, sich im Menschen vermehren zu können oder nicht.
Da die bisher zugelassenen mRNA-Impfstoffe im Körper kein vollständiges Virus ausbilden können, zählt das Paul-Ehrlich-Institut diese Mittel zu den Totimpfstoffen. Weber erklärt darüber hinaus: „Eigentlich vereinen Vektor- und mRNA-Impfstoffe die besten Eigenschaften von Tot- und Lebendimpfstoffen. Sie vermehren sich zwar nicht, produzieren aber Virusproteine in der Zelle.“
Bereits im Oktober veröffentlichte das Unternehmen die ersten Studienergebnisse. 4012 Teilnehmenden wurden zwei Impfdosen im Abstand von 28 Tagen verabreicht. Zwei Wochen nach der zweiten Impfung hatten sie signifikant mehr neutralisierende Antikörper gegen Sars-CoV-2 im Blut – mehr als beispielsweise beim Impfstoff von Astra-Zeneca.
In einer anderen Studie, deren Ergebnisse im Januar veröffentlich wurden, entnahmen die Versuchsleiter Blutproben von 30 Probanden, die drei Valneva-Dosen erhalten hatten. Die Proben enthielten zu 100 Prozent Antikörper gegen die Delta-Variante und zu 87 Prozent Antikörper gegen Omikron. Im Vergleich zum Ursprungsvirus war die Menge der Antikörper gegen Omikron allerdings 16,7-fach reduziert.
Eine britische Studie von Dezember bescheinigt Valneva enttäuschende Ergebnisse. Die Probanden erhielten Auffrischungsimpfungen mit dritter Dosis von folgenden Herstellern: Astra-Zeneca, Biontech/Pfizer, Johnson & Johnson, Moderna, Novavax, Curevac und Valneva.
An der Studie waren 2878 Personen über 30 Jahren beteiligt – etwa die Hälfte war über 70 Jahre alt – und bereits zweifach geimpft. Das Ergebnis: Am besten eignen sich die mRNA-Impfstoffe für eine Auffrischung. Mit einigem Abstand auf dem letzten Platz landete der Valneva-Impfstoff.
Der Hersteller begründete die unterdurchschnittliche Wirkung mit dem geringen Abstand zwischen der zweiten und dritten Dosis. Christian Münz, Professor für Virale Immunbiologie an der Uni Zürich, hält die Aussage nicht für stichhaltig. „Zwei bis drei Monate sind in der Regel ein ausreichendes Zeitintervall“, erklärt er gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. „Außerdem hat das Boostern mit den mRNA-Impfstoffen ja in der entsprechenden Vergleichsstudie gut funktioniert.“
Ob das Mittel in Deutschland zugelassen wird, steht noch nicht abschließend fest. Das Unternehmen rechnet jedoch fest damit: Im März teilte Valneva mit, dass sie auf eine „bedingte Marktzulassung“ für Erwachsene im Alter von 18 bis 55 Jahre noch im April hoffen. Zuletzt forderte die Ema aber weitere Daten über den Impfstoff.
Der Ausschuss für Humanarzneimittel der Ema habe eine weitere Liste mit Fragen an das Unternehmen geschickt, teilte Valneva mit. Darunter seien Anfragen nach zusätzlichen Daten und nach weiteren Rechtfertigungen einer bedingten Marktzulassung für den Impfstoffkandidaten. Das Unternehmen will in den kommenden Tagen auf die Anfragen reagieren. Wenn die Aufsichtsbehörde die neuen Informationen akzeptiere, rechnet Valneva noch in diesem Quartal mit einer bedingten Marktzulassung.
Laut Friedemann Weber lohnt es sich keinesfalls, auf den Impfstoff zu warten. In Bezug auf die bereits zugelassenen Vakzine erklärt der Experte: „Die empfohlenen Impfstoffe sind super, sicher und vor allem: verfügbar.“ Selbst der Valneva-CEO, Thomas Lingelbach, hat sich dazu geäußert. „Ich rate niemandem, auf unseren Impfstoff zu warten“, sagt er dem „Spiegel“.
Laut der Herstellerstudie kommt es bei der Impfung zu keinen schwerwiegenden Vorfällen. „Weniger als ein Prozent berichtete in beiden Behandlungsgruppen über ein unerwünschtes Ereignis von besonderem Interesse“, heißt es in dem Paper.
Professor Christian Bogdan, Mitglied der Ständigen Impfkommission und Direktor des Mikrobiologischen Instituts am Universitätsklinikum Erlangen, erklärt gegenüber der Apotheken-Umschau jedoch: „Ungefähr 2000 Menschen haben in der Studie den Valneva-Impfstoff bekommen. Ich kann auf dieser Basis keine verlässliche Aussage zu Nebenwirkungen machen, die seltener vorkommen als 1 in 100. Das ist statistisch nicht möglich.“
Vakzine nach klassischem Wirkverfahren erfahren oft mehr Vertrauen. So misstrauen manche Menschen der neuen mRNA-Technologie, die noch nicht lange erprobt ist. Auf ihr basieren die Impfstoffe von Moderna und Biontech/Pfizer. Für Menschen, die bislang eine Impfung gegen Corona ablehnen, klingt ein Protein-Impfstoff wie Novavax womöglich natürlicher.
Erst Ende Februar wurde das Novavax-Vakzin zugelassen. Bisher ließen sich allerdings nur wenige Menschen in Deutschland damit impfen. In den ersten dreieinhalb Wochen seit Markteinführung wurden nach Daten des Bundesgesundheitsministeriums von 1,5 Millionen gelieferten Dosen bisher nur rund 53.000 Dosen verimpft. Im selben Zeitraum erhielten hierzulande 1,6 Millionen Menschen das Vakzin von Biontech und mehr als 250.000 das von Moderna.
Mit Agenturmaterial
Dieser Artikel erschien zuerst am 25.03.2022 um 09:41 Uhr.
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