Eltern schätzen die Digitalisierung in den Schulen als schlecht ein. Welches Bundesland wie weit ist, zeigen aktuelle Grafiken. Dabei gibt es einen überraschenden Gewinner.
Hausaufgaben mit digitalem Helfer
Um sich auf die digitale Welt vorzubereiten, braucht es eine gute Ausstattung mit moderner Technik.
Bild: imago images/Fotostand
Berlin Die deutschen Schulen haben Schwierigkeiten, sich von der „Kreidezeit“ zu verabschieden und neue Medien in den Unterricht zu integrieren. Das sehen nicht nur Bildungsexperten so, sondern auch viele Eltern – wie eine exklusive Studie zeigt.
Das Netzwerk für die digitale Gesellschaft (Initiative D21), eine Partnerschaft aus Wirtschaft und Politik, hat über 2400 Eltern mit schulpflichtigen Kindern befragt, wie es um die Digitalisierung in der Schule bestellt ist. Die Antwort lautet: Viele deutsche Schulen haben während der Coronakrise merkliche Fortschritte gemacht. Allerdings aus einer Position des katastrophalen Rückstands heraus.
In den meisten Bundesländern sind Kreidetafeln und Overheadprojektoren immer noch das didaktische Mittel der Wahl – notgedrungen, denn die Ausstattung mit modernen Medien ist laut den Eltern oft noch nicht einmal befriedigend. Die Auswertung zeigt jetzt, welches Bundesland bei der Digitalisierung der Schulen wie weit ist.
Dabei gibt es einen überraschenden Gewinner und eine Region, die eindeutig hinterherhinkt. Bildungsexperten erklären, woran das liegt und wie sich der digitale Rückstand möglichst schnell aufholen lässt.
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Schon bei der Frage, in welchem Bundesland die Schülerinnen und Schüler im Unterricht am häufigsten digitale Anwendungen nutzen, sticht ein Bundesland positiv heraus: Bremen.
86 Prozent der befragten Eltern stimmten dort dem Statement zu, dass etwa Computer, Tablets oder Smartboards im Unterricht zum Einsatz kommen. Damit liegt der Stadtstaat deutlich vor dem zweitplatzierten Bundesland Nordrhein-Westfalen (81 Prozent).
Der Grund für den Bremer Vorsprung liegt in einer klaren Zielsetzung und dem Willen, in die digitale Bildung der Schülerinnen und Schüler zu investieren. „Bremen hatte sich vorgenommen, eine Eins-zu-eins-Ausstattung mit Tablets für Schüler und Lehrer zu ermöglichen“, erklärt die Projektleiterin der Studie, Sandy Jahn.
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Dafür bediente sich der Stadtstaat am „Sofortausstattungsprogramm“ des „Digitalpakts Schule“ und stockte das Geld durch Landesmittel auf. Vor allem sozial benachteiligte Schüler sollten so profitieren.
Jahn bewertet positiv, dass Bremen die fundamentale Hürde einer zufriedenstellenden digitalen Infrastruktur genommen habe. „Das ist das absolute Minimum, das überall vorhanden sein sollte“, sagt Jahn. Der nächste Schritt sei für Bremen jetzt, die Lehrpläne digital aufzustellen und die Lehrkräfte entsprechend zu schulen.
Andere Bundesländer sind noch gar nicht so weit. Sie müssen erst einmal das „absolute Minimum“ erfüllen: die digitale Infrastruktur bereitzustellen.
Bei der Geräteausstattung zeigt sich, dass im Schnitt gerade einmal um die Hälfte der Eltern mit der Ausstattung in der Schule ihrer Kinder zufrieden sind. Ausnahme ist auch hier das „Streberland“ Bremen, gefolgt von Hamburg, das als einziges weiteres Bundesland einen Wert von über 60 Prozent Zustimmung erzielen konnte.
Studienautorin Jahn gibt zu bedenken: „Die Stadtstaaten haben häufig zentrale Vergabeverträge.“ Sie hätten dadurch also ein Vorteil gegenüber großen Flächenstaaten. Die Expertin hält es allerdings auch für beunruhigend, wie weit die Einschätzungen der Eltern über den digitalen Unterricht auseinanderliegen.
„Im Grundgesetz und im Koalitionsvertrag sind gleichwertige Lebensverhältnisse vereinbart, dann kann es nicht sein, dass der Wohnort so einen großen Einfluss auf die Qualität der Bildung hat“, moniert Sandy Jahn.
Denn vor allem die neuen Bundesländer hinken hinterher – etwa was Internetanschlüsse in den Schulen angeht. Dort sind Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Sachsen Schlusslichter. In allen drei Bundesländern sagen nur knapp die Hälfte der befragten Eltern, die Schule ihres Kindes verfüge über einen Internetzugang. In Bremen sind es 75 Prozent.
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Das deckt sich auch mit Untersuchungen, die den Zugang zu schnellem Internet allgemein untersuchen. Das Fazit daher: Dort, wo es für die Bevölkerung keinen guten Internetzugang gibt, sind auch die Schulen unterversorgt.
„Ohne einen solchen Zugang haben die Schülerinnen und Schüler jedoch auch keine Möglichkeit, Anwendungen wie Cloud-Dienste, Lernplattformen oder das Streaming von Lernvideos zu nutzen“, kritisiert die Studie. Sie könnten so auch nicht lernen, online selbst Informationen zu Themen zu recherchieren oder die Qualität von Informationen und deren Quellen zu prüfen.
Auch bei der Ausstattung mit Personal und finanziellen Mitteln sehen vor allem die Eltern im Osten Deutschlands noch große Hürden. Sachsen-Anhalt und Berlin schneiden hierbei am schlechtesten ab, gefolgt von Brandenburg. Insgesamt ist dieser Punkt nach Ansicht der Eltern das zweitgrößte Digitalisierungshemmnis – nach einer mangelnden Ausstattung mit digitalem Equipment.
Eines der wenigen positiven Ergebnisse der Studie: Insgesamt sehen die meisten Eltern, dass die Pandemie einen plötzlichen Digitalisierungsschub mit sich gebracht hat. Karin Prien, Präsidentin der Kultusministerkonferenz, fordert daher, aus der Pandemie zu lernen, die Schulen mit Infrastruktur und Technik auszurüsten und in „Lehr-Lern-Prozesse für eine Kultur der Digitalität zu investieren“.
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Das dürfte auch aus anderen Gründen wichtig sein. Denn, so heißt es in der Studie: „Eine höhere Zufriedenheit mit der aktuellen digitalen Ausstattung an der Schule des Kindes geht auch mit einem höheren Vertrauen der Eltern in den Staat einer.“
Studienautorin Jahn formuliert es noch drastischer: „Besorgniserregend“ sei es, wenn bei den Eltern der Eindruck entstehe, der Staat komme seiner Rolle nicht nach, die Kinder auf das 21. Jahrhundert vorzubereiten.
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