Die Räumung von Lützerath lief in den ersten Tagen schneller und unkomplizierter als von vielen erwartet. Doch jetzt stößt die Polizei auf neue Probleme.
Räumung von Lützerath
RWE will die Braunkohle abbauen, die unter dem von den Bewohnern längst verlassenen Dorf Lützerath liegt.
Bild: dpa
Erkelenz Am dritten Tag der Räumung von Lützerath für den Braunkohle-Abbau legt die Polizei an diesem Freitag einen Fokus auf Aktivisten, die sich in unterirdischen Gängen verschanzt haben. „Wir wissen nicht, wie stabil diese unterirdischen Bodenstrukturen sind. Wir wissen auch nicht, wie die Luftzufuhr dort ist“, sagte der Aachener Polizeipräsident Dirk Weinspach am Donnerstagabend im WDR.
Entsprechend gefährlich sei die Situation. In der Nacht zu Freitag beendete das Technische Hilfswerk seinen Einsatz, ohne die Aktivisten aus dem Tunnel zu holen. Außerdem will die Polizei am Freitag ein letztes besetzt gehaltenes Haus räumen. Laut Aktivistenangaben befinden sich zwei Menschen in einem Tunnel. Die beiden seien entschlossen, sich anzuketten, sobald versucht werde, sie herauszuholen, sagte eine Sprecherin der Initiative „Lützerath lebt“ am Freitagmorgen
In der Nacht harrten die Klimaaktivisten bei starkem Regen, kräftigem Wind und Temperaturen unter zehn Grad aus. Weiter geräumt wurde von der Polizei zunächst nicht. Zwar waren nach wie vor zahlreiche Polizisten vor Ort. Laut einem Polizeisprecher wollte man in der Nacht aber nur aktiv werden, wenn Aktivisten aus potenziell gefährlichen Lagen befreit werden müssten.
Die Besetzer des Ortes, der dem Braunkohle-Abbau weichen soll, hatten am Donnerstag in den sozialen Netzwerken über einen Tunnel berichtet und die Polizei gewarnt, mit schwerem Gerät in den Bereich zu fahren.
Die Polizei bestätigte, dass es mindestens zwei Tunnel gebe. Allerdings seien nur in einem auch Aktivisten drin. An sie komme die Polizei bislang nicht heran. Spezialkräfte von RWE und Technischem Hilfswerk müssten sich nun darum kümmern, „wie die Rettung in geeigneter Weise vorgenommen werden kann“, sagte Weinspach. „Da wird es auch darauf ankommen, ganz vorsichtig vorzugehen und keine Risiken einzugehen.“ Wie stark sich die Räumung des Geländes dadurch verzögern könne, sei nicht abzusehen.
Am Donnerstag verließen mehr als 300 Menschen Lützerath bis zum Abend. Von etwa 70 Personen wurde die Identität festgestellt. Gegen sechs Menschen wurden Strafanzeigen wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte und Sachbeschädigung gestellt.
Seit Einsatzbeginn hätten Richter drei Menschen in Langzeitgewahrsam geschickt, hieß es. Zwei von ihnen seien daraus wieder entlassen worden, nachdem sie ihre Personalien preisgegeben hätten.
Elf Einsatzkräfte verletzten sich den Angaben nach ohne Fremdeinwirkung, zwei Polizisten konnten ihren Dienst nicht fortsetzen. Fünf Polizisten seien durch Fremdeinwirkung verletzt worden, konnten aber weiter im Einsatz bleiben. Aufseiten der Besetzerszene sei eine Person leicht verletzt worden.
Am Freitagmorgen protestierten Aktivisten vor der RWE-Konzernzentrale in Essen. Nach deren Angaben ketteten sich mehrere von ihnen an das Eingangstor. Ein Polizeisprecher sagte, der RWE-Sicherheitsdienst habe ihnen einen entsprechenden Vorfall gemeldet. „Wir sind auf der Anfahrt“, hieß es.
Insgesamt zeigte der Polizeipräsident sich zufrieden mit dem Fortschritt des Einsatzes. „Die Räumung der überirdischen Strukturen ist weitgehend abgeschlossen“, betonte er im WDR. „Wir haben fast alle Häuser geräumt bis auf eins. Es ist die Wiese geräumt, ein Großteil der Baumhäuser ist geräumt. Insofern bleibt gar nicht mehr so viel über.“
Am Donnerstag wurden zahlreiche Holzhütten und Barrikaden der Aktivisten von Baggern dem Erdboden gleichgemacht. Die Besetzer ließen sich bei der Räumung meist ohne große Gegenwehr wegtragen.
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Einige waren den Tränen nah. Auch zwei symbolträchtige Häuser der einstigen Bewohner von Lützerath wurden geräumt. Dort flogen Feuerwerkskörper in Richtung der Einsatzkräfte, wie eine dpa-Reporterin berichtete. Eine Beamtin wurde laut Polizei leicht verletzt. Abgerissen wurden die alten Häuser des Dorfes aber noch nicht.
Auch aus den in bis zu zehn Meter Höhe errichteten Baumhäusern ließen sich Besetzer von Höhenrettern ohne große Gegenwehr nach unten holen. Anschließend schnitten Polizisten die Halteseile durch, so dass Baumhäuser krachend in die Tiefe stürzten und dort in viele Einzelteile zerbrachen, wie ein dpa-Reporter berichtete.
In der Nacht zum Freitag ging die Räumung in der Dunkelheit zunächst noch weiter. „Objekte, die angegangen worden sind, arbeiten wir noch fertig ab“, sagte ein Polizeisprecher. Auch Aktivisten, die sich einbetoniert oder festgekettet hätten, würden trotz der Dunkelheit befreit. „In solchen Fällen müssen wir Hilfe leisten“, sagte der Sprecher.
Robert Habeck
Klimaschutzminister Robert Habeck (Grüne) hat wenig Verständnis für die massiven Proteste gegen den Abriss von Lützerath für den Braunkohle-Abbau.
Bild: dpa
Klimaschutzminister Robert Habeck (Grüne) hat wenig Verständnis für die massiven Proteste gegen den Abriss von Lützerath für den Braunkohle-Abbau. „Es gibt viele gute Anlässe, für mehr Klimaschutz zu demonstrieren, meinetwegen auch gegen die Grünen. Aber Lützerath ist schlicht das falsche Symbol“, sagte Habeck dem „Spiegel“.
Das Dorf sei eben nicht das Symbol für ein Weiter-so beim Braunkohletagebau Garzweiler im Rheinland, sondern „es ist der Schlussstrich“, sagte Habeck. Man ziehe den Kohleausstieg im dortigen Kohlerevier um acht Jahre auf 2030 vor, was immer auch Ziel der Klimabewegung gewesen sei. „Die Vereinbarung gibt uns Planungssicherheit. Ihretwegen werden jetzt Investitionen in eine klimaneutrale Energieversorgung, in Wasserstoffkraftwerke getätigt.“
Habeck verteidigte einen entsprechenden Vertrag zwischen dem Bund, dem Land Nordrhein-Westfalen und dem Energiekonzern RWE. Das bedeute: „Wir retten fünf Ortschaften und Höfe mit rund 450 Bewohnern. Der Hambacher Forst ist gesichert worden. Die genehmigte Abbaumenge für Kohle im Tagebau wurde durch die Vereinbarung halbiert.“
Habeck äußerte auch seine Sorge über eine wachsende Zukunftsangst der Jugend. „Mich treibt um, dass ein Teil der jungen Generation droht Hoffnung zu verlieren“, sagte er dem Magazin. „20-Jährige überlegen heute, ob sie überhaupt Kinder kriegen wollen.“ Diese Debatte kenne er aus seiner Jugend, 30 Jahre lang sei sie verschwunden gewesen. „Jetzt ist sie wieder da. Verständlich, die Klimakrise ist Realität“.
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RWE will die Braunkohle abbauen, die unter dem von den Bewohnern längst verlassenen Dorf Lützerath liegt. Die Kohle werde benötigt, um in der Energiekrise Gas für die Stromerzeugung in Deutschland zu sparen, argumentiert der Konzern. Die Aktivisten bestreiten das. Im Gegenzug dafür, dass die Politik den Weg für den Abbau der Braunkohle unter Lützerath freimachte, wurde der Kohleausstieg in NRW um acht Jahre auf 2030 vorgezogen.
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