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28.06.2022

16:27

Analyse

Signale der Einigkeit: Scholz erreicht seine wichtigsten Ziele in Elmau

Von: Martin Greive

Der G7-Gipfel hätte für den Kanzler kaum besser laufen können. Von Elmau ging die erhoffte Geschlossenheit gegenüber Putin aus. Doch klar wird auch: Den Takt geben die USA vor.

Der Kanzler zeigt sich am Ende des G7-Treffens sichtlich zufrieden. AP

Bundeskanzler Olaf Scholz in Elmau

Der Kanzler zeigt sich am Ende des G7-Treffens sichtlich zufrieden.

Garmisch-Partenkirchen Die lange Holzbank also wieder. Schon 2015 hatte sie es zu einiger Berühmtheit gebracht, als ein Foto um die Welt ging, wie Angela Merkel mit ausgebreiteten Armen einem lässig auf dieser Bank sitzenden Barack Obama vermeintlich die Welt erklärt.

Vor dieser Bank also bauen sich die Staats- und Regierungschefs der G7-Staaten sieben Jahre später auf Schloss Elmau erneut zum Gruppenfoto auf.

Als Mario Draghi etwas unschlüssig umherläuft und Boris Johnson etwas zu lang mit den Fotografen scherzt, ruft der Gipfel-Gastgeber zur Ordnung. „Kommt einfach her“, bescheidet Olaf Scholz seinen Kollegen. Jawohl. Johnson legt seinen Arm auf die Schulter des Kanzlers, der Kanadier Justin Trudeau legt seine Arme gleich um Johnson und den japanischen Premier. Klick. Es wird das Bild dieses G7-Gipfels sein.

Das Bild aus Elmau ging um die Welt. IMAGO/ZUMA Wire

Gute Stimmung bei den G7

Das Bild aus Elmau ging um die Welt.

Auch wenn die Szenerie vor der malerischen Bergkulisse in Elmau dieselbe ist wie vor sieben Jahren, ist bei diesem Gipfel doch alles anders als 2015. Von einer Zeitenwende, von einem Epochenbruch ist die Rede, seit Russland die Ukraine am 24. Februar überfallen hat. Die malerische Bergkulisse, das Posieren im Alpenglühen steht dieses Mal im völligen Kontrast zum Ernst der Lage.

Der Krieg ist nach Europa zurückgekommen, und die Ukraine und die Folgen des Krieges dominieren den Gipfel der sieben führenden westlichen Industriestaaten. Und während der dreitätigen Sitzung werden die Teilnehmer von den Ereignissen in der Ukraine getrieben.

Am zweiten Tag des Gipfels unterbrechen die Staats- und Regierungschefs ihre streng durchgetaktete Sitzung, als sie vom Raketenangriff Russlands auf ein Einkaufzentrum in Krementschuk erfahren, in dem sich zu diesem Zeitpunkt 1000 Menschen aufhielten. Am Abend wird die G7 den Angriff Putins als „Kriegsverbrechen“ verurteilen.

Westen zeigt sich geschlossen gegenüber Russland und den anderen Autokratien der Welt

Doch trotz der bedrückenden Lage hätte der Gipfel für den G7-Gastgeber, für Bundeskanzler Olaf Scholz, kaum besser laufen können. Von Elmau ging das erhoffte Signal der Ge -und Entschlossenheit des Westens gegenüber Russland und den anderen Autokratien der Welt aus.

Scholz holte sich vom US-Präsidenten Joe Biden persönlich großes Lob für seine Arbeit ab. Und die großen Gipfel-Proteste – Scholz ist da ja G20-leidgeprüft – blieben auch aus. Selbst das Wetter spielte trotz trüber Prognosen größtenteils mit.

Doch eines wurde auf dem G7-Gipfel auch wieder deutlich: wie sehr die USA doch den Takt vorgeben.

Viel war vor dem Gipfel am angeblich zu zögerlichen Kurs des Kanzlers herumkritisiert worden. Scholz stand daher in Elmau unter besonders verschärfter Beobachtung. Es war nicht nur sein erster Gipfel als Gastgeber. Der Kanzler musste in Elmau auch zeigen, dass er nicht nur moderieren, sondern auch führen, seine Ideen durchsetzen kann.

Weitestgehend ist Scholz das gelungen, zumindest hat der Kanzler seine wichtigsten Ziele in Elmau erreicht. „Mit unseren Beschlüssen demonstrieren wir die große Kraft demokratischer Bündnisse“, zeigte sich Scholz am Ende des Gipfels zufrieden.

G7 sichert der Ukraine umfassende Hilfe zu

So sicherte die G7 dem am Montag per Video zugeschalteten ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski ihre militärische, humanitäre und finanzielle Hilfe zu, solange der Krieg andauert. Und für die Zeit nach dem Krieg will Scholz gemeinsam mit der EU eine Wiederaufbau-Konferenz für das Land organisieren.

Die G7 unterstützt auch den von Scholz vorgeschlagenen Klimaclub, in dem die Staaten ihre Klimapolitik koordinieren sollen und der bis Ende des Jahres stehen soll. Daneben stellte die Siebenergruppe viele neue Milliarden im Kampf gegen den Hunger und für Infrastrukturprojekte in Entwicklungs- und Schwellenländern ins Schaufenster.

Die sieben größten westlichen Wirtschaftsnationen sendeten aber nicht nur ein Zeichen nach Moskau, sondern auch nach China, das mehrmals in der G7-Abschlusserklärung erwähnt wird. „Wir sind sehr besorgt über die Menschenrechtslage in China“, heißt es etwa unter anderem. Dass die G7 zudem Produkte, die mit Zwangsarbeit hergestellt wurden, von den globalen Lieferketten ausschließen will, habe es so auch noch nicht gegeben und sei ebenfalls an die Adresse Chinas gerichtet, hieß es.

Die Signale, die von Elmau ausgehen, sind vielleicht ohnehin wichtiger als konkrete Beschlüsse. Treffen wie diese dienen gerade in diesen Zeiten auch zur Selbstvergewisserung der eigenen Stärke. Und besonders Scholz kann aus Elmau neue Kraft schöpfen, auch wenn nicht alles glatt lief.

Biden lobt Scholz – und stiehlt ihm die Show

Kurz vor Beginn des Gipfels trifft sich Scholz mit Biden. Ein geschickter Schachzug, wie sich herausstellen soll. Scholz habe einen „großartigen Job gemacht“, lobt Biden den Kanzler und legt kumpelhaft seine Hand auf den Unterarm des Kanzlers. Es sei zu einem großen Teil Verdienst des Bundeskanzlers, dass alle Verbündeten geschlossen auf die russische Aggression gegen die Ukraine reagiert hätten.

Dass in der US-Regierung durchaus Zweifel bestehen, wie ernst es Scholz mit der von ihm ausgerufenen Zeitenwende meint, schimmert kurz durch, als Biden seinen lobenden Worten ein „ernsthaft“ hinterherschiebt.

So, als hätte jemand reingerufen, das stimme doch alles gar nicht. Doch das geht im Rest der Lobeshymne Bidens auf den deutschen Kanzler unter. „Danke, danke“, sagt Scholz in seinem typischen Scholz-Schmunzeln.

Der US-Präsident hat damit dem Gastgeber die Bühne für drei große Gipfeltage bereitet. Allerdings stiehlt Biden auf dem Gipfel Scholz später auch immer wieder die Show. So werden die wichtigsten Beschlüsse auf dem Gipfel nicht von deutscher, sondern amerikanischer Seite kommuniziert.

Amerikaner geben den Ton an

Schon kurz vor Beginn des Gipfels kündigte die US-Regierung an, eine Preisobergrenze für russische Ölkonzerne auf dem G7-Gipfel beschließen zu wollen. Dem konnte sich die G7 trotz der Skepsis in einigen Ländern nicht mehr entziehen.

Ebenso drangen die Amerikaner auf neue Sanktionen gegen russische Gold-Exporte. Am Abend des ersten Tages präzisierte dann US-Präsident Biden die Pläne für das Investitionsprogramm.

Das wichtigste Ergebnis: Der Westen geht geschlossen vor. dpa

G7-Runde auf Schloss Elmau

Das wichtigste Ergebnis: Der Westen geht geschlossen vor.

Ähnlich lief es beim Thema Waffenlieferungen. Als Scholz auf der Abschlusspressekonferenz gefragt wird, ob er konkretisieren könne, welche Sicherheitsgarantien die G7 der Ukraine gegeben habe, um sich selbst zu verteidigen, antwortet der Kanzler: „Ja, könnt‘ ich.“ Pause. „Das war‘s.“

Mehr will Scholz nicht sagen. Scholz bleibt sich treu und bleibt schweigsam. Die USA dagegen haben am Rande des G7-Gipfels bekannt gegeben, der Ukraine ein neues Luftabwehrsystem liefern zu wollen.

Ohne die dauerpräsente bayerische Folklore hätte man fast den Eindruck gewinnen können, Biden und nicht Scholz wäre der Gastgeber des Gipfels. Scholz wies diese Kritik zurück. „Wir haben alle Beschlüsse gemeinsam kommuniziert“, sagt er.

„Es ist großes Vertrauen untereinander entstanden“

Scholz werden diese Feinheiten am Ende wohl egal sein. Entscheidend ist für ihn, welches Bild aus Elmau in die Welt transportiert wird: das eines entschlossenen und geeinten Westens. Mit ihm als Gastgeber.

Er glaube, dass diese Gipfeltreffen unverändert von größter, größter Bedeutung seien, sagt der SPD-Politiker am Ende des Gipfels noch. „Es ist großes Vertrauen untereinander entstanden und es wird uns für die nächste Zeit sehr helfen.“ Allen sei klar, „dass es kein Zurück geben kann und wird zu der Zeit vor diesem Krieg. „Vor uns liegt eine Zeit der Unsicherheit.“

Dass eine neue Zeit angebrochen ist, symbolisiert übrigens auch die Holzbank in Elmau, vor der die G7-Spitzen ihr Gruppenfoto schossen. Die alte Bank war morsch, sie wurde seit dem Gipfel 2015 durch eine neue ersetzt.

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