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07.08.2022

14:54

Außenwirtschaft

Warum der Taiwan-Konflikt so gefährlich für die deutsche Wirtschaft ist

Von: Dana Heide, Joachim Hofer, Jürgen Klöckner

PremiumDie Unternehmen blicken mit Sorge auf das Verhalten Chinas. Experten raten dazu, die wirtschaftliche Abhängigkeit von der Volksrepublik zu verringern.

Mittelfristig wahrscheinlich könnten Handels- und Seeblockaden durch die chinesische Armee sein. dpa

Chinesisches Militär

Mittelfristig wahrscheinlich könnten Handels- und Seeblockaden durch die chinesische Armee sein.

Berlin, München 9246 Kilometer liegen zwischen Deutschland und Taiwan. Eine große Distanz. Und doch hat der Konflikt um den Inselstaat in den vergangenen Tagen auch die deutschen Unternehmen in Atem gehalten.

Die chinesische Volksbefreiungsarmee hielt umfangreiche Manöver vor Taiwan ab und übte mit scharfer Munition – eine in der jüngeren Vergangenheit beispiellose Demonstration militärischer Stärke. China reagierte damit heftig auf den Taiwanbesuch von Nancy Pelosi, der Vorsitzenden des US-Repräsentantenhauses.

Die deutsche Wirtschaft schaut mit großer Sorge auf den Konflikt und fürchtet eine weitere Verschärfung. Für die Unternehmen steht viel auf dem Spiel. „In unserer hochtechnologischen Welt ist in nahezu jedem Elektronikprodukt ein Bestandteil aus Taiwan verbaut“, warnt Dirk Jandura, Präsident des Bundesverbands Großhandel, Außenhandel und Dienstleistungen (BGA). „Eine Eskalation des Taiwankonflikts hätte demnach weitreichende Folgen.“

Der Krieg in der Ukraine habe viele Unternehmen aufgeschreckt, weil das Undenkbare Realität geworden sei, sagt Ulrich Ackermann, Abteilungsleiter Außenwirtschaft beim Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA). „Und das Gleiche könnte eines Tages auch bei Taiwan passieren.“ Dann allerdings wären die Kosten für die deutsche Wirtschaft um ein Vielfaches höher.

Besonders wichtig für die deutschen Unternehmen ist die Halbleiterindustrie Taiwans. Der taiwanische Hersteller TSMC steht für mehr als die Hälfte der Erlöse der zehn größten Chip-Auftragsfertiger weltweit, so die Marktforscher von Trendforce. Taiwan ist für die Chipindustrie – und auch die Abnehmer in Deutschland – vorerst nicht zu ersetzen.

Die modernsten Halbleiter mit Strukturgrößen von sieben Nanometern und weniger stammen zu 80 Prozent von der Insel. Neben Taiwan existiert nur noch ein weiteres Lieferland dieser Bauelemente: Südkorea. Taiwan habe eine „entscheidende Rolle in der globalen Lieferkette“, sagt Alicia García Herrero, Asien-Chefökonomin bei der Investmentbank Natixis.

Warnung vor militärischen Zwischenfällen

Peking sieht die Insel als Teil seines Territoriums an, obwohl sie nie zu der Volksrepublik gehört hat und über eine eigene, demokratisch gewählte Regierung und eigene Gesetze verfügt.

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„Chinas Verhalten beim Pelosi-Besuch hat gezeigt, wie nervös die Regierung ist“, sagt Max Zenglein, Chefökonom beim Berliner China-Thinktank Merics. Experten warnen davor, dass es in einem solchen Umfeld jederzeit zu militärischen Zwischenfällen kommen und die Situation schnell eskalieren könnte – mit verheerenden Folgen. „Das Risiko, dass der Taiwankonflikt eskaliert, wird in den nächsten Jahren exponentiell steigen“, warnt Chinaexperte Zenglein. „Es ist fundamental wichtig, dass sich die deutsche Wirtschaft darauf einstellt.“

Dabei geht es nicht nur um den Extremfall, dass sich Peking und Washington in einer direkten militärischen Auseinandersetzung gegenüberstehen würden. Das wäre sehr wahrscheinlich, wenn China Taiwan angreifen würde. US-Präsident Joe Biden hatte in den vergangenen Monaten mehrfach deutlich gemacht, dass die USA in diesem Fall Taiwan militärisch beistehen würden.

„Wenn die amerikanischen und japanischen Unternehmen in der Folge China verlassen, können sich dem auch europäische Unternehmen nicht entziehen“, schätzt Hanns Günther Hilpert, Leiter der Forschungsgruppe Asien bei der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP).

FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai hat im Gespräch mit dem Handelsblatt bereits klargemacht, dass die Bundesregierung Sanktionen gegen China verhängen müsste, sollte sich der Konflikt mit Taiwan verschärfen. „Ein militärischer Angriff Chinas auf Taiwan wäre eine verheerende Eskalation des Status quo“, sagte Djir-Sarai. „In diesem Falle wäre es wichtig, dass der Westen unmittelbar mit personenbezogenen und wirtschaftlichen Sanktionen gegen China reagiert.“ Explizit nannte er dabei auch Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping.

China probt die Seeblockade Taiwans

Denkbar sei zudem, so SWP-Experte Hilpert, dass China die westlichen Unternehmen in einem solchen Fall des Landes verweist. Er hält ein solches Szenario zwar für unwahrscheinlich, aber nicht für ausgeschlossen.

China reagierte damit heftig auf den Taiwanbesuch von Nancy Pelosi, der Vorsitzenden des US-Repräsentantenhauses. IMAGO/Future Image

Nancy Pelosi

China reagierte damit heftig auf den Taiwanbesuch von Nancy Pelosi, der Vorsitzenden des US-Repräsentantenhauses.

Mittelfristig wahrscheinlich seien jedoch zunächst Handels- und Seeblockaden. China habe diese in den letzten Tagen mit seinen Militärübungen rund um die Insel bereits getestet, so Hilpert.

Die deutsche Wirtschaft wäre von einer solchen Blockade gleich doppelt betroffen. Zum einen käme es zu Lieferengpässen bei Halbleitern. Aber auch die Lieferketten würden massiv gestört, denn Chips sind für die Herstellung vieler Vorprodukte essenziell. Die Unternehmen müssten sich für ein solches Szenario langfristig und mittelfristig vorbereiten und etwa Notfallpläne entwickeln, wie Lieferketten, die reißen, ersetzt werden können, mahnt Hilpert.

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Doch auch für den schlimmsten Fall müssen sich die Unternehmen wappnen. Insbesondere die deutsche Autoindustrie macht bis zu 40 Prozent ihres Umsatzes in China – wenn dieser Anteil im Konfliktfall auf einmal wegfällt, hätte das fatale Folgen.

Die Wirtschaft setzt auf eine breitere Aufstellung, weg vom „Klumpenrisiko“ China. „Es ist wichtig, Lieferketten zu diversifizieren und neue Beschaffungsmärkte zu erschließen“, sagt BGA-Präsident Jandura. Er fordert, den Freihandel mit Deutschlands demokratischen Partnern zügig auszubauen. Handelsabkommen mit Kanada, den Mercosur-Staaten Lateinamerikas oder auch Neuseeland und Australien seien dafür entscheidend.

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