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29.01.2020

17:49

5G-Debatte

„Smoking gun“: Streit um Beweise gegen Huawei

Von: Moritz Koch

Die USA haben der Bundesregierung belastende Informationen über den chinesischen Tech-Konzern vorgelegt. Die kann sich aber nicht auf einen Ausschluss vom 5G-Netz einigen.

Die Bundesregierung streitet über einen gemeinsamen Kurs in der 5G-Debatte. AFP

Huawei-Logo

Die Bundesregierung streitet über einen gemeinsamen Kurs in der 5G-Debatte.

Berlin Wo sind die Beweise? Immer wieder kommt die Huawei-Debatte auf diese Frage zurück. Der Verdacht, dass der chinesische Netzausrüster mit dem Sicherheitsapparat der Volksrepublik kooperieren könnte, reicht vielen Berliner Politikern nicht. Um sich den Forderungen nach einem De-facto-Verbot der 5G-Technik von Huawei anzuschließen, verlangen sie Belege.

Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) macht immer wieder deutlich, dass sie aufgrund der Faktenlage technische Sicherheitsvorkehrungen favorisiert, die für alle Hersteller gleichermaßen gelten sollten.

Dabei weiß die Bundesregierung offenbar weit mehr über die Geheimdienstkontakte von Huawei, als sie öffentlich kommuniziert: Das geht aus einem internen, als Verschlusssache eingestuften Vermerk des Auswärtigen Amts hervor, der dem Handelsblatt vorliegt. „Ende 2019 wurden uns von US-Seite nachrichtendienstliche Informationen weitergegeben, denen zufolge Huawei nachweislich mit Chinas Sicherheitsbehörden zusammenarbeite“, heißt es darin.

Das Außenministerium greift die Formulierung der Amerikaner auf, dass es sich bei den Erkenntnissen um eine Smoking Gun handele, also um eindeutige Beweise. Inhaltlich werden die „nachrichtendienstlichen Informationen“ nicht weiter ausgeführt. Das Auswärtige Amt kommt aber zu dem klaren Ergebnis: „Die Vertrauenswürdigkeit chinesischer Unternehmen ist im Zusammenhang mit den Sicherheitserfordernissen beim Aufbau von 5G-Netzen nicht gegeben.“

Das Haus von Außenminister Heiko Maas (SPD) warnt seit Monaten, dass chinesische Netztechnologie als Einfallstor für chinesische Spione und Cyberangreifer dienen könnte. Daher setzen sich die Diplomaten dafür ein, dass die politische Vertrauenswürdigkeit zu einem zentralen Kriterium bei der Zulassung von 5G-Lieferanten wird. Huawei könnte dann vom Aufbau eines deutschen 5G-Netzes ausgeschlossen werden.

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Ausschnitt aus den Unterlagen des Auswärtigen Amtes

Huawei streitet die Anschuldigungen ab. Die neuen Berichte wiederholten „alte und haltlose Vorwürfe, ohne irgendwelche konkreten Beweise zu liefern“, erklärte das Unternehmen. Auch US-Botschafter Richard Grenell schaltete sich ein: Er unterstrich die Sicherheitsbedenken gegen Huawei, indem er daran erinnerte, dass der deutsche Verfassungsschutz empfiehlt, auf China-Reisen nur „Wegwerf-Handys“ zu benutzen.

Und er erneuerte die Warnung, dass die Amerikaner ihre Geheimdienstzusammenarbeit mit Staaten einschränken könnten, die Huawei-Technik in ihrem 5G-Netz installieren. Die US-Regierung stufe das Risiko von Datendiebstahl so hoch ein, „dass wir gezwungen sein werden zu prüfen, wie viel Informationen wir mit unseren Verbündeten noch teilen können, wenn sie dieses Risiko ignorieren“, sagte Grenell dem Handelsblatt.

Nach Informationen des Handelsblatts hatten die Amerikaner der Bundesregierung Mitte Dezember ein Dossier präsentiert, das die Erkenntnisse gegen Huawei zusammenträgt, die Nachrichtendienste und Justizbehörden gesammelt haben. Dafür war eine hochrangige Delegation nach Berlin gereist. Sie wurde angeführt von Matthew Pottinger, dem stellvertretenden Sicherheitsberater von US-Präsident Donald Trump. Zwei hochrangige NSC-Beamte und FBI-Vize David Bowdich begleiteten ihn.

Aus dem Bundestag kommt scharfe Kritik an der Informationspolitik der Bundesregierung. „Es ist eine Unverschämtheit, dass die Regierung dem Parlament solch wichtige Informationen vorenthält“, sagte Katharina Dröge, wirtschaftspolitische Sprecherin der Grünenfraktion.

Bundesregierung bleibt zerstritten

In einer Ausschusssitzung wollte Wirtschaftsminister Altmaier zu den Berichten nicht Stellung nehmen, er betonte aber, dass Unternehmen in fast allen Ländern mit den Sicherheitsorganen kooperieren müssten.

Das Papier des Außenministeriums befasst sich nicht nur mit den Sicherheitsbedenken gegen Huawei. Es dokumentiert auch detailliert, wie zerstritten die Bundesregierung in der 5G-Debatte ist. Die Diplomaten üben offene Kritik am Kurs der Kanzlerin. Sie beklagen, dass die Regierung in „hohen Zeitverzug“ geraten sei. Ressortabstimmungen seien ursprünglich für Oktober vergangenen Jahres geplant gewesen, doch das „Bundeskanzleramt hat Gesetzentwürfe seit Monaten angehalten“.

Auch das Verhalten von Bundesinnenminister Seehofer wird kritisch bewertet: „Das Bundesinnenministerium hatte gegenüber dem Auswärtigen Amt ursprünglich angedeutet, einen Genehmigungsvorbehalt für den Einsatz von Komponenten gesetzlich regeln zu wollen“, heißt es in dem Vermerk. Informell habe das Innenministerium nun aber mitgeteilt, „dass dieser Ansatz auf Bitten der Leitung gestrichen“ werden soll.

Aus Sicht des Auswärtigen Amts ist es dringend notwendig, einen „politisch-rechtlichen Prüfmechanismus“ gesetzlich zu verankern. Eine technische Überprüfung einzelner 5G-Bauteile, wie sie im Entwurf des neuen Sicherheitskatalogs von Bundesnetzagentur und Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) niedergelegt ist, reiche nicht aus.

„Testlabore können keine Abhilfe schaffen: Konkrete Sicherheitslücken bzw. Softwarefehler sind in der Regel wegen der großen Komplexität der Quellcodes nicht vorab feststellbar“, schreibt das Außenministerium. Die Wahrung eigener Sicherheitsinteressen könne nur durch ein Genehmigungsverfahren erreicht werden, „das auch die politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen einbezieht, welchen ein Ausrüster ausgesetzt ist“.

Das Auswärtige Amt schlägt vor, einen „interministeriellen Ausschuss“ aus Außen-, Innen- und Wirtschaftsministerium mit der Prüfung der 5G-Hersteller zu befassen: „Dies wäre auch in Übereinstimmung mit den Empfehlungen aus der EU-Toolbox“ – gemeint sind die Empfehlungen zur Netzsicherheit, die die EU-Kommission vorgelegt hat.

Die unionsgeführten Ressorts verhindern bisher jedoch, dass die Vertrauensprüfung festgeschrieben wird. Die Abstimmung innerhalb der Regierung kommt nicht voran. „Wir sehen das Risiko, dass die Entscheidung im Bundestag damit in unmittelbare Nähe zum EU-China-Gipfel rutscht“, schreiben die Diplomaten. Sollte es so kommen, würde der Druck auf die Koalitionsabgeordneten zunehmen, von harten Restriktionen abzusehen.

Denn Merkel will mit dem Gipfel während der deutschen EU-Präsidentschaft ihre vierte Amtszeit krönen. Die SPD ist verärgert. Europapolitiker Metin Hakverdi warnt: „Wir dürfen nicht den Eindruck erwecken, dass unsere nationale Sicherheit verhandelbar sei.“ Die Fraktion fordert nun eine „zeitnahe Unterrichtung des Digitalausschusses zu den neuen Erkenntnissen“.

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