Die Bundesrepublik kann mit zusätzlichem Impfstoff und vorgezogenen Lieferungen rechnen – 80 Millionen von Biontech, 35 Millionen von Moderna. Das dürfte die Sorge vor einem Engpass lindern.
Corona-Impfstoff des Herstellers Moderna
Deutschland erhält Millionen Dosen früher.
Bild: AP
Brüssel, Berlin Die Bundesrepublik kann in den nächsten Monaten mit Millionen zusätzlicher Impfdosen rechnen. Nach Angaben von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) haben die EU-Kommission und der US-Hersteller Moderna zugesagt, zehn Millionen Dosen noch im Dezember auszuliefern, die eigentlich erst für das erste Quartal 2022 vorgesehen waren.
Auch in den ersten Monaten des kommenden Jahres will Moderna mehr liefern als bisher vereinbart. Das Unternehmen zieht eine Tranche von 25 Millionen Dosen für die Bundesrepublik vor. Es gebe eine enge Zusammenarbeit mit Brüssel, sagte Lauterbach bei der Bundespressekonferenz in Berlin.
Dies sei ein „erster Erfolg“. Zudem könne Deutschland mit 80 Millionen Dosen zusätzlichem Impfstoff von Biontech/Pfizer rechnen, der bereits auf die neue Omikron-Variante angepasst sei.
Ein Teil davon könne bereits im ersten Quartal geliefert werden. Die EU nutzt dafür eine Option auf die Lieferung von insgesamt 150 Millionen Dosen. Deutschland wolle davon den „Löwenanteil“ abnehmen, sagte ein europäischer Spitzenbeamter. Der Haushaltsausschuss hatte am Mittwoch 2,2 Milliarden Euro für weiteren Impfstoff freigegeben.
Er sei auch mit Rumänien, Bulgarien, Polen und Portugal in Gesprächen, um von dort weitere Dosen aufzukaufen, sagte Lauterbach. Schon zuvor gab es Hinweise darauf, dass die Bundesregierung Vorräte im Ausland kaufen könnte, weil manche Staaten – teilweise aufgrund einer niedrigen Impfquote – ihre Vakzine nicht loswerden können. Man müsse für eine vierte Impfung vorbereitet sein, sagte Lauterbach. Diese könne dann bereits gegen die Omikron-Variante angepasst sein.
Die Nachrichten dürften Erleichterung auslösen. Lauterbach hatte zu Wochenbeginn vor Versorgungsengpässen gewarnt, viele Bürger sind verunsichert. Aus der Union sowie auch von Hausärzten kam deshalb Kritik.
Lauterbach hatte erklärt, dass im ersten Quartal des kommenden Jahres nicht genügend Impfstoff für die Booster-Kampagne zur Verfügung stehe. Damit hätte die Booster-Kampagne erst im März abgeschlossen werden können – „und damit zu spät“, sagte Lauterbach am Donnerstag.
Er rechne damit, dass bis zum Ende des ersten Quartals 50 Millionen Impfstoffdosen für die Auffrischimpfungen notwendig seien und für rund 20 Millionen für die Erst- und Zweitimpfungen.
„Diese Mengen müssen wir bedienen, damit wir das Impftempo halten können“. Derzeit würden 1,5 Millionen Menschen pro Tag ein drittes Mal geimpft. So könne die Booster-Lücke schon im Januar geschlossen werden. Dies sei der entscheidende Monat, um die Omikron-Welle möglichst flach zu halten. Ob allerdings so schnell genügend Impfstoff zur Verfügung stehe, liege auch an den zusätzlichen Lieferungen aus anderen EU-Ländern.
Allein die zusätzlichen Lieferungen von Moderna könnten für bis zu 70 Millionen Auffrischimpfungen reichen, da beim Boostern mit Moderna schon die Hälfte der normalen Dosis eingesetzt werden kann. Allerdings ist noch unklar, ob es bei diesem Verfahren bleibt.
Derzeit laufen Studien, ob wegen der hochansteckenden Omikron-Variante des Coronavirus eine volle Dosis bei der dritten Impfung nötig ist. Doch „so oder so“, die Zusatzlieferung „wird Deutschland weiterhelfen“, heißt es aus der Kommission. Lauterbach verwies dazu auf die laufenden Studien.
Die Bundesregierung steht nun vor der Aufgabe, das Akzeptanzproblem zu verringern, auf das der Moderna-Wirkstoff in Deutschland trifft. Die vergangenen Monate haben gezeigt, dass sich viele Deutsche lieber mit dem Präparat von Biontech/Pfizer impfen lassen.
Die Skepsis gegenüber Moderna ist eine deutsche Besonderheit, in anderen EU-Staaten gibt es sie nach Angaben der Kommission nicht. Die Ablehnung sei „schwer nachvollziehbar“, sagte ein hochrangiger Vertreter der Brüsseler Behörde. Studien zeigten, dass das Vakzin von Moderna beim Boostern noch besser wirkt als das von Biontech und Pfizer. Das müsse man in Deutschland „noch mehr herausstellen“, sagte der Spitzenbeamte
Lauterbach sagte, dass nun eine „offensive Booster-Kampagne“ nötig sei, um die Überlastung der Gesundheitssysteme zu verhindern. Der Minister verwies auf Gespräche mit dem britischen Gesundheitsminister.
Dort würden sich die Fälle mit der neuen Variante in einem Abstand von zwei bis drei Tagen verdoppeln – „und dies bei einer sehr stark durchgeimpften Bevölkerung.“ Das seien besorgniserregende Zahlen, sagte Lauterbach. Die dritte Impfung sei deswegen wichtig, weil sie den Schutz vor einer Infektion erhöhe.
Sorgen äußerte auch der Chef des Robert Koch-Instituts (RKI), Lothar Wieler. „Es liegen noch schwere Wochen vor uns“, sagte er. Zwar würden die Infektionszahlen zurückgehen, allerdings nur langsam.
Zudem sei der Rückgang noch nicht in den Kliniken spürbar. „Die Intensivstationen sind am Limit“, warnte Wieler. Er verwies darauf, dass mit der Verbreitung der Omikron-Virus-Variante die Zahl der Infektionen wieder steigen werde. „Wir müssen jetzt generell Infektionen verhindern, bevor die Fallzahlen wieder steigen.“
Die bundesweite Sieben-Tage-Inzidenz ist am Donnerstag erneut gesunken. Das RKI gab den Wert der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner und Woche mit 340,1 an. Zum Vergleich: Am Vortag hatte der Wert bei 353,0 gelegen. Vor einer Woche lag die bundesweite Inzidenz bei 422,3. Die Gesundheitsämter in Deutschland meldeten dem RKI binnen eines Tages 56.677 Corona-Neuinfektionen.
Die Zahl der in Kliniken aufgenommenen Corona-Patienten je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen gab das RKI mit 5,27. Zuvor lag der Wert bei 5,21. Die Hospitalisierungsquote gilt als entscheidender Indikator für das Infektionsgeschehen und wird als Grenzwert für Corona-Maßnahmen in den Ländern herangezogen.
Hoffnungen setzten Lauterbach und Wieler in die anlaufenden Impfungen von Fünf- bis Elfjährige. Dafür erhält der Bund in einer ersten Tranche 2,4 Millionen Impfdosen. Dies solle angesichts von insgesamt 4,4 Millionen Kindern in dieser Altersgruppe in einem ersten Zug ausreichend sein.
Anfang kommenden Jahres sollen dann weitere Dosen folgen. Außer in Arztpraxen sind in einigen Ländern auch in Impfzentren Kinderimpfungen vorgesehen. Mancherorts sind besondere Aktionen geplant – in Berlin etwa im Naturkundemuseum und im Zoo, in Niedersachsen unter anderem im Stadion von Hannover 96. Der konkrete Start unterscheidet sich teils.
Der Kinderarzt Jörg Dötsch von der Universität Köln sagte in Berlin, er sehe zwar mit Blick auf die Delta- und auch die Omikron-Variante bislang keine Zunahme an schweren Krankheitsverläufen einer Infektion. Er riet aber dazu, fünf- bis elfjährige Kinder mit einer Vorerkrankung unbedingt impfen zu lassen.
Auch Kinder, die mit Personen zusammenlebten, die sich nicht impfen lassen könnten, sollten sich impfen lassen, sagte Dötsch. Zudem riet er auch Eltern, die ihr Kind generell impfen lassen wollten, dies zu tun. Die ersten Daten sprächen für nur geringe Nebenwirkungen.
Das Oberverwaltungsgericht in Lüneburg kippte derweil die erst seit kurzem geltende 2G-Regel im Einzelhandel in Niedersachsen. Die Maßnahme sei zur weiteren Eindämmung des Coronavirus nicht notwendig und auch nicht mit dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz vereinbar, entschied das Gericht am Donnerstag.
Seit Montag galt in Niedersachsen im Einzelhandel die Regel, dass diejenigen, die nicht gegen Corona geimpft oder von dem Virus genesen waren, nur noch in Geschäften des täglichen Bedarfs einkaufen konnten.
Das Gericht begründete seine Entscheidung unter anderem damit, dass eine schlichte Übertragung von Forschungserkenntnissen aus geschlossenen Räumen im Sport- und Freizeitbereich auf den Handel nicht möglich sei.
Zudem könnten die Kunden auch im Einzelhandel verpflichtet werden, eine FFP2-Maske zu tragen. Außerdem sei nicht ersichtlich, dass das Land seine Forschung zu Infektionswegen erhöht habe, um die Zielgenauigkeit seiner Schutzmaßnahmen zu erhöhen. Der Handelsverband hatte die Regel bereits im Vorfeld scharf kritisiert.
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