Impfstopp, nur an über 60-Jährige, nur an unter 65-Jährige: Kein Impfstoff hat so sehr für Verwirrung gesorgt wie das Mittel von AstraZeneca. Ein Überblick.
Die europäische Arzneimittelbehörde EMA, die Weltgesundheitsorganisation und die Zulassungsbehörden in Großbritannien haben entschieden: Der Nutzen von AstraZeneca überwiegt deutlich zu den Risiken.
Zwar gehe man davon aus, dass Hirnvenenthrombosen als Nebenwirkungen der Impfung auftreten könnten. Doch diese Nebenwirkung sei sehr selten. Die Ema rechnet mit etwa einen Fall pro 100.000 Impfungen.
In Deutschland wird AstraZeneca nur noch bei Personen ab 60 Jahren eingesetzt, das hat der Beschluss der Gesundheitsminister von Bund und Ländern ergeben.
Zuvor hatte die Ständige Impfkommission (Stiko) eine solche Altersbeschränkung für AstraZeneca empfohlen. Hintergrund sind Fälle von Blutgerinnseln (Thrombosen) in Hirnvenen im zeitlichen Zusammenhang mit Impfungen.
Nach Angaben des für Impfstoffe zuständigen Paul-Ehrlich-Instituts wurde bei „sehr wenigen Geimpften” überwiegend im Alter unter 55 Jahren nach der Impfung mit AstraZeneca „eine sehr seltene Form” einer Thrombose beobachtet. Es geht vor allem um sogenannte Hirnvenenthrombosen – in Verbindung mit einem Mangel an Blutplättchen (Thrombozytopenie).
Dies sei unter Geimpften häufiger aufgetreten, „als es zahlenmäßig aufgrund der Seltenheit dieser Gerinnungsstörung ohne Impfung zu erwarten wäre”, sagte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn der Nachrichtenagentur dpa. Das Institut sagt aber auch, es gebe derzeit „keinen Nachweis, dass das Auftreten dieser Gerinnungsstörungen „durch den Impfstoff” verursacht worden sei.
In Deutschland gab es 31 Verdachtsfälle. In 19 Fällen wurde zusätzlich eine Thrombozytopenie gemeldet. In neun Fällen war der Ausgang tödlich.
In Großbritannien sind nach Angaben der Arzneimittelbehörde MHRA bislang 79 Fälle von seltenen Blutgerinnseln nach Impfungen mit dem Astra-Zeneca-Impfstoff aufgetreten. Dabei kam es zu 19 Todesfällen. Die meisten dieser Fälle betrafen junge Menschen. Ein direkter Zusammenhang mit dem Impfstoff konnte laut Impfkommission zwar noch nicht nachgewiesen werden. Aber angesichts des geringeren Risikos für jüngere Menschen an Covid-19 zu sterben, habe man diese Abwägung getroffen, hieß es.
Hierzulande sind mehr als 2,8 Millionen Menschen mindestens einmal mit AstraZeneca geimpft. Insgesamt haben fast zehn Millionen Menschen im Land bisher eine Erstimpfung erhalten. Mehr als vier Millionen sind zweimal geimpft.
Die neue Omikron-Subvariante BA.5 könnte für eine neue Corona-Welle im Sommer sorgen. Experten raten weiterhin zur Impfung. Doch wie hoch ist die Impfquote hierzulande mittlerweile?
Da die AstraZeneca-Impfung in Deutschland im Februar begonnen hat und zwölf Wochen Abstand zur zweiten Dosis empfohlen werden, steht für die meisten der zweite Piks erst ab Mai im Kalender.
Die Stiko empfiehlt, dass Jüngere bei der zweiten Impfung ein anderes Mittel erhalten sollen, etwa von Biontech oder Moderna. Die offzielle Empfehlung der Stiko können Sie nachlesen.
Zwar gebe es noch keine wissenschaftlichen Erkenntnisse zu Impfungen mit verschiedenen Mitteln. Jedoch werde „eine Dosis eines mRNA-Impfstoffs 12 Wochen nach der Erstimpfung" empfohlen, bis entsprechende Daten vorlägen. Zu dieser Klasse von Impfstoffen gehören die von Biontech und Moderna.
Das AstraZeneca-Mittel ist ein sogenannter Vektorimpfstoff, der auf Erkältungsviren von Affen basiert. Er kann bei normalen Kühlschrank-Temperaturen gelagert und transportiert werden, während die mRNA-Impfstoffe von Biontech und Moderna tiefgekühlt gelagert werden müssen.
Das Handelsblatt hatte über interne Berechnungen einer Bundesbehörde im Geschäftsbereich des Gesundheitsministeriums berichtet. Dabei wurde die Wirksamkeit des Impfstoffs von AstraZeneca für die Altersklasse 65 Jahre und älter auf Grundlage der vorläufigen Studiendaten des Pharmakonzerns nur auf acht Prozent beziffert.
Die Ständige Impfkommission sah damals noch keine Grundlage dafür, den Einsatz des Impfstoffs von AstraZeneca auch für die Gruppe der über 65-Jährigen zu empfehlen. Das geht aus einem 88-seitigen Beschlussentwurf des beim Robert Koch-Institut (RKI) angesiedelten Gremiums hervor, der auf den 26. Januar datiert ist.
Wörtlich heißt es in dem Papier: „Der Covid-19-Vaccine AstraZeneca wird aktuell aufgrund der derzeit verfügbaren Daten nur für Personen im Alter von 18 bis 64 Jahren empfohlen.“ Der Impfstoff wurde aber kurz darauf von der Ema zugelassen. Erst als Anfang März Fälle von seltenen Gerinnseln bei Frauen unter 60 gemeldet wurden, kam es zu einem vorläufigen Stopp der Impfungen.
Mittlerweile gibt es mehr Praxisfälle darüber, wie der Impfstoff wirkt, als noch im Januar. So zeigten etwa im Februar 2021 Beobachtungsstudien in Israel und Schottland, dass das von AstraZeneca und der Oxford-Universität entwickelte Vakzin das Risiko für schwere Covid-Erkrankungen stark reduziert. Gemessen wurde das anhand der Covid-bedingten Krankenhausbehandlungen. Für den Impfstoff von AstraZeneca wurde dabei ein Wirkungsgrad von 94 Prozent beobachtet.
In die Beobachtungsstudie der schottischen nationalen Gesundheitsbehörde und der Universität Edinburgh wurden die Gesundheitsdaten von rund 5,4 Millionen schottischen Bürgern einbezogen, wovon gut 1,1 Millionen im Zeitraum von 8. Dezember bis 15. Februar geimpft wurden.
Gemessen wurden die genannten Wirksamkeitsgrade jeweils 28 bis 34 Tage nach Verabreichung der ersten Impfdosis. Ziel war es dabei, insbesondere auch Indikatoren für den Erfolg der britischen Impfpraxis zu ermitteln. Dabei werden größere Abstände zwischen Erst- und Zweitimpfung in Kauf genommen als die eigentlich vorgesehenen drei bis vier Wochen.
Auch Studiendaten aus den USA, Chile und Peru, die Ende März veröffentlicht wurden, zeigen eine hohe Wirkung des Impfstoffs. Demnach schützt der Corona-Impfstoff nach der breit angelegten Studie zu 79 Prozent vor einer symptomatischen Covid-19-Erkrankung. Zugleich zeigt er eine hundertprozentige Wirkung gegen eine schwere Erkrankung, die einen Krankenhausaufenthalt erforderlich macht.
Die Studie hat insgesamt fast 32.500 Teilnehmer eingeschlossen, von denen zwei Drittel mit dem Vakzin geimpft worden sind und ein Drittel ein Placebo erhalten hat. Insgesamt gab es nach Angaben von AstraZeneca 141 symptomatische Covid-19-Fälle. In der Altersgruppe der über 65-Jährigen schützte das Vakzin zu 80 Prozent, heißt es in der Mitteilung von AstraZeneca.
Die speziell in Amerika aufgesetzte Studie zum gemeinsam von der Oxford University und AstraZeneca entwickelten Impfstoff war notwendig geworden, damit der Pharmakonzern eine Notfallzulassung bei der US-Zulassungsbehörde FDA beantragen kann. Der Impfstoff von AstraZeneca wurde inzwischen in mehr als 70 Ländern genehmigt. Die für die Zulassung in Europa herangezogenen Studien hatten eine Wirksamkeit des Vakzins von rund 60 Prozent ergeben.
Großbritannien hatte den Impfstoff von AstraZeneca Ende Dezember per Notfallgenehmigung zugelassen. Seitdem wird der Impfstoff hier breit verimpft. Großbritannien ist mit einer Impfquote von 44,9 Prozent führend in Europa. Zum Vergleich: Deutschland liegt bei 10,9 Prozent (Stand 29. März 2021). Bei der Ema hat der Impfstoff ein reguläres Zulassungsverfahren durchlaufen und ist erst seit Anfang Februar auf dem deutschen Markt.
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