In den Handelsblatt-Interviews wird deutlich: Armin Laschet und Olaf Scholz haben unterschiedliche Pläne fürs Land – es gibt aber auch Überschneidungen.
Armin Laschet und Olaf Scholz
Wer folgt auf Angela Merkel?
Bild: Max Brunnert für Handelsblatt
Berlin Sie beide wollen das Gleiche: ins Kanzleramt. Doch Armin Laschet (CDU) und Olaf Scholz (SPD) sind nicht nur völlig unterschiedliche Charaktere. Die beiden Kanzlerkandidaten von Union und SPD haben auch unterschiedliche Vorstellungen davon, wie das Land künftig regiert werden soll.
Diese wurden auch in den beiden Interviews, die das Handelsblatt mit ihnen geführt hat, deutlich. Ob der Umgang mit der Linkspartei, die Digital- oder Steuerpolitik – beide schlagen jeweils einen völlig anderen Ton an. Es gibt allerdings auch überraschende Übereinstimmungen, etwa in der Haushalts- und Europapolitik.
Laschet sagte im Interview, ihn unterscheide von Scholz das „Verständnis von Politik“. Er habe Vertrauen in die Bürger und in die Innovationskraft von Unternehmen. „Hier setzen wir an, um die Krise durch eine Entfesselung der Wirtschaft zu überwinden.“
Der Kanzlerkandidat der Union will deshalb die Steuern senken – und das sogar schneller als ursprünglich geplant. In seinem am Montag vorgelegten Sofortprogramm verspricht Laschet, die Steuern für Familien sofort zu senken und nicht erst „perspektivisch“, wie es noch im Wahlprogramm hieß.
Daneben will Laschet auch den Rest-Solidaritätszuschlag für Topverdiener abschaffen und die Steuern für Unternehmen von heute rund 30 auf 25 Prozent senken. „Wir werden mit Wachstum und Beschäftigung die Einnahmen generieren, die wir brauchen“, sagt Laschet.
Scholz hält das nicht für glaubwürdig. „Finanziert ist das alles nicht. Deshalb nimmt niemand das Sofortprogramm der Union ernst“, so der SPD-Kanzlerkandidat im Handelsblatt-Interview. (Lesen Sie dazu auch: Pendlerpauschale, Pauschbetrag, Kindergeld: So teuer sind Laschets neue Wahlversprechen)
30 Milliarden Euro zusätzlich auszugeben, um Steuern für Unternehmen und Topverdiener zu senken, sei „ungerecht, unsolidarisch und unfinanzierbar“, so Scholz. Und er findet sogar: auch „unmoralisch“. Scholz will deshalb Topverdiener und Vermögende mehr Steuern zahlen lassen, um Erleichterungen für untere und mittlere Einkommen gegenzufinanzieren. Auch von Steuersenkungen für Unternehmen hält er nichts.
Einen großen Unterschied gibt es auch in der Digitalpolitik. Um die schleppende Digitalisierung in Deutschland voranzutreiben, will der nordrhein-westfälische Ministerpräsident im Falle eines Wahlsiegs ein Digitalministerium im Bund schaffen, so wie er es zuvor schon in NRW getan hat. „Das ist ein Muss“, sagte Laschet im Interview.
Scholz hingegen hält von einem eigenen Digitalressort nichts. Der SPD-Kanzlerkandidat hält die Digitalisierung für ein Querschnittsthema aller Bundesministerien. Die Koordinierung will er aber stärken – und die Funktion dafür bei sich im Bundeskanzleramt aufhängen.
Ein klarer Unterschied wurde in den Interviews auch im Umgang mit der Linkspartei deutlich. Er sage klar, mit wem er nicht regieren werde, sagte Laschet im Interview: Mit der AfD und der Linkspartei werde es kein Bündnis geben.
Scholz hingegen schließe ein Linksbündnis nicht aus – und das aus gutem Grund, so Laschet: „Dieses Mal wird die nach links gerückte SPD es machen.“ Scholz könne das auch gar nicht verhindern, „weil große Teile der SPD mit der Linken regieren wollen“.
Scholz schließt ein Bündnis mit der Linken tatsächlich nicht explizit aus. Er befürchtet: Das könnte im linken Lager Stimmen kosten. Aber zugleich macht Scholz deutlich, welche Grundbedingungen aus seiner Sicht für ein Linksbündnis erfüllt sein müssen: eine gute Zusammenarbeit mit den USA und innerhalb der Nato oder die Erteilung von Mandaten für Auslandseinsätze der Bundeswehr. Dazu ist die Linkspartei bislang aber nicht bereit.
Von Beobachtern wurden die Aussagen von Scholz im Handelsblatt-Interview ohnehin eher anders interpretiert: nicht als Bewerbungsschreiben an die Linkspartei, sondern als Flirt mit der FDP.
So bekennt sich Scholz in dem Gespräch zur Schuldenbremse. Schon jetzt fließen viele Investitionen nicht ab, „das ist derzeit das größere Problem“, sagte er. Außerdem ginge es in der Klimapolitik „überwiegend um private Investitionen“. Mit anderen Worten: Eine Reform der Schuldenbremse oder eine Umgehung der Schuldenregel sei nach der Wahl nicht angezeigt.
In der Frage der Schuldenpolitik haben sich Scholz und Laschet damit angenähert: Laschet selbst hatte im Frühjahr noch eine Aufweichung der Schuldenbremse über einen sogenannten „Deutschlands-Fonds“ in Spiel gebracht.
Nach Widerstand in den eigenen Reihen hat er die Idee vorerst aber wieder fallen gelassen. Ganz ausgeschlossen hat Laschet einen solchen Fonds aber bis heute nicht. Und auch die SPD hat sich in ihrem Wahlprogramm eine Hintertür für die Schaffung solcher Investitionsfonds offengelassen.
Ebenso erteilt Scholz in dem Interview einer Lockerung der EU-Schuldenbremse eine klare Absage, die fast alle Ökonomen wegen der hohen Verschuldung vieler EU-Staaten für notwendig halten – und die von südeuropäischen Ländern vehement eingefordert wird.
Die überraschend klaren Ansagen von Scholz dürften gerade in Italien und Frankreich eher mit Entsetzen gelesen werden. Scholz dürfte es jetzt allerdings um etwas anderes gehen: in den letzten Tagen vor der Wahl, frühere und jetzt unentschlossene Merkel-Wähler für die SPD zu gewinnen. Um die EU-Schuldenregeln kann man sich später immer noch kümmern.
Die Union hatte zuvor versucht, Scholz in der Europapolitik anzugreifen. Mit ihm als Kanzler steuere Europa in eine „Schuldenunion“, bei der deutsche Steuerzahler für Arbeitslose in Rumänien oder Bulgarien geradestehen müssten, wetterte etwa CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak.
Scholz wies das im Handelsblatt-Interview zurück: „Der Vorwurf ist lächerlich“, sagte er. Jetzt gehe es erst mal darum, dass der in der Coronakrise geschaffene Wiederaufbaufonds überhaupt richtig ans Laufen komme. Und bei dem müssten die EU-Staaten die Kredite zurückzahlen.
In einigen zentralen Fragen wie der Steuerpolitik unterscheiden sich Scholz und Laschet also sehr – in einigen Punkten sind sie sich aber ähnlicher, als viele zunächst dachten.
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