PremiumBundeskanzler und Premier beschwören in Kanada ihre Freundschaft, gemeinsame Werte und ihr Zusammenstehen gegen Russland. Sie setzen ein Zeichen – auch an die eigenen Partner.
Justin Trudeau und Olaf Scholz
Der kanadische Premier und der Kanzler am Montag in Montréal.
Bild: IMAGO/ZUMA Press
Montréal, Toronto Die Bilder, die Olaf Scholz und Justin Trudeau gen Moskau senden, sollen keinen Zweifel erkennen lassen. Schon das Setting des gemeinsamen Auftritts von Bundeskanzler und Premierminister zeugt davon, dass sie Stärke vermitteln wollen. Die beiden stehen am Montagmorgen auf einer Empore im Freien, hinter ihnen baut sich die Skyline von Montréal auf. Es ist kein Zufall, dass Scholz nicht nur seinen Vize Robert Habeck mitgebracht hat, sondern Kanada von Sonntag bis Dienstag auch gleich drei Tage besucht. So lange ging noch kein Antrittsbesuch des Kanzlers.
Es ist schwül an diesem Tag im Osten Kanadas, doch Scholz und Trudeau werden nicht müde, ihre Einigkeit zu beschwören. Kanada und Deutschland stünden eng zusammen, macht Scholz klar. Trudeau erwidert und nennt sich und sein Pendant „progressive Leader“. Der Hochpunkt der Einigkeit ist erreicht, als sich Trudeau zu Scholz dreht und sagt: „Die Welt braucht mehr progressive Leader wie Dich.“
Die Botschaft ist eindeutig: Trotz aller Herausforderungen durch Russlands Angriffskrieg in der Ukraine, die Verschiebung der geopolitischen Machtachsen und die Folgen für die Energieversorgung in Deutschland, lässt sich der Westen nicht spalten. Allen voran Kanada und Deutschland nicht. Das ist nicht nur eine Nachricht Richtung Russland, sondern auch an die eigenen Reihen.
Der globale Westen steht zwar einigermaßen stabil da, doch erste solidarische Risse zeigen sich. In Brüssel hatte es um den Sparplan für Gas Diskussionen gegeben, weil manche Mitgliedsstaaten die deutschen Fehler nicht ausbügeln wollen. Gleichzeitig nimmt die Sorge zu, in den USA könnte der Präsident in wenigen Jahren wieder Donald Trump heißen.
Scholz und Trudeau wollen das Gegenstück bilden. Sie versuchen, zu demonstrieren, dass sie die Krise erst recht zusammenschweißt. Dass sie den gleichen Wertekompass mitbringen, politisch stabil dastehen und die gleichen Ziele verfolgen: Innenpolitisch die grüne Transformation der Wirtschaft, außenpolitisch Aufbäumen gegen Russland. Die beiden Regierungschefs inszenieren sich in diesen so schweren Zeiten gewissermaßen als die neuen Taktgeber des globalen Westens.
Das gilt nicht nur politisch, sondern auch wirtschaftlich. Deutschland hat die wirtschaftliche Stärke, Kanada die Rohstoff-Ressourcen und Flächen für erneuerbare Energien. Beide wollen voneinander profitieren. „Das Land verfügt über ähnliche reiche Bodenschätze wie Russland – mit dem Unterschied, dass es eine verlässliche Demokratie ist“, hatte Scholz am Sonntagabend nach der Ankunft in Montréal gesagt.
Der Kanzler hat eine prominent besetzte Wirtschaftsdelegation mitgebracht. VW-Chef Herbert Diess und Mercedes-Vorstand Markus Schäfer wollen am Dienstag Abkommen mit der kanadischen Seite unterzeichnen, wie Scholz ankündigte. Es soll insbesondere um Rohstoffe für E-Auto-Batterien gehen.
Justin Trudeau und Olaf Scholz
Die Staatsoberhäupter Kanadas und Deutschlands betonen die gemeinsamen Werte.
Bild: IMAGO/ZUMA Press
„Den Zusammenhalt mit Kanada gibt es schon lange, nur war er kaum sichtbar“, sagt ein weiterer mitgereister Geschäftsführer, während Scholz am Montagmittag mit der Delegation das „Montréal-Institut Lernender Algorithmen“ besucht. Auch beim Thema Innovationen sieht die Wirtschaft weiteres Potenzial in der Partnerschaft der beiden Länder. Die Reise mache die enge Partnerschaft endlich sichtbar, führt der Unternehmenschef fort: „Das ist ein wichtiges Zeichen, Richtung Russland und generell.“
Letztendes ist es aber auch gerade ein Zeichen in Richtung Kreml. Scholz und Trudeau machten bei ihrem gemeinsamen Auftritt deutlich, dass sie die Ukraine auch auf lange Zeit unterstützen und der russischen Provokation standhalten wollen.
Man lasse sich nicht einmal dann spalten, wenn Russland versucht eine tonnenschwere Turbine dazwischen zu schieben. Es geht um die Turbine für die Pipeline Nord Stream 1. Diese nutzt Moskau als Vorwand, da ist sich der Westen einig, um die Gaslieferungen zu kürzen und Deutschland so unter Druck zu setzen. Die vom deutschen Konzern Siemens Energy gebaute Turbine befand sich zur Wartung in Kanada und konnte aufgrund der dortigen Sanktionen nicht zurückgeliefert werden.
Um Wladimir Putin den Vorwand zu nehmen, ließen sich Trudeau und seine Vizin Chrystia Freeland davon überzeugen, die Turbine trotzdem zurückzuschicken. „Das war eine wichtige Entscheidung. Denn sie hat die Strategie von Putin entlarvt, die darauf zielt, Verbündete zu spalten, darauf zielt, die Unterstützung für die Ukraine zu beeinträchtigen“, sagte Scholz im Beisein von Trudeau. Siemens-Energy-CEO Christian Bruch ist ebenfalls Teil der Wirtschaftsdelegation.
Gerade für Freeland war das keine einfache Aktion. Sie hat ukrainische Wurzeln. Die Ukrainer hatten auf sie eingewirkt, sie wollten die Rücklieferung verhindern. Ihnen wäre es recht, wenn die deutsch-russischen Energiebeziehungen schon früher gekappt würden.
Die Rolle des Tandems Scholz-Trudeau als Vorreiter für die westliche Welt stellt allerdings ein kühnes Ziel da. Kanada und auch Deutschland allein haben im Vergleich zu den Großmächten China und USA längst nicht die selbe ökonomische Stärke. Deutschlands Bruttoinlandsprodukt ist das viertgrößte weltweit, Kanada liegt auf Platz neun. Allein werden sie den globalen Westen wohl nicht zusammenhalten können. Möglicherweise gelingt es ihnen aber, zumindest den Takt dafür vorzugeben.
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