Der Lehrkräftemangel ist ein Dauerthema in der Bildungspolitik, nun schlägt eine Expertenkommission Alarm. Vorschläge zur Entspannung der Lage stoßen auf Kritik.
Lehrerin an Schultafel
Auf absehbare Zeit kommen deutlich weniger Lehrkräfte nach, als angesichts der Entwicklung der Schülerzahlen und der Abgänge in die Rente gebraucht werden.
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Berlin Um dem dramatischen Lehrermangel im Land zu begegnen, sollten nach Expertenansicht ein höheres Unterrichtspensum für Lehrkräfte geprüft, weniger Teilzeitmöglichkeiten eingeräumt und gegebenenfalls auch größere Klassen gebildet werden. Diese und andere Empfehlungen legte die Ständige Wissenschaftliche Kommission (SWK), ein Beratergremium der Kultusministerkonferenz (KMK), am Freitag zur kurz- und mittelfristigen Entspannung der Lage vor. Die Vorschläge stießen bei Lehrervertretern und Bildungsgewerkschaften auf scharfe Kritik.
Die Wissenschaftler befürchten eine noch lange Personal-Durststrecke an den rund 40.000 Schulen des Landes und sprechen von einer historischen Herausforderung für die Gesellschaft. „Das Problem des Lehrkräftemangels wird aller Voraussicht nach in den kommenden 20 Jahren bestehen bleiben.“
Auf absehbare Zeit kommen deutlich weniger ausgebildete Lehrkräfte nach, als angesichts der Entwicklung der Schülerzahlen und der Abgänge in den Ruhestand gebraucht werden. „Erheblichen Pensionierungswellen stehen kleine Geburtskohorten gegenüber, aus denen Lehramtsstudierende gewonnen werden können“, heißt es in der Stellungnahme.
Berechnungen der KMK zufolge liegt die Lücke zwischen Lehrkräftebedarf und -angebot zwischen 2021 und 2035 jedes Jahr im Schnitt bei etwa 1600. Pessimistischere Prognosen gehen vom Vierfachen aus. Aktuell sind mehr als 12.000 Lehrerstellen unbesetzt, hatte eine Umfrage des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND) in den Ländern gezeigt.
Insgesamt gibt es in Deutschland mehr als zehn Millionen Schülerinnen und Schüler. Seit dem russischen Überfall auf das Nachbarland sind 200.000 aus der Ukraine geflüchtete Kinder und Jugendliche dazugekommen, was die Herausforderungen an den Schulen weiter erhöht.
Ukrainische Kinder in Dresden
Insgesamt 200.000 schulpflichtige Kinder und Jugendliche sind aus der Ukraine nach Deutschland geflüchtet.
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Dabei ist die Personalsituation nicht überall gleich schlecht: Regional und je nach Schultyp und Fach gibt es Unterschiede. Insgesamt besteht eher ein Überangebot an Gymnasiallehrkräften. Dagegen wird durchgehend mit einem besonderen Mangel an Berufsschulen und in der Mittelstufe gerechnet.
Die Lage an den Grundschulen wird sich den Prognosen zufolge ab Mitte der 20er Jahre entspannen. Aufgeschlüsselt nach Fächern fehlen vor allem Mathe-, Chemie-, Physik-, Musik-, Kunst-, Englisch- und Informatik-Lehrer.
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Der Lehrkräftemangel droht, bestehende Probleme im Bildungssystem weiter zu verschärfen. Grundschulkinder haben beispielweise Erhebungen zufolge zunehmend Mathe- und Deutschprobleme. Die Lücken in der späteren Schullaufbahn zu schließen, wird mit zunehmender Personalnot immer schwieriger.
Die Kommission schreibt, sie sei sich bewusst, dass ihre Vorschläge „eine zusätzliche Belastung für Lehrkräfte mit sich bringen“. „Deshalb müssen die hier vorgeschlagenen Maßnahmen befristet werden“, heißt es. Die Wissenschaftler mahnen aber auch: Allen Akteuren im Schulsystem müsse klar sein, dass die Gesellschaft vor einer historischen Herausforderung stehe, die größte Anstrengungen erfordere.
Die Mahnung der Kommission kam wohl als Vorgriff auf die erwarteten Reaktionen der Bildungs- und Lehrergewerkschaften. Die fallen sehr kritisch aus.
Grundschule in Duisburg
Der Lehrkräftemangel droht, bestehende Probleme im Bildungssystem weiter zu verschärfen.
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Der Präsident des Deutschen Lehrerverbands, Heinz-Peter Meidinger sagte, viele der Vorschläge seien praxisfremd und kontraproduktiv. „Wer Teilzeit und Altersermäßigungen einschränken oder abschaffen will, treibt noch mehr Lehrkräfte in die Frühpensionierung und den Burnout“.
Die Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Maike Finnern, kritisierte, wenn die Kommission als Ausgleich „Achtsamkeitstraining und Yoga“ empfehle, sei das „blanker Hohn“. „Mit diesen Maßnahmen wird das Versagen der Politik auf dem Rücken der Lehrkräfte ausgetragen“, sagte Gerhard Brand, Vorsitzender des Verbands Bildung und Erziehung (VBE).
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