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24.01.2019

16:45

Die Präsidenten der USA und Chinas feilschen derzeit um eine neue Handelsordnung. AFP

Donald Trump und Xi Jinping

Die Präsidenten der USA und Chinas feilschen derzeit um eine neue Handelsordnung.

Republikaner Eric Cantor

„Es gibt einen Konkurrenzkampf der Großmächte“

Von: Daniel Schäfer

Eric Cantor, Ex-Mehrheitsführer im US-Repräsentantenhaus, analysiert den Machtkampf der USA mit China – und stützt die Politik von US-Präsident Trump.

Davos Außerhalb des Davoser Kongresszentrums ist es bitterkalt, und auch im Gespräch mit Eric Cantor dreht es sich um eher frostige Themen: Der ehemaliger Mehrheitsführer der Republikaner im US-Repräsentantenhaus beschreibt den Handelskonflikt zwischen den USA und China als Teil eines erbitterten wirtschaftlichen und politischen Machtkampfs zwischen zwei Weltmächten.

Der heutige Vizechef der New Yorker Investmentbank Moelis & Co sieht den Freihandel zunehmend in Gefahr und sagt für die USA und Europa einen neuen politischen Kampf zwischen links und rechts, zwischen Kapitalismus und Sozialismus voraus.

Herr Cantor, wie weit wird US-Präsident Donald Trump den Handelskrieg treiben?   
Der Handel wird in diesem Jahr eine sehr bedeutende politische Rolle spielen. Die Botschaft, die der Präsident in Richtung China ausgesandt hat, entspricht der Ansicht vieler US-Unternehmen: Es ist an der Zeit, dass China nach denselben Regeln spielt wie wir alle. Dazu gehören der Schutz geistigen Eigentums, ein Ende des erzwungenen Technologietransfers und weniger Technologie-Diebstahl. Es gibt also eine Menge Unterstützung für den Weg, den Trump eingeschlagen hat.

Eric Cantor im Gespräch mit Handelsblatt-Redakteur Daniel Schäfer. Dermot Tatlow für Handelsblatt

„Trump ist Realitätscheck für China“

Eric Cantor im Gespräch mit Handelsblatt-Redakteur Daniel Schäfer.

Geht es im Handelskonflikt mit China in Wahrheit um einen Kampf um die technologische Weltherrschaft?      
Der Handelskonflikt ist im Kontext unserer nationalen Sicherheitsstrategie zu sehen. Dazu gab es vor einem guten Jahr einen Report unserer Regierung, der einen Konkurrenzkampf der großen Mächte beschreibt. Der Report beschreibt China nicht nur als Handelspartner, sondern mehr als Wettbewerber und auf manchen Ebenen auch als Bedrohung. Es geht dabei nicht nur um den Handel, sondern auch um den Schutz von Investitionen.

Inwiefern?
Der Kongress hat Ende letzten Sommers ein Gesetz verabschiedet, dass die Behörde zum Schutz vor ausländischen Investments (CFIUS) aufgewertet hat. Diese bald gültigen neuen Regeln werden es für chinesische Unternehmen deutliche erschweren, in den USA zuzukaufen. Es gibt also in der Tat diesen größeren Kontext eines Konkurrenzkampfs der Großmächte. 

Der Report spricht von einer Bedrohung. Würden Sie auch soweit gehen zu sagen, China wird als Feind angesehen?
Es gibt zumindest ein wachsendes Gefühl innerhalb beider Parteien im Kongress, dass von den Bemühungen Chinas, Zugang zu kritischen Technologien und Unternehmen zu erhalten, eine reale Bedrohung ausgeht. Man sieht das an den Maßnahmen gegen Huawei und auch am Konflikt, der rund um ZTE hochgekocht ist. Es gibt eine Menge Abgeordnete im Kongress, die gerne jegliche Interaktion in dieser Branche mit China gesetzlich verbieten würden.

Also eine rein wirtschaftliche Gefahr?
Nicht nur. Diejenigen, die sich auf militärische und sicherheitsrelevante Themen fokussieren, sind sich der Aktivitäten der Chinesen im südchinesischen Meer sehr bewusst. Sie sehen auch den Wunsch unserer Alliierten in Südostasien, dass das amerikanische Militär dort weiter präsent ist und für offene Schifffahrtsrouten und die Einhaltung internationaler Regeln sorgt.

Wird es angesichts dieser aufgeheizten Stimmung Raum geben für eine Einigung zwischen den USA und China?
Der chinesische Staatspräsident Xi Jinping wird der USA entgegenkommen müssen. Es ist auch gut für die Privatwirtschaft in China, dass sich Trump als eine Art externer Realitätscheck einmischt. Der Schutz geistigen Eigentums und eine größere Stabilität für die Unternehmen müsste auch im Interesse der chinesischen Wirtschaft sein. Die Frage ist aber, ob es zu mehr als nur dem Entwurf eines Deals kommen wird. Denn Xi könnte den letztlich als Bedrohung für die chinesische Souveränität betrachten. 

Welche wirtschaftlichen Auswirkungen hat der Handelskonflikt bislang?
Es ist natürlich beunruhigend für die Unternehmen, weil es Unsicherheiten schafft. Noch geht es den USA aber wirtschaftlich sehr gut. Es gibt natürlich höhere Schwankungen an den Aktienmärkten und alle schielen darauf, was die Federal Reserve machen wird. Aber wir bei Moelis sind sehr gut ausgelastet und unsere Kunden stehen nicht still, trotz der ganzen Volatilität. Aber wenn die Zinsen plötzlich steigen und der Handelskrieg nicht gut verläuft, dann kann die gute Stimmung schnell erodieren. 

Wie wird es beim Handelsstreit mit Europa weitergehen?
Der Brexit ist derzeit das dominierende Thema für die Europäer. Das muss erst gelöst werden, bevor die Gespräche mit der Europäische Union wieder Fahrt aufnehmen können. Und man muss abwarten, was genau Handelsminister Wilbur Ross im Februar zur Autobranche vorschlagen wird. Das scheint ja ein Lieblingsthema für Trump zu sein. 

Wie groß sind die Chancen einer Einigung? Der angebliche Deal mit der EU-Kommission im vergangenen Sommer war ja eher eine Nebelkerze.
Diese Regierung macht eine Menge solcher großartigen Ankündigungen, die letztendlich schwer umzusetzen sind. Generell hat das Handelsthema derzeit nicht allzu viel politischen Rückhalt. Es ist politisch nicht gerade ertragreich, sich für den Freihandel einzusetzen. Es ist viel attraktiver für Politiker zu sagen: Wir schützen unsere heimische Wirtschaft.

Was könnten einen Stimmungswandel herbeiführen?
Das wird sich nur ändern, wenn höhere Zölle die Preise für Güter hochtreiben. Der freie Handel hat immer dem Konsumenten geholfen, weil er die Preise gedrückt hat. Und wenn die Shopper bei Walmart, Target oder anderswo merken, dass die Preise steigen und das ihre Familien beeinträchtigt, dann könnten sich die Dinge wieder ändern. 

Sie erwähnten den Bericht zur Autobranche von Wilbur Ross. Wie wahrscheinlich ist es, dass Trump tatsächlich deutlich höhere Zölle auf Autoimporte einführen wird?
Das ist das einzige Thema, bei dem Trump die Unterstützung der Republikaner abhandenkommen könnte. Wenn es höhere Zölle im Automobilsektor geben sollte, würde das einige US-Bundestaaten hart treffen. Das wäre für viele unakzeptabel.

Ist das also eine leere Drohung Trumps?
Nein, nicht vonseiten des Präsidenten. Aber ich denke, damit würde er in diesem Handelskrieg einen Schritt zu weit gehen, weil er im Kongress auf Widerstand stoßen würde. 

Wie würden Sie die derzeitigen transatlantischen Beziehungen beschreiben?
Es gibt immer noch eine sehr solide Basis für diese Allianz: Die miteinander verwobenen Volkswirtschaften und Zulieferketten sowie ähnlich denkende Menschen, die demokratische Werte teilen. Ich sorge mich also nicht darüber, dass diese Allianz verschwinden könnte. Aber die wachsende politische Polarisierung in den USA und Europa macht es sehr schwer vorherzusagen, wie die transatlantische Beziehung in Zukunft genau aussehen wird.

Ist der Freihandel das Kernthema dieser Polarisierung?
Alles was man über den Freihandel sagt, ist richtig und wichtig. Aber politisch stößt das derzeit auf taube Ohren. Die Menschen wollen wissen, wie sie es der Politik klarmachen können, dass sie auch etwas wert sind. Darum geht es bei den Gelbwesten, darum ging es bei der Wahl Trumps und das ist die Richtung, in die die Politik in vielen Ländern geht. Viele in den USA machen sich Gedanken über die Zukunft der freien Märkte und des Kapitalismus. Auf der anderen Seite stehen die Demokraten, die in die entgegengesetzte Richtung laufen: In Richtung Sozialismus. Die Debatte im Wahlkampfjahr 2020 wird also mit der Überschrift „Kapitalismus oder Sozialismus“ geführt werden.    

Sehen wir hier in Zeitlupe den Kollaps der langjährigen wirtschaftlichen und politischen Ordnung?
So dramatisch würde ich es nicht beschreiben. Aber der Auffassung, dass freie Märkte und Wettbewerb das Leben vieler Menschen verbessern, wird nicht mehr allgemein zugestimmt. Es gibt viel mehr Begeisterung auch in den USA für ein mögliches sozialistisches Modell. Viele der Vorschläge der linken Demokraten, wie ein Spitzensteuersatz von 70 Prozent oder eine staatliche Krankenversicherung für alle, sehen schon sehr nach einem europäisch geprägten sozialistischen Modell aus. Dagegen werden wir ankämpfen. 

International gibt es aber immer noch mächtige Stimmen für den freien Welthandel. Zum Beispiel Angela Merkel, die hier in Davos en entsprechendes Plädoyer gehalten hat.
Angela Merkel kann ohne Probleme rausgehen und sagen, sie sei für freie Märkte und Handel – denn sie muss sich nicht mehr wiederwählen lassen Aber viele andere Politiker, die daran glauben, sind verängstigt und trauen sich nicht, das zu sagen. Schließlich wollen sie wiedergewählt werden. 

In anderen Worten: Der wirtschaftsliberalen Davos-Elite will niemand mehr zuhören?
Es gibt hier in Davos zu oft die Einstellung, ‚wir werden die Probleme für alle anderen lösen‘. Emmanuel Macron ist ein solches Beispiel. Sein Plan für eine Dieselsteuer hat gezeigt, dass er von den Sorgen der Mittelschicht zu weit entfernt ist. Die meisten hier haben keinerlei Vorstellung davon, wie geschmacklos diese abgehobene Einstellung denjenigen gegenüber ist, die morgens aufstehen und die es sich schlichtweg nicht leisten können so zu denken. 

Ist Davos also ein anachronistisches Treffen der Elite?
Dass dieses Jahr so wenige Staatschefs hier sind zeigt schon, dass die sich vielleicht eher um die vielen Probleme zuhause kümmern wollen. Anstatt sich hier mit anderen darüber zu unterhalten, wie man die Welt retten will, stellen diese Politiker lieber die Frage, was können wir für die Familien in unseren Heimatländern tun? Aber für Unternehmen ist Davos unverändert ein guter Ort für einen intensiven Dialog.   

Also weniger großartige Ankündigungen und mehr tatsächliches Geschäft?
Es würde dem Weltwirtschaftsforum gut zu Gesicht stehen, statt grandiosen Proklamationen mehr kleinere Fortschritte zwischen privaten Unternehmen zu fördern. 

Herr Cantor, vielen Dank für das Gespräch. 

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