Mit dem Nachtragshaushalt werde der Garantierahmen um rund 357 Milliarden auf rund 822 Milliarden Euro angehoben, heißt es in dem Papier. Gleichzeitig wird im Kleingedruckten festgelegt, dass Scholz diesen Rahmen mit Zustimmung des Bundestags-Haushaltsauschusses noch mal um 30 Prozent erhöhen könnte – auf 1,06 Billionen Euro.
Aber all diese Maßnahmen reichen nach Einschätzung der Bundesregierung nicht aus, um die Wirtschaft zu stabilisieren. Deshalb will sie am Montag im Kabinett beschließen, einen riesigen Rettungsschirm für Unternehmen zu spannen. Der sogenannte Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) soll ein Volumen von bis zu 600 Milliarden Euro haben.
Ein Schritt, der laut Ökonomen absolut gerechtfertigt ist: „Ich halte es für richtig und wichtig, dass die Bundesregierung diesen Rettungsschirm errichtet, auch in dieser Größe“, sagte Ifo-Chef Clemens Fuest dem Handelsblatt. „Es geht jetzt darum, anderen Kreditgebern Vertrauen zu geben, dass Insolvenzen weniger zahlreich sein werden als ohne den Rettungsschirm.“
Die Pandemie sorge „für enorme Unsicherheiten in der Realwirtschaft und Verwerfungen an den Kapitalmärkten“, heißt es auch im Gesetzentwurf zur Schaffung des WSF. „Unternehmen geraten zunehmend in Liquiditätsengpässe und Insolvenzgefahr.“
Der WSF ermögliche über die KfW-Programme hinaus „auch großvolumige Stützungsmaßnahmen mit der Möglichkeit der direkten Eigenkapitalstärkung für relevante große deutsche Unternehmen der Realwirtschaft“, heißt es im Gesetzentwurf.
Der Fonds soll einerseits Staatsgarantien für die Verbindlichkeiten von Unternehmen abgeben, andererseits direktes Beteiligen ermöglichen. Für Ersteres werde der WSF laut Entwurf ermächtigt, „Garantien bis zur Höhe von 400 Milliarden Euro zu übernehmen, um Liquiditätsengpässe zu beheben und die Refinanzierung am Kapitalmarkt zu unterstützen“.
Die Idee dahinter: Angesichts der Krise könnten Zweifel wachsen, ob Firmen in der Lage sind, ihre Kredite zu bedienen – schließlich machen viele wegen des eingeschränkten öffentlichen Lebens kaum noch Umsätze. Eine Staatsgarantie könnte den Unternehmen dann helfen, sich frisches Geld am Finanzmarkt zu leihen.
Die Laufzeit der Garantien und der abzusichernden Verbindlichkeiten darf 60 Monate nicht übersteigen. Die 60 Monate sowie die 400 Milliarden Euro sind im Entwurf allerdings noch in eckige Klammern gesetzt. Heißt: Höhe und Laufzeit sind noch nicht abschließend geklärt.
Das ganze Wochenende über wurde an den Details gefeilt. Auch am Sonntagnachmittag liefen die Gespräche noch, hieß es von Beteiligten. Allerdings wurde in den Ministerien betont, dass es keine größeren Änderungen mehr geben werde.
Bereits fest stehen 100 Milliarden Euro für direkte Unternehmensbeteiligungen. So werde das Finanzministerium ermächtigt, für den WSF zur Deckung von Aufwendungen und von Maßnahmen „Kredite bis zur Höhe von 100 Milliarden Euro aufzunehmen“, heißt es im Gesetzentwurf. Das bedeutet: Droht ein Unternehmen in Schieflage zu geraten, könnte sich der Staat direkt daran beteiligen. Die Konzerne würden de facto teilverstaatlicht.
In der Finanzkrise hatte der Staat sich etwa an Banken beteiligt. Bis heute hält der Bund noch einen Anteil an der Commerzbank. Damals wurden stille Einlagen genutzt. Dieses Instrument ist weiterhin vorgesehen. Daneben sind nun aber auch andere Kapitalspritzen möglich. Dadurch hätte der Staat auch entsprechende Stimmrechte, etwa auf einer Hauptversammlung.
Zudem soll es wie schon in der Finanzkrise wieder Regeln geben für Konzerne, denen der Staat und damit letztlich der Steuerzahler beispringt. Im Gesetzentwurf ist geregelt, dass das Finanz- und das Wirtschaftsministerium den begünstigten Konzernen Auflagen machen können. Dazu gehören etwa Vergütungsgrenzen für den Vorstand oder Vorgaben zur Dividendenausschüttung.
Ohnehin orientiert sich die Bundesregierung sehr an den Erfahrungen aus der Finanzkrise. Sie nutzt für den neuen Rettungsschirm die Strukturen des alten Bankenrettungsfonds Soffin. „Das Finanzmarktstabilisierungsfondsgesetz wird umbenannt in Gesetz zur Errichtung eines Stabilisierungsfonds“, heißt es in dem Gesetzentwurf.
Auch wenn das alles drastische Maßnahmen sind, gibt es Unterstützung von Ökonomen. „Die Bundesregierung ist grundsätzlich auf dem richtigen Weg“, sagte Michael Hüther, Chef des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), dem Handelsblatt.
Nach Kurzarbeitergeld und Liquiditätshilfen werde man auch an direkten Unternehmenshilfen und Kapitalbeteiligungen nicht vorbeikommen. „Es kann sein, dass für eine gewisse Zeit bestimmte kritische Unternehmen quasi teilverstaatlicht werden“, sagt Hüther und verweist auf das Vorgehen der US-Regierung, die in der Finanzkrise Banken verstaatlicht hatte.
Der Gesetzentwurf sieht zudem vor, dass der WSF der KfW-Bank weitere 100 Milliarden Euro an Krediten bereitstellen könnte. „Der WSF kann der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) Darlehen zur Refinanzierung der ihr von der Bundesregierung als Reaktion auf die sogenannte Coronakrise zugewiesenen Sonderprogramme gewähren“, heißt es im Entwurf.
Daher werde das Finanzministerium ermächtigt, „für den WSF zum Zwecke der Darlehensgewährung Kredite in Höhe von bis zu 100 Milliarden Euro aufzunehmen“. Dadurch will die Bundesregierung absichern, dass die KfW in der Lage ist, die ihr zugewiesenen enormen Aufgaben bei den Liquiditätshilfen zu stemmen.
Die Maßnahmen der Bundesregierung finden parteiübergreifend Zustimmung. Wenn nächste Woche der Bundestag die Ausnahmeregelung für Notfälle bei der Schuldenbremse ziehen will, dürften alle Parteien im Bundestag zustimmen.
Ökonom Fuest warnt aber vor falschen Hoffnungen: „Kein noch so großer Rettungsschirm kann die Tatsache aus der Welt schaffen, dass die zur Eindämmung der Epidemie ergriffenen Maßnahmen zu einem Einbruch der Wirtschaftsentwicklung führen werden.“
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