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21.03.2023

11:07

Außenpolitik

Wie die Bundesforschungsministerin in Taiwan einen Eklat vermeiden will

Von: Barbara Gillmann, Sabine Gusbeth, Dana Heide, Martin Kölling

Die FDP-Politikerin stellt bei ihrem Taiwan-Besuch die Forschungskooperation in den Vordergrund. Das Land ist für die Hightech-Lieferketten wichtig. China protestiert.

Die Ministerin hält sich seit Dienstag als erstes Mitglied einer Bundesregierung seit mehr als einem Vierteljahrhundert in dem Land auf. dpa

Bettina Stark-Watzinger in Taiwan

Die Ministerin hält sich seit Dienstag als erstes Mitglied einer Bundesregierung seit mehr als einem Vierteljahrhundert in dem Land auf.

Berlin, Peking, Taipeh Der erste Besuch eines deutschen Regierungsmitglieds in Taiwan nach 26 Jahren beginnt erstaunlich unspektakulär. Als Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) am Dienstag mit dem Linienflieger in Taipeh landet, erwartet sie kein roter Teppich; statt mit einer Limousine werden sie und ihre kleine Delegation in einem bunten Bus mit eingebauter Karaoke-Anlage abgeholt.

Die zurückhaltende Begrüßung passt zum gesamten Ton der Reise. Das Bundesforschungsministerium hatte den Termin nicht bekannt gegeben, auch das Programm wurde bis kurz vor Beginn unter Verschluss gehalten.

Immer wieder betont Stark-Watzinger in Taiwan, dass es ihr „um den fachlichen Austausch“ gehe. Das sei Sinn und Zweck dieser Reise, sagt sie den mitreisenden Journalisten.

Grund für die ungewöhnliche Zurückhaltung ist die Furcht vor einer heftigen Reaktion aus Peking. Die chinesische Staatsführung betrachtet Taiwan als Teil ihres Territoriums, obwohl das Land nie zur 1949 gegründeten Volksrepublik gehört hat und über eine eigene, demokratisch gewählte Regierung und eigene Gesetze verfügt.

Die meisten Staaten der Welt, darunter auch die Bundesrepublik, erkennen diesen territorialen Besitzanspruch zwar nicht an, verzichten im Rahmen ihrer „Ein-China-Politik“ zugunsten diplomatischer Beziehungen zu Peking aber auf offizielle diplomatische Beziehungen zu Taipeh.

Die chinesische Staatsführung hat in den vergangenen Jahren immer dünnhäutiger auf vermeintliche Zeichen reagiert, dass Staaten wie Deutschland oder die USA von dieser Praxis abrücken.

Anders als beim Besuch der damaligen Vorsitzenden des US-Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, im vergangenen August kam es aber beim Besuch von Stark-Watzinger wie erwartet nicht zu militärischen Manövern rund um die Insel.

Das chinesische Außenministerium kritisierte am Dienstag zwar die Reise Stark-Watzingers nach Taiwan als „schlechtes Verhalten“, ohne die Ministerin dabei namentlich zu nennen. China habe offiziell Protest auf deutscher Seite eingelegt und seine Unzufriedenheit zum Ausdruck gebracht, hieß es.

Bilaterale Beziehungen

China protestiert gegen Stark-Watzingers Besuch in Taiwan

Bilaterale Beziehungen: China protestiert gegen Stark-Watzingers Besuch in Taiwan

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Man fordere Deutschland auf, sich an das „Ein-China-Prinzip“ zu halten und die Zusammenarbeit „mit den separatistischen Kräften“ in Taiwan sofort einzustellen. Allerdings fiel die Reaktion damit vergleichsweise gemäßigt aus. In den chinesischen Staatsmedien wurde der Besuch gar nicht erst thematisiert.

Für die Zurückhaltung gibt es zwei Erklärungen: Zum einen eignet sich Deutschland anders als etwa die USA nicht als Zielobjekt chinesischer Nationalisten. Zum anderen ist Peking derzeit um eine Verbesserung der angeschlagenen Beziehungen mit Berlin bemüht.

Bundesregierung spricht von reinem Arbeitsbesuch

Aber auch die deutsche Seite bemühte sich, jeden Zweifel zu zerstreuen, dass es sich bei der Reise von Stark-Watzinger um irgendetwas anderes als einen Arbeitsbesuch handelt.

Nach dem unspektakulären Empfang am Flughafen hält der Delegationsbus an einer Bushaltestelle vor dem nationalen Wissenschafts- und Technologierat. Noch auf dem Bürgersteig begrüßt Taiwans Minister für Wissenschaft und Technologie Wu Tsung-Tsong die Bundesforschungsministerin.

Wenig später unterzeichnen nicht etwa er und Stark-Watzinger ein Abkommen über wissenschaftliche und technologische Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Taiwan – sondern die ständigen Repräsentanten beider Länder. Ein weiteres Zeichen für die besonderen Beziehungen mit Taiwan. Es ist mir eine große Ehre, bei diesem historischen Ereignis sprechen zu dürfen“, sagt Wu.

Das Abkommen sei die Grundlage für die künftige Zusammenarbeit vor allem in vier Bereichen, heißt es von deutscher Seite: bei Halbleitern, Elektroautobatterien, der Wasserstoffproduktion und der Künstlichen Intelligenz. „Das bedeutet, dass wir gemeinsam Werte für unsere Länder schaffen“, erklärt Stark-Watzinger. „Taiwan ist mit seinen exzellenten Forschungseinrichtungen ein hoch angesehener Partner.“

Taiwan nutzt seine technologische Überlegenheit in vielen Bereichen geschickt, um sich unverzichtbar zu machen für internationale Partner. Damit will das kleine Land den Preis für die chinesische Staatsführung hochtreiben, sich die Insel eines Tages – wie mehrfach angekündigt – gewaltsam einzuverleiben.

Der taiwanesische Wissenschaftsminister und die Bundesforschungsministerin bei ihrem Treffen in Taipeh. Reuters

Tsung-Tsong Wu und Bettina Stark-Watzinger

Der taiwanesische Wissenschaftsminister und die Bundesforschungsministerin bei ihrem Treffen in Taipeh.

Die Kooperationsfelder sind mit Bedacht gewählt. Im vergangenen Jahr hatte Minister Wu Deutschland besucht und damit den Grundstein für die jetzige Reise und die Absichtserklärung gelegt. Es folgten Expertenreisen nach Taiwan, um Kooperationsprojekte zu identifizieren.

In allen vier Bereichen gehört die kleine Insel von der Größe der Schweiz mit ihren 24 Millionen Einwohnern zur Weltspitze. Mit dem weltgrößten Auftragsfertiger für Computerchips, TSMC, ist Taiwans Halbleiterindustrie ein nahezu unverzichtbarer Teil der globalen Hightech-Lieferkette.

Lob und Kritik kam daher von der Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI): „Taiwan ist Weltmarktführer bei der Herstellung von Mikrochips und allein deshalb für das ,Chipentwicklungsland‘ Deutschland ein wichtiger Kooperationspartner – und zwar nicht nur als Produzent und Zulieferer, sondern auch als Forschungspartner“, sagte der EFI-Vorsitzende Uwe Cantner dem Handelsblatt. Die EFI berät die Bundesregierung in allen Fragen der Innovation.

Experten plädieren für enge Kooperation mit Taiwan

Eine engere Kooperation mit Taiwan könne helfen, dass sich Deutschland generell, und besonders bei digitalen Technologien und auch Rohstoffen, „aus seiner ausgeprägten Abhängigkeit von China befreien kann“, so Cantner.

Die Expertenkommission hatte mehrfach betont, wie wichtig eine Diversifizierung nicht nur im Handel, sondern auch in der Forschung sei. Das müsse Berlin „strategisch klug“ angehen. Es sei daher zu hoffen, dass Taiwan einer von vielen Forschungs- und Innovationsstandorten sein werde, mit denen die Regierung in den kommenden Jahren die Kooperationsbeziehungen ausbaue.

Allerdings sollte das Forschungsministerium das auch „klar nach außen kommunizieren“: Dass es auf seiner Internetseite keine Informationen zur Taiwanreise der Ministerin veröffentliche, sehe er als verpasste Chance, kritisiert Cantner.

Ein weiterer Schwerpunkt der Reise von Stark-Watzinger ist die Batterietechnologie. Hier arbeiten Deutschland und Taiwan an einem gemeinsamen Abkommen zur Batteriezellenforschung, das aber nicht rechtzeitig zum Besuch der Forschungsministerin fertig wurde. Taiwans Industrie ist einer der wichtigsten Zulieferer von Komponenten für Elektroautos.

Batterien für Elektroautos sind ein wichtiges Thema

Das erste Auto von Tesla, der Roadster, bezog einen Großteil seiner Komponenten aus Taiwan. Nun will der größte taiwanische iPhone-Hersteller Foxconn die globale Autoindustrie mit einem neuen Geschäftsmodell für Autos revolutionieren: der Auftragsfertigung von Elektroautos.

Gemeinsam mit anderen Unternehmen, darunter der japanische Elektromotorenriese Nidec, hat der Konzern Plattformen entwickelt, auf denen Modelle für Autohersteller produziert werden können. Dabei spielt auch die Batterietechnologie eine wichtige Rolle.

Foxconn hat nicht nur eine Batteriefabrik gebaut, sondern ist auch Technologieführer bei Feststoffbatterien. Mit ihrer höheren Energiedichte, als sie bisherige Akkus mit flüssigem Lithium aufweisen, gelten sie als die kommende Batteriegeneration.

Am Mittwoch geht es für Stark-Watzinger bereits schon wieder zurück nach Deutschland. Zuvor trifft sie noch die taiwanische Bildungsministerin und besucht ein Halbleiterinstitut. Auch ein Abstecher zur Gedenkhalle für den umstrittenen langjährigen Präsidenten Taiwans, Chiang Kai-Shek, ist geplant.

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