Am Donnerstag soll der Bundestag die Brückenteilzeit beschließen. Die Wirtschaft kann das Gesetz nicht verhindern, Einfluss nehmen will sie trotzdem.
Berlin Auf den letzten Metern des Gesetzgebungsverfahren fordert die Wirtschaft noch Korrekturen an der von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) geplanten Brückenteilzeit. Bei der Anhörung im Bundestagsausschuss für Arbeit und Soziales warnten die Verbände am Montag vor einer Überforderung der Unternehmen, wenn das Gesetz nicht noch nachgebessert werde.
Die geplante Brückenteilzeit sieht vor, dass Beschäftigte für mindestens ein Jahr und maximal fünf Jahre ihre Arbeitszeit reduzieren und danach zum ursprünglichen Volumen zurückkehren können. Die Regelung greift aber nur in Unternehmen mit mehr als 45 Beschäftigten.
In Firmen mit bis zu 200 Arbeitnehmern darf zudem nur einer von jeweils 15 Mitarbeitern die Brückenteilzeit in Anspruch nehmen, um die Unternehmen vor Überforderung zu schützen. Das Gesetz soll am kommenden Donnerstag in abschließender Lesung vom Bundestag beraten werden.
Die Wirtschaft fordert vor allem noch Korrekturen an den Schwellenwerten. So monieren der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) und der Handelsverband Deutschland (HDE), dass die Regierung die Interessen von Unternehmen mit vielen Filialen nicht berücksichtige.
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Denn der Gesetzestext orientiert sich bei der Definition der relevanten Firmengrößen am weiten Unternehmensbegriff und nicht an den enger gefassten Begriffen Betrieb oder Filiale. „So steht beispielsweise ein Bäckereibetrieb mit mehr als 45 Beschäftigten, verteilt auf Produktion und mehrere Filialen mit je fünf bis sechs Mitarbeitern, sehr schnell vor einem Problem, wenn ein Beschäftigter seine Arbeitszeit befristet reduzieren möchte“, moniert auch die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) in ihrer Stellungnahme.
Der Bundestag berät am Freitag erstmals über das gesetzliche Rückkehrrecht vom Teilzeit- auf den Vollzeitjob. Die Wirtschaft hat daran viel auszusetzen.
Dass Kollegen aus anderen Filialen einspringen, sei wegen der oft großen räumlichen Entfernung unrealistisch, selbst wenn das Unternehmen als Ganzes die relevanten Schwellenwerte erfülle, schreibt der HDE. Darüber hinaus fordert die Wirtschaft, dass die Berechnung der zu berücksichtigenden Arbeitnehmer nicht pro Kopf, sondern abhängig von ihrer Arbeitszeit anteilig erfolgen sollte. Denn für ein Unternehmen mit vielen Teilzeitkräften wird es noch schwerer, die Vertretung für Mitarbeiter in Brückenteilzeit zu organisieren.
Auch sollten bei den Schwellenwerten Beschäftigte berücksichtigt werden, die schon gesetzliche Teilzeitansprüche wie Elternzeit oder Familienpflegezeit in Anspruch nehmen, fordert die BDA: „Denn alle Teilzeitansprüche führen zu demselben organisatorischen Mehraufwand für Arbeitgeber“, heißt es in ihrer Stellungnahme für die Ausschussanhörung.
Besonders kritisch sehen die Arbeitgeber und ihnen nahestehende Juristen, dass die neue Brückenteilzeit nicht auf sachliche Gründe wie die Betreuung von Kindern oder pflegebedürftigen Angehörigen begrenzt ist. „Wer seine Mutter pflegen will, wird genauso gestellt wie der, der sein Golf-Handicap verbessern will“, kritisiert der Direktor des Instituts für Arbeitsrecht und Recht der sozialen Sicherheit der Universität Bonn, Gregor Thüsing.
Wenn ein Arbeitsvertrag geschlossen sei, dann gelte: Pacta sunt servanda. „Und wo das nicht der Fall sein soll, braucht es dafür hinreichend gewichtige Gründe“, schreibt Thüsing.
Für das Rückkehrrecht von Teil- in Vollzeit steht wohl eine Einigung in der Regierung bevor – inklusive der kritisierten Beweislastumkehr.
Vor allem über die Schwellenwerte hatte es schon in der letzten Legislaturperiode heftigen Streit zwischen Union und SPD gegeben. Heils Amtsvorgängerin Andrea Nahles (SPD) wollte das von ihr angestoßene Gesetz ursprünglich schon in Unternehmen mit mehr als 15 Beschäftigten angewendet sehen. Der Wirtschaftsflügel der Union und die Arbeitgeber hatten sich für deutlich höhere Werte stark gemacht.
Weil hier keine Einigung erzielt wurde, hatte es die Brückenteilzeit in der vergangenen Legislaturperiode nicht mehr ins Gesetzbuch geschafft. Um neuen Streit zu vermeiden, hatten sich Union und SPD in den Koalitionsverhandlungen dann aber auf Schwellenwerte geeinigt und diese auch in ihren Koalitionsvertrag geschrieben.
Entsprechend harsch kritisierte jetzt der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) die Versuche der Wirtschaft, im Gesetzgebungsverfahren daran noch zu rütteln. „Die Vorschläge des Regierungsentwurfs überfordern die Wirtschaft in keiner Weise“, sagte DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach.
Sollten sich die Arbeitgeber mit ihren Korrekturforderungen durchsetzen, „bliebe ein wirkungsloses Regelungswerk übrig“. Der Gewerkschaftsbund würde die Schwellenwerte am liebsten ganz aus dem Gesetz gestrichen sehen.
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