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15.07.2021

14:42

+++ Vorstellung EU-Klimapaket +++

Kraftstoffe werden teurer, Verbrenner verbannt und der Emissionshandel ausgeweitet – die Details und Reaktionen zum EU-Klimapaket

Von: Anna Kipnis, Ulrike Hauswald, Anastasia Zejneli

EU forciert mit einer Art CO2-Grenzsteuer Klimapolitik +++ Erste Bundesminister verhalten optimistisch, erste Wirtschaftsverbände alarmiert +++ Alle Details und Reaktionen.

Die EU-Kommission hat ihr umfassendes Paket vorgestellt, um das verschärfte Klimaziel bis 2030 zu erreichen. Bis 2050 sollen praktisch gar keine Treibhausgase ausgestoßen werden, der Kontinent klimaneutral sein. Die wichtigsten Punkte im Überblick:

  • Verbrennungsmotoren:
Ab 2035 sollen keine neuen Autos mit Verbrennungsmotoren mehr auf den Markt kommen, wenn sie nicht vollständig emissionsfrei sind. Als Zwischenschritt auf dem Weg dorthin müssen die Autobauer den CO2-Ausstoß von Fahrzeugen im europaweiten Flottenschnitt von heute 95 Gramm CO2/Kilometer um 55 Prozent bis 2030 senken.

  • CO2-Preis für Verkehr und Gebäude
Mit einem Preisaufschlag auf Sprit, Heizöl oder Gas will die EU-Kommission europaweit den Klimaschutz in Verkehr und Gebäuden voranbringen. Der deutsche CO2-Preis soll Mitte der 20er Jahre im geplanten EU-System aufgehen, das einen Handel mit den nötigen Verschmutzungsrechten vorsieht. Mineralölhändler müssen die Rechte kaufen und geben sie als Preis an die Verbraucher weiter.

  • Sozialfonds
Gerade ärmere Haushalte sind von höheren Preisen für Sprit oder Heizöl betroffen, da sie einen höheren Anteil ihres Einkommens dafür ausgeben müssen. Die EU-Kommission will daher aus einem Viertel der Einnahmen des Rechte-Verkaufs einen Sozialfonds speisen, mit dem Härten abgefedert werden.

  • Flottengrenzwerte für Autos
Die Neuwagenflotten der Autoproduzenten müssen bis 2030 ihren Verbrauch im Schnitt um 55 Prozent unter das jetzt gültige Niveau senken. Ab 2035 dürfen gar keine herkömmlichen Diesel oder Benziner mehr neu zugelassen werden.

  • Flugverkehr
Die Steuerbefreiung für Flugbenzin soll in der EU ein Ende haben. Zudem sollen die Fluglinien gezwungen werden, bis 2030 mindestens zwei Prozent klimafreundliche Kraftstoffe beizumischen. Bis 2050 soll der Anteil auf 65 Prozent steigen. Gratis-CO2-Verschmutzungsrechte sollen ab 2026 reduziert werden.

  • Verschärfung des Emissionshandels
Die Gratis-Ausgabe für Industrie-Zweige wie Stahl, Zement oder Chemie soll gekürzt werden. Zudem soll auch die regelmäßige, jährliche Verknappung beschleunigt werden. Auch der Seeschiffs-Verkehr innerhalb der EU-Gewässer muss Verschmutzungsrechte erwerben und wird in den Handel aufgenommen.

  • CO2-Grenzsteuer
Um die europäische Stahl- oder Chemie-Industrie vor "schmutzigen" Importen zu schützen, ist ab 2026 ein Zoll auf den CO2-Abdruck der Produkte an den EU-Außengrenzen geplant. 

  • Erneuerbare Energien
Die EU setzt sich ein neues Ziel eines Anteils von 40 Prozent Erneuerbarer Energie am Energieverbrauch. Bisher lag die Vorgabe bei 27 Prozent. Derzeit liegt der Anteil um die 20 Prozent.

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Ulrike Hauswald
Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) hat die Klimaschutz-Pläne der EU-Kommission im Grundsatz begrüßt. Zugleich warnte er aber vor einer Abwanderung von Unternehmen. Der CDU-Politiker sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe: „Ich begrüße die Entschlossenheit der EU-Kommission, das Thema in der notwendigen Breite anzugehen. Alles was dazu beiträgt, dass wir das Klima schneller und umfassender schützen, ohne unsere Wettbewerbsfähigkeit zu gefährden, ist ein Schritt in die richtige Richtung.“ Genau das werde der Maßstab für die weitere Prüfung der Vorschläge sein, so Altmaier. 

Ich begrüße ausdrücklich die Stärkung marktwirtschaftlicher Instrumente wie die Reform des Emissionshandels. Dabei müssen wir die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie aber immer mitdenken und Abwanderungsprozesse in andere Länder vermeiden durch umfassenden Carbon-Leakage-Schutz.

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU)

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Anastasia Zejneli
Der Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK), Ottmar Edenhofer, spricht von einem großen Wurf. „Es gibt jetzt keinen Weg zurück mehr." Es sei das umfangreichste Klima-Paket seiner Art. „Fast jeder Sektor bekommt jetzt einen Preis auf den CO2-Ausstoß." Das sei wichtig auch für die Klimaverhandlungen mit China und den USA.
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Anastasia Zejneli
Das Klimapaket der EU-Kommission ist dem WWF zufolge in Teilen nicht ausreichend, um die Klimaneutralität bis 2050 zu erreichen und die Erderhitzung auf 1,5 Grad zu begrenzen. „Die Kommission hat ein Paket mit vielen richtigen Inhalten geschnürt. Allerdings sind sie teilweise etwas unklar und unterdimensioniert", sagt Viviane Raddatz, Leiterin Klimaschutz und Energiepolitik beim WWF Deutschland.
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Anastasia Zejneli
Das Klimaschutzpaket sei noch nicht perfekt, „doch vor kurzem war es noch fast undenkbar, dass solche Reformen überhaupt kommen könnten", erklärt der Grünen-Europaabgeordnete Sven Giegold. „Europa legt damit harte Gesetze vor, die es in Deutschland immer noch nicht gibt." 
Um den schon sichtbaren Klimawandel zu verlangsamen, müssten in den kommenden zehn Jahren so viele CO2-Emissionen reduziert werden wie in den vergangenen 30 Jahren. Den Vorschlag zum Verbrenner-Aus für Pkw habe die EU-Kommission gegen Widerstand der Bundesregierung beschlossen, die für eine Frist bis 2040 statt 2035 gewesen sei.
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Anastasia Zejneli
Der Klimaschutz darf nach den Worten von Bundeswirtschaftminister Peter Altmaier die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie nicht gefährden. Abwanderungsprozesse in andere Länder müssten vermieden werden, sagt Altmaier den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Grundsätzlich heißt er die Klimaschutzpläne der EU gut. „Alles, was dazu beiträgt, dass wir das Klima schneller und umfassender schützen, ohne unsere Wettbewerbsfähigkeit zu gefährden, ist ein Schritt in die richtige Richtung."
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Anastasia Zejneli
Der Verband der Chemischen Industrie (VCI) mahnt, Vorbild zu sein alleine reiche für die EU nicht. Das Paket berge große Risiken, sagt VCI-Hauptgeschäftsführer Wolfgang Große-Entrup. Er verwies auf das Aus für Entlastungsregeln der EU für die Industrie im internationalen Wettbewerb. Die im Gegenzug geplante CO2-Grenzabgabe auf Importe werde die Industrie in Europa aber nicht wirksam schützen.
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Anastasia Zejneli
Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) will die neue EU-Klimastrategie „konstruktiv-kritisch" prüfen. Effektiver Klimaschutz sei im Sinne der Land- und Forstwirtschaft. „Und eine stabile Land- und Forstwirtschaft und nachhaltige Ernährungssicherung ist im Sinne aller", sagt Klöckner den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Der Praxisbezug dürfe aber nicht außer Acht gelassen werden.
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Ulrike Hauswald
Das neue EU-Klimapaket hat bei der Luftverkehrswirtschaft Sorgen um mögliche Wettbewerbsnachteile zu außereuropäischen Konkurrenten ausgelöst. Der Flughafenverband ADV wie auch die Lufthansa verlangten am Mittwoch in ersten Reaktionen, zusätzliche finanzielle Lasten nicht einseitig den europäischen Anbietern aufzubürden.

Alle vorgeschlagenen Maßnahmen zum Luftverkehr wie die Weiterentwicklung des europäischen Emissionshandels, verbindliche Quoten für nachhaltige Kraftstoffe und eine Kerosinsteuer führten ohne Ausgleichsinstrumente zu erheblichen Wettbewerbsnachteilen, erklärte eine Sprecherin des Lufthansa-Konzerns in Berlin. Es werde im weiteren Gesetzgebungsprozess darauf ankommen, den fairen Wettbewerb zu sichern und gleichzeitig zu verhindern, dass CO2-lastige Produktion einfach über die EU-Außengrenze verlagert werde.

Der ADV-Hauptgeschäftsführer Ralph Beisel verlangte vielfältige Unterstützungsmaßnahmen für die Flughäfen. „Eine immer weitergehende Anhebung der Klimaziele darf keine Einbahnstraße aus fortwährenden Belastungen sein. Wer wie die Kommission viel fordert, muss auch fördern und unterstützen“, erklärte er. Unter anderem müssten die Anbindung der Flughäfen an die Schiene verbessert und Investitionen in klimafreundliche Techniken stärker gefördert werden.
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Anastasia Zejneli
Bei den anstehenden Beschlüssen zum EU-Klimapaket müssen nach Ansicht von Entwicklungsminister Gerd Müller stärker die internationalen Auswirkungen berücksichtigt werden. „Ein CO2-Grenzausgleich darf nicht zur wirtschaftlichen Abschottung des EU-Binnenmarkts und damit zum dauerhaften Nachteil für Entwicklungsländer werden", sagt Müller. Es sei ein fairer und ausgewogener Ausgleichsmechanismus nötig, der auch Entwicklungsländer beim Klimaschutz und der Anpassung an den Klimawandel aktiv und finanziell unterstützt.
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Anastasia Zejneli
Greenpeace kritisiert die Klimaziele der EU als zu niedrig. Damit werde die Zerstörung des Planeten nicht aufgehalten, sagt EU-Direktor Jorgo Riss. Viele Maßnahmen würden mindestens zehn Jahre lang noch nicht greifen, wie das Auslaufen von Verbrennermotoren ab 2035. Andere würden Öl auf das Feuer gießen.
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Anastasia Zejneli
Das Europäische Parlament steht seinem Präsidenten zufolge bereit, so schnell wie möglich die Beratungen über das Klimapaket aufzunehmen. Die EU habe bewiesen, dass es möglich sei Emissionen zu senken und gleichzeitig Arbeitsplätze zu schaffen, sagt David Sassoli. „Lasst uns diesen Weg weitergehen und sicherstellen, dass niemand zurückbleibt."
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Anastasia Zejneli
Bundesumweltministerin Svenja Schulze hat die Bedeutung des von der EU-Kommission vorgelegten Maßnahmenpakets  hervorgehoben. Die SPD-Politikerin erklärte in Berlin: „Klimaschutz wird damit zum zentralen europäischen Zukunftsprojekt. Es geht um nichts weniger als eine neue industrielle Revolution, angeführt von der Europäischen Union.“

Deutschland sei gut vorbereitet für die anstehenden Debatten, sagte Schulze mit Blick auf das geänderte Klimaschutzgesetz mit höheren Klimazielen. Die Bundesregierung werde die Vorschläge der EU-Kommission nun gründlich, aber auch zügig und konstruktiv prüfen. „Es wird sicher intensive Verhandlungen geben, und wir werden unseren Beitrag dazu leisten, dass eine ehrgeizige, faire und solidarische Einigung gelingt.
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Ulrike Hauswald
Deutschland braucht bis 2030 nach Ansicht von Verkehrsminister Andreas Scheuer 14 Millionen E-Autos, um die EU-Klimaziele erfüllen zu können. „Das geht nur, wenn die Hersteller zügig gute und für alle bezahlbare Angebote machen", sagt der CSU-Politiker den Zeitungen der Funke Mediengruppe. 

Die Strategie der EU-Kommission sei kaum überraschend, aber herausfordernd. Die ambitionierten Ziele dürften Verbraucher und Wirtschaft nicht überfordern. „Mobilität muss für die Menschen bezahlbar bleiben."
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Daniel Klager
EU-Vizepräsident Timmermans will den CO2-Preis deutlich ausweiten. Ausnahmen für Flug- und Schiffsverkehr sollen eingeschränkt werden. Die EU nimmt auch den Straßen- und den Gebäudesektor ins Visier, sowie Heizöl und Kraftstoffe. 
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Anna Kipnis
Die gesamten Treibhausgasemissionen müssen bis 2050 um 90 Prozent verringert werden, heißt es in der Konferenz.

Weniger als 0,1 Prozent der Treibstoffe in der Luftfahrt seien nachhaltig - das Ziel sei auf fünf Prozent im Jahr 2030 zu kommen. 

Bei der Treibhausgasintensität der Schifffahrt sind fossile Kraftstoffe noch zu 99 Prozent im Energiemix. Bis 2035 soll dies um 13 Prozent gesenkt werden.
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Daniel Klager
Günen-Chef Robert Habeck hat die EU-Klimaschutzpläne begrüßt, zugleich aber höhere Ziele eingefordert. „Gut, dass das Programm da ist“, sagte Habeck am Mittwoch in Westerhever in Schleswig-Holstein. Die Bundesregierung habe zwar ambitioniertere Ziele beschlossen, aber dann sei nichts nachgekommen. 

Die Bundesregierung hat also gepennt, während die EU-Kommission einen Vorschlag vorgelegt hat, wie es gehen kann.“ Sie habe durchaus ambitionierte Instrumente vorgelegt. „Insofern: Die Bundesregierung hat die Arbeit eingestellt, in Brüssel wird noch gearbeitet.“
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Anna Kipnis
EU-Kommissar für Wirtschaft, Pablo Gentiloni, tritt ans Pult. Das Carbon-Leakage, also die Auslagerung der Produktion, sei eine Gefahr - so könnten Waren mit höheren Emissionen in unseren Markt gelangen. Daher wurde der Grenzausgleich vorgeschlagen. "Gleicher Preis für die heimische Produktion und Einfuhr", sagte der Kommissar. Als Grundlage werde nicht mehr das Volumen, sondern der Energie-Gehalt genutzt. 
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Daniel Klager
Mit den Plänen für eine Art CO2-Grenzsteuer geht die EU in die Offensive. Die Abgabe auf Emissionskosten von energie-intensiven Importgütern wie Stahl, Zement und Aluminium soll in einer Übergangsphase bis Ende 2025 eingeführt und ab 2026 voll greifen, wie die Brüsseler Behörde am Mittwoch zu ihrem "CO2-Grenzausgleichsmechanismus" genannten System mitteilte. Importeure müssen im Rahmen des Mechanismus digitale Verschmutzungs-Zertifikate erwerben.

Damit sollen Firmen in der EU vor Konkurrenz aus dem Ausland geschützt werden, deren Produktion nicht denselben Klimaauflagen unterliegt wie in der Europäischen Union - dabei stehen Staaten wie Russland und China im Fokus. Die Volksrepublik gab wenige Stunden vor Bekanntgabe der Brüsseler Pläne bekannt, dass sie noch in diesem Monat ein Emissionshandelssystem (ETS) starten will. Der Handel mit CO2-Zertifikaten ist ein wichtiges Instrument zum Klimaschutz.
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Anna Kipnis
EU-Vizepräsident Frans Timmermans übernimmt das Wort. Auch er führt die gegenwärtigen klimatischen Veränderungen an, um für das Thema zu sensibilisieren.
Er spricht zwei konkrete Bemühungen an: die Bepreisung von Kohlenstoff sowie die Prämien für Dekarbonisierung.

Kadri Simson, EU-Energie-Kommissarin spricht, und fordert eine Revolution der grünen Energie. Das Ziel der erneuerbaren Energien wird auf 40 festgesetzt, so die Kommissarin.

Grüner, klüger und schneller zu sein bietet die große Gelegenheiten, die wir nicht ungenutzt lassen sollten. 

EU-Energie-Kommissarin Kadri Simson

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Anna Kipnis
Ursula von der Leyen führt den Wandel in Europa an – und unterstreicht die Notwendigkeit der sozialen Verträglichkeit. Die Klimawende werde von einem Klimasozialfonds begleitet. 

Die Kommissionspräsidentin führt die Hitzewellen in Kanada und in den USA an und mahnt, dass wir jetzt handeln müssten, um solche Ereignisse zu verhindern.
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