Gründer und Jungunternehmer sind sich uneins, wie viel Einfluss der Staat in Zukunft auf die Wirtschaft haben soll. Für Konflikte sorgt vor allem die Ökopartei.
Verbandsvorsitzende Sarna Röser
Die Jungen Unternehmer finden, der Staat sollte sich auf seine ordnungspolitischen Aufgaben konzentrieren.
Bild: DIE JUNGEN UNTERNEHMER
Berlin Der deutsche Start-up-Verband hat in diesen Tagen die wichtigsten Elefanten zu Gast. „Startups meet Elephants“ heißt die Veranstaltungsreihe – gemeint sind die Generalsekretäre von CDU, SPD, Grünen und FDP, die den Gründern live per Videoschalte Rede und Antwort stehen sollen.
Als erster Elefant im virtuellen Raum durfte sich Michael Kellner, Bundesgeschäftsführer der Grünen, mit den politischen Ideen seiner Partei den Start-ups präsentieren. Der 44-Jährige spricht von Glasfaserausbau, einem speziellen Visum für Fachkräfte und von Bürokratieabbau bei der Unternehmensgründung. Themen, die bei Moderator Christian Miele, Vorsitzender des Start-up-Verbands, gut ankommen.
Doch gleichzeitig gibt es auch einen metaphorischen Elefanten im Raum: den Staat. Die Grünen wollen mehr Regulierung und Subventionierung, um die Wirtschaft langfristig auf Nachhaltigkeit zu trimmen. Selbst der von den Grünen geplante staatliche Wagniskapitalfonds stößt bei Moderator Miele auf Skepsis. Der Staat als Investor? Lieber nicht.
Kellners Auftritt zeigt das zweigeteilte Bild, das die Grünen bei jungen Unternehmern derzeit hinterlassen und an dem sich eine politische Debatte über den richtigen Weg zu einer zukunftsfähigen Wirtschaft entzündet hat: Wie weit soll der Staat dabei gehen, diesen zu ebnen?
Auf der einen Seite feiern gerade urbane Start-ups die Grünen als Partei, die den überfälligen Aufbruch in eine moderne, nachhaltige Wirtschaft verkörpern. Laut Start-up-Monitor 2020 würden fast 38 Prozent der befragten Gründer die Grünen wählen. Das ist Platz eins weit vor der CDU (28 Prozent).
Auf der anderen Seite fürchten viele junge Unternehmer die Partei als Regulierer mit Tendenz zur Planwirtschaft – eine Angst, die sich vor allem vor dem Hintergrund eines möglichen Linksbündnisses mit SPD und Linken noch verstärkt.
Sarna Röser ist Bundesvorsitzende des Verbands Die Jungen Unternehmer und zählt all die Dinge aus dem Wahlprogramm der Grünen auf, die ihrer Meinung nach die Innovationskraft von Unternehmen gefährden: „Die Beschränkungen des Eigentumsprinzips, Solarpflicht, Verstaatlichung der Stromnetze, staatliche Lenkung der Technologieförderung“ – dies seien nur einige Beispiele für den grünen „Irrglauben, dass der Staat alles richten könne“, sagt Röser dem Handelsblatt.
Die 34-Jährige ist eine der prominentesten Gegnerinnen der Partei und malt das Schreckensszenario einer staatlich durchregulierten Wirtschaft unter grüner Führung an die Wand. Öffentlich kritisiert sie die „grüne Klientelpolitik“, warnt vor „völlig kontraproduktiven Eingriffen eines grünen Staates“ oder vertritt die These, dass im grünen Wahlprogramm „Werte der Sozialen Marktwirtschaft aus unserer Gesellschaft verbannt werden sollen“.
Stattdessen sehen die Jungen Unternehmer, dass die Wahlprogramme der Union und der FDP„in die richtige Richtung“ gehen. Die Union tue gut daran, auf Wachstum zu setzen und Steuererhöhungsplänen wie von Grünen und SPD eine klare Absage zu erteilen.
Dabei spielt sie vor allem auf die Vermögensteuerpläne von SPD, Linken und Grünen an, die „gerade unserer erfolgreichen Start-up- und Gründerszene massiv schaden würden“, warnt Röser. Prominente Unterstützung erhält sie von den Investoren Georg Kofler und Frank Thelen. Thelen spendete im Juli gemeinsam mit zehn Gründern, darunter Tao Tao von Getyourguide und Julian Teicke von Wefox, öffentlichkeitswirksam insgesamt 500.000 Euro an die FDP mit dem Hinweis: „Ich bin überzeugt, dass eine rot-rot-grüne Regierung verheerende Folgen für unsere Wirtschaft und somit den Standort Deutschland hätte“. Kofler pflichtete ihm bei und schrieb auf Twitter, dass „Linksgrün einen Rückfall in eine dirigistische Planwirtschaft“ anstrebe.
Ganz anders klingt es hingegen, wenn sich andere namenhafte Start-up-Gründer zu der Politik der Grünen äußern. Ihnen geht es vor allem um den effektiven Kampf gegen die Klimakrise mithilfe einer transformierten Wirtschaft.
Waldemar Zeiler, Gründer des Unternehmens Einhorn, sagt etwa: „Umweltschutz ist seit Gründung die DNA dieser Organisation, und deswegen genießen sie eine höhere Glaubwürdigkeit als die anderen Parteien.“ Ein möglicher Wahlsieg der Grünen, hofft Zeiler, könnte die Politik beim Thema Klimaschutz „massiv aufrütteln“.
Auf mehr Dynamik hofft auch Sonja Jost, CEO des Berliner Chemie-Start-ups Dexlechem, die auf die gesamte Parteienlandschaft mit Skepsis guckt. Am ehesten beobachtet sie aber bei den Grünen eine Zuwendung zu innovations- und technologiegetriebenen Start-ups, für sie ganz entscheidend, um etwa eine grundlegend nachhaltige Chemieindustrie aufzubauen.
Sonja Jost
Für Jost ist es der Markt, dessen „Versagen die Implementierung von grüneren Innovationen, die heute schon kostenkompetitiver sind, vielerorts verhindert“.
Bild: BOSTELMANN / BILDFOLIO für Handelsblatt
Hier habe sich „eine Bewegung gebildet, die versucht, den Innovationspool von grünen Industrien wirtschaftlich für Deutschland zu erschließen“, sagt sie dem Handelsblatt. Für Jost ist es der Markt, dessen „Versagen die Implementierung von grüneren Innovationen, die heute schon kostenkompetitiver sind, vielerorts verhindert“. Sie hoffe sehr, dass sich die Grünen nicht auch zurücklehnten und alles diesem Markt überließen.
Markt gegen Staat, es ist die alte Debatte. Dabei sind sich beide Seiten erstaunlich einig in den Zielen einer gelungenen Wirtschaftspolitik: Innovationsförderung und Klimaschutz stehen überall hoch auf der Agenda. Nur an der Frage, wie das erreicht werden soll, scheiden sich die Geister.
Bei genauer Betrachtung zeigt sich, dass die Debatte auch entlang altbekannter Konfliktlinien geführt wird: zwischen Industrie- und Technologieunternehmen sowie zwischen Stadt und Land. „Heute werden kaum noch Industrieunternehmen gegründet, eher Dienstleistungs- und Handelsunternehmen“, sagt die Verbandsvorsitzende Röser „und die Grünen wollen den Industriebetrieben das Leben noch schwerer machen“.
Tatsächlich setzen die Grünen laut Wahlprogramm auf „Investitionen in klimafreundliche Technologien und eine grüne Digitalisierung“, die alte Industrie hingegen müsse „sich dafür neu erfinden“. Eine Einstellung, die bei den jungen Familienunternehmern, die Röser vertritt, auf wenig Gegenliebe stößt.
Heike Hölzer, Professorin für Entrepreneurship und Mittelstandsmanagement an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin, weist noch auf einen anderen Faktor hin: „Aufseiten der Start-ups spielt auch das großstädtische Milieu, in dem sich viele gründen, eine Rolle.“ Dieses sei häufig eher grün geprägt.
Auch Röser sieht das so. Sie wirft allerdings den Grünen vor, als „Großstadtpartei“ die ländliche Bevölkerung für ihre Ideen bezahlen zu lassen. „Die Steuern der Landbevölkerung sollen herhalten, um den gutverdienenden Akademikern die hippen Lastenfahrräder zu subventionieren.“
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