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24.01.2019

23:30

Starinvestor George Soros hat auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos vor China gewarnt, das auf dem besten Weg in ein totalitäres Regime sei. AFP

Davos

Starinvestor George Soros hat auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos vor China gewarnt, das auf dem besten Weg in ein totalitäres Regime sei.

George Soros

„Xi Jinping ist der größte Feind der offenen Gesellschaft“

Von: Daniel Schäfer

Der legendäre Investor warnt davor, dass der chinesische Präsident mithilfe von Künstlicher Intelligenz einen totalitären Staat Orwellschen Ausmaßes aufbaut.

Davos Donald Trump, Mark Zuckerberg und Wladimir Putin: Sie alle hat George Soros auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos in den vergangenen Jahren schon scharf angegriffen. Doch in diesem Jahr hat der 88 Jahre alte Milliardär eine selbst für seine Verhältnisse ungewöhnlich scharfe Warnung parat: Mithilfe von maschinellem Lernen und Künstlicher Intelligenz sei China unter dem Staatspräsidenten Xi Jinping auf dem besten Weg in ein totalitäres Regime, das selbst die Dystopie „1984“ von George Orwell in den Schatten stelle.

„China ist nicht das einzige autoritäre Regime in der Welt, aber es ist unzweifelhaft das reichste, stärkste und das in den Bereichen maschinelles Lernen und Künstliche Intelligenz am meisten entwickelte“, sagte der Starinvestor bei seinem traditionellen Dinner im Davoser Hotel Seehof am vorletzten Abend des Forums. „Das macht aus Xi Jinping den gefährlichsten Gegner derjenigen, die an das Konzept der offenen Gesellschaft glauben.“

Soros geißelte das im Aufbau befindliche soziale Punktesystem in China als „beängstigend und abscheulich“. Das System „würde Xi totale Kontrolle über das Volk“ geben, warnte der für seine markanten Sprüche und unkonventionellen Ansichten bekannte US-Investor.

China arbeitetet derzeit daran, mithilfe des Internets, Gesichtserkennung und anderen digitalen Hilfsmitteln ein System totaler Kontrolle aufzubauen. Dadurch sollen gute von schlechten Menschen unterschieden werden. Mit dem tiefen Eingriff in die Privatsphäre ihrer Bürger will der Staat gewolltes Verhalten herbeiführen. Wer gegen die sozialen Anstandsregeln verstößt und beispielsweise eine rote Ampel überquert, wird zur Strafe von bestimmten Dingen des Alltags ausgeschlossen - wie etwa einer Fahrt mit dem Schnellzug.

Doch nach den Worten von Soros geht der chinesische Staat noch weiter: „Die Menschen werden von Algorithmen bewertet, die bestimmen, ob sie eine Gefahr für den Einparteienstaat darstellen.“ Das System „ordnet das Schicksal des Einzelnen den Interessen des Einparteienstaates in einem in der Geschichte nie dagewesenem Ausmaß unter“, warnt der Philanthrop, der mit seiner Open Society Foundation seit Jahrzehnten dafür kämpft, die freiheitliche Grundordnung weltweit zu verteidigen.

Starinvestor George Soros hat auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos vor China gewarnt, das auf dem besten Weg in ein totalitäres Regime sei. AFP

Davos

Starinvestor George Soros hat auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos vor China gewarnt, das auf dem besten Weg in ein totalitäres Regime sei.

Soros ist dabei geprägt durch seine Kindheit und Jugend. Der 1930 in Ungarn geborene Jude überlebte das Naziregime nur deshalb, weil sein Vater der eigenen Familie und Bekannten gefälschte Papiere besorgte, die ihre jüdische Herkunft verschleierten. Als die Nazis nicht viel später durch das stalinistische System ersetzt wurden, wanderte der junge Soros nach England aus.

In seinem Heimatland ist Soros unter dem populistischen Ministerpräsident Viktor Orbán mittlerweile in Ungnade gefallen. Nach einer staatlich orchestrieren Hetzkampagne gegen Soros verlagerte er den Sitz seiner Stiftung im vergangenen Jahr aus seiner Geburtsstadt Budapest nach Berlin.

Bereits vor einem Jahr hatte der Kämpfer für eine liberale Welt in Davos eine düstere Zukunftsvision an die Wand gemalt: Damals warnte er noch eher abstrakt vor einer Allianz zwischen autoritären Staaten und den großen, datenreichen Tech-Konzernen wie Facebook und Google. Diese würde die neuentstandenen Systeme der privatwirtschaftlichen Überwachung mit einer bereits ausgereiften staatliche Überwachungsstruktur zusammenbringen. „Das könnte in einem Netz totalitärer Kontrolle enden, welches sich in dieser Form noch nicht einmal Aldous Huxley und George Orwell haben vorstellen können.“

Ein genau solches System sieht Soros nun in China vor der Umsetzung - allerdings nicht mithilfe von Facebook oder Google, sondern mit den von China in den vergangenen Jahren selbst hochgezüchteten Internetgiganten wie Tencent oder Alibaba. „Was ich besonders verstörend finde ist, dass die Kontrollinstrumente, die mithilfe Künstlicher Intelligenz entwickelt wurden, den autoritären Systemen einen inhärenten Vorteil gegenüber der offenen Gesellschaft verschaffen. Für die (Regime) sind solche Kontrollinstrumente ein nützliches Werkzeug; für offene Gesellschaften sind sie eine tödliche Gefahr.“

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Auch über China hinaus bestehe diese Gefahr, warnte der durch seine erfolgreichen Spekulationen gegen das britische Pfund in der 1990er-Jahren berühmt gewordene Investor. „China will die Regeln und Prozeduren kontrollieren, die die digitale Ökonomie bestimmen, indem das Land die Entwicklungsländer mit seinen neuen Plattformen und Technologien dominiert. Das ist eine Gefahr für die Freiheit des Internets.“

Manche Beobachter sprechen bereits von einem künftigen „Splinternet“, bei dem der Globus in eine unzensierte amerikanische Welt von Google und Facebook sowie eine zensierte und kontrollierte chinesische Welt von Baidu und Tencent aufgeteilt ist.

Soros ist in Davos mit seinen mahnenden Worten in Richtung China nicht allein. Auch der ehemalige republikanische Mehrheitsführer im Repräsentantenhaus, Eric Cantor, warnte am Donnerstag im Handelsblatt-Interview vor Chinas Streben nach der technologischen Weltherrschaft.

Soros sieht aber auch Grund zur Hoffnung. In der chinesischen Politik gebe es Kräfte, die unverändert dazu bereit seien, gegen Xi zu opponieren. Und wenn das derzeitige Abflauen der chinesischen Wirtschaft sich verschärfe, könnte sich die chinesische Gesellschaft gegen Xi wenden, sagte der US-Investor.

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