Nach der Selbstkritik von Bundespräsident Steinmeier am Umgang mit Russland fordert der CDU-Chef weitere Aufklärung – und spricht sich für eine Enquetekommission aus.
Friedrich Merz
Der Unionsfraktionschef unterstützt die Forderung nach Einsetzung einer Enquetekommission zur Aufarbeitung der deutschen Russlandpolitik.
Bild: dpa
Berlin Der Vorsitzende der CDU, Friedrich Merz, hat mit Blick auf die deutsche Russlandpolitik der vergangenen Jahre Vorwürfe gegen die SPD erhoben. Wenn eine Enquetekommission zur Aufarbeitung eingesetzt werden sollte, „dann wird sie vermutlich aufdecken, dass die Verstrickungen der SPD viel tiefer sind als die, die wir bis heute wissen“, sagte Merz im Deutschlandfunk.
Der SPD-Außenpolitiker Ralf Stegner wies das als abenteuerlich zurück. „Herr Merz tut so, als hätte es eine Kumpanei mit Russland gegeben und vergisst dabei, dass Angela Merkel als Kanzlerin die Hauptverantwortung für die Russlandpolitik getragen hat“, sagte er dem Handelsblatt. „Wenn er jetzt einseitig Fehler bei der SPD sucht, dann ist das unterste Schublade und zeigt, dass ihm jegliches Regierungsformat fehlt.“
Der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Johann Wadephul, hatte sich nach den schweren Vorwürfen des ukrainischen Botschafters Andrij Melnyk gegen Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier für eine Enquetekommission ausgesprochen.
Melnyk hatte dem deutschen Staatsoberhaupt eine höchst bedenkliche politische Nähe zu Russland vorgeworfen: „Für Steinmeier war und bleibt das Verhältnis zu Russland etwas Fundamentales, ja Heiliges, egal, was geschieht“, sagte Melnyk dem „Tagesspiegel“.
Merz sagte, er „unterstütze alle Forderungen, die mehr Licht in dieses Dunkel bringen“. Dabei müsse geklärt werden, warum diese Russlandpolitik über die vielen Jahre gemacht worden sei und was dabei für Abhängigkeiten entstanden seien.
Auch der FDP-Parlamentsgeschäftsführer Johannes Vogel forderte eine Aufarbeitung der früheren Russlandpolitik. Der Bundestag solle „analysieren, wie und warum in den vergangenen Jahren von Vorgängerregierungen eine solch fehlgeleitete und energiepolitisch naive Russlandpolitik gemacht werden konnte“, sagte er der Zeitung „Neue Westfälische“.
Stegner lehnt die Einsetzung einer Kommission zur Aufarbeitung der deutschen Russland-Politik ab. „Ich weiß nicht, was das bringen soll. Das klingt so, als ob wir geheime Verbindungen aufzuklären hätten. Das ist doch absurd“, sagte er. „Damit soll nach dem alten Strauß-Motto ‚Alle Wege führen nach Moskau‘ die SPD diskreditiert werden.“
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Mit Blick auf die Energieabhängigkeit und den Zustand der Bundeswehr fügte Stegner hinzu, natürlich müssten offenkundige Fehler korrigiert werden. „Dazu braucht man aber keinen Aufklärungsausschuss, sondern das liegt auf der Hand.“ Er vermisse, dass sich die Union hier zur „gemeinsamen Verantwortung“ bekenne. „Die Russlandpolitik ist ja keine sozialdemokratische Spezialität, sondern wir haben das zusammen als richtig empfunden.“
Merz begrüßte es, dass Steinmeier Fehleinschätzungen in seiner Russlandpolitik eingeräumt hat, sieht zugleich aber weiteren Aufklärungsbedarf. „Ich habe großen Respekt vor dem, was Frank-Walter Steinmeier begonnen hat zu tun.“ Allerdings sollte das nicht das letzte Wort von ihm sein, fügte der CDU-Chef hinzu. „Er wird das mehr erläutern, intensiver diskutieren müssen.“
Steinmeier hatte am Montag auch mit Blick auf seine Zeit als Außenminister in den Jahren 2005 bis 2009 und 2013 bis 2017 erklärt, die Verantwortung für den Ukrainekrieg liege bei Russlands Präsident Wladimir Putin. „Das heißt aber nicht, dass wir nicht einiges zu überdenken haben, wo es unsererseits Fehler gegeben hat.“
Konkret räumte Steinmeier ein, dass sein Festhalten an der Gaspipeline Nord Stream 2 „eindeutig ein Fehler“ gewesen sei. „Wir haben an Brücken festgehalten, an die Russland nicht mehr geglaubt hat und vor denen unsere Partner uns gewarnt haben“, sagte er. „Wir sind gescheitert mit der Errichtung eines gemeinsamen europäischen Hauses, in das Russland einbezogen wird.“
Im ZDF-„Morgenmagazin“ wiederholte er am Dienstag diese Einschätzung. „Das ist eine bittere Bilanz, vor der wir stehen“, sagte er. „Zu dieser bitteren Bilanz gehört auch die Fehleinschätzung, dass wir und auch ich gedacht haben, dass auch ein Putin des Jahres 2022 am Ende nicht den totalen politischen, wirtschaftlichen, moralischen Ruin des Landes hinnehmen würde für seine imperialen Träume oder seinen imperialen Wahn.“
Merz ließ offen, ob nun auch die ehemalige Kanzlerin Angela Merkel (CDU), die Deutschland 16 Jahre lang regiert hat, ähnliche Selbstkritik zeigen sollte. „Diejenigen, die im politischen Ruhestand sind, müssen das mit sich selbst ausmachen. Ich werde dazu öffentlich nicht auffordern“, sagte er.
Merkel plant derzeit keine weiteren öffentlichen Äußerungen zu ihrer Russlandpolitik. Die bisherigen schriftlichen Stellungnahmen Merkels in diesem Zusammenhang „haben unverändert Gültigkeit. Deshalb ist eine darüber hinausgehende öffentliche Äußerung der Bundeskanzlerin a.D. derzeit nicht geplant“, erklärte eine Sprecherin Merkels auf Anfrage der Nachrichtenagentur dpa.
Merkel hatte den russischen Angriff auf die Ukraine am 25. Februar in einer schriftlichen Erklärung scharf verurteilt und sich hinter die Bemühungen ihres SPD-Nachfolgers Olaf Scholz gestellt, Putin zu stoppen. „Dieser Angriffskrieg Russlands markiert eine tiefgreifende Zäsur in der Geschichte Europas nach dem Ende des Kalten Krieges“, erklärte Merkel. „Für diesen eklatanten Bruch des Völkerrechts gibt es keinerlei Rechtfertigung, ich verurteile ihn auf das Schärfste.“
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