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25.11.2021

16:26

Interview

Wirtschaftsweise Schnitzer: „Die Änderung des Ressortzuschnitts kann ich nicht verstehen“

Von: Julian Olk

Die Ökonomin wundert sich über die Ministerien – insbesondere beim Verbraucherschutz. Die Möglichkeit zur Zerschlagung von Großkonzernen befürwortet Schnitzer wiederum.

„Digitalisierung ist ein Querschnittsthema. Das zeigt auch der Koalitionsvertrag.“ Imago Images

Monika Schnitzer

„Digitalisierung ist ein Querschnittsthema. Das zeigt auch der Koalitionsvertrag.“

Die Wirtschaftsweise Monika Schnitzer ist über den geplanten Ressortzuschnitt der Ampelkoalition erstaunt. „Das verwundert mich in der Tat“, sagte sie dem Handelsblatt. Konkret geht es um die Zuständigkeit beim Verbraucherschutz. Dieses war bislang im Justizministerium angesiedelt und soll jetzt zum Umweltministerium übergehen.

Natürlich gebe es Punkte beim Verbraucherschutz, die Umweltfragen betreffen, so Schnitzer: „Aber die größten Herausforderungen im Verbraucherschutz sehe ich aktuell im Bereich der digitalen Märkte.“ Die Änderung des Ressortzuschnitts könne sie nicht verstehen, aber vielleicht komme ja noch eine sinnvolle Erklärung.

Schnitzer lobte derweil die Vorstöße im Koalitionsvertrag, die für mehr Wettbewerb in der Wirtschaft sorgen sollen. Insbesondere gelte das für die Zerschlagung von großen Digitalkonzernen wie Google oder Amazon als letztes Mittel. „Das ist ein wichtiger Schritt“, erklärte die Professorin der Universität München. Schon allein die Drohung, dieses Mittel einzusetzen, werde auf die Konzerne disziplinierend wirken. Schnitzer findet: „Es ist deshalb gut, dass die Ampel explizit in den Koalitionsvertrag aufgenommen hat, sich für diese Möglichkeit auf europäischer Ebene einzusetzen.“

Lesen Sie hier das ganze Interview:

Frau Schnitzer, die Ampel will laut Koalitionsvertrag den Wettbewerb in der Wirtschaft fördern. Reichen die angedachten Maßnahmen dafür?
Sie sind jedenfalls zu begrüßen. Das Thema Wettbewerb hatte die alte Koalition schon deutlich vorangetrieben. Etwa mit der Möglichkeit, großen Digitalkonzernen eine überragende marktübergreifende Stellung zu attestieren, ist Deutschland internationaler Vorreiter. Nun will die Koalition weitere Lücken schließen, insbesondere im Bereich der Fusionskontrolle.

In Deutschland gibt es schon die Möglichkeit, dass das Bundeskartellamt Fusionen von Unternehmen prüfen kann, obwohl sie eine bestimmte Umsatzschwelle noch nicht erreicht haben. Stattdessen zählt der Kaufpreis. Reicht das nicht?
Diese Möglichkeit muss dringend in ganz Europa angewendet und Verbote sogenannter Killer-Acquisitions müssen auch gerichtsfest werden. Dafür will sich die Ampel einsetzen. Gerade in der digitalen Wirtschaft ist das ein wichtiges Thema. Junge Unternehmen haben häufig kaum Umsatz, können aber den großen Konzernen durch ihre Datenschätze und neue Produktideen trotzdem gefährlich werden. Verleiben Großkonzerne sich diese ein, schadet das häufig dem Wettbewerb. Die Übernahme des Digitalarmband-Herstellers Fitbit durch Google war so ein Fall. Die EU-Kommission hat sich nicht getraut einzugreifen, weil sie befürchtet hat, mit der aktuellen Rechtslage vor Gericht zu verlieren.

Was muss passieren?
Da müssen wir dringend nachschärfen, gerade auf EU-Ebene. Vor allem muss die Fusionskontrolle gerichtsfester werden.

Was sich im Koalitionsvertrag erstmals findet, ist die Zerschlagung von Großkonzernen als letztes Mittel.
Das ist ein wichtiger Schritt. Wenn Digitalriesen wie Google, Apple oder Amazon ihre marktbeherrschende Stellung ausnutzen, bekommen sie bloß Verhaltensregeln auferlegt. Das stört diese Konzerne aber kaum, sie finden immer eine Möglichkeit, sie zu umgehen. Deshalb muss eine missbrauchsunabhängige Entflechtung auf verfestigten Märkten als Ultima Ratio möglich sein. Schon allein die Drohung, dieses Mittel einzusetzen, wird auf die Konzerne disziplinierend wirken. Es ist deshalb gut, dass die Ampel explizit in den Koalitionsvertrag aufgenommen hat, sich für diese Möglichkeit auf europäischer Ebene einzusetzen.

Die Ampel plant darüber hinaus, dem Bundeskartellamt Handlungsmöglichkeiten im Rahmen des Verbraucherrechts zu geben. Was bringt das?
Das Bundeskartellamt hat seit 2017 Befugnisse im Verbraucherschutz. Es kann Untersuchungen durchführen und hat in der Digitalwirtschaft bereits erhebliche verbraucherrechtliche Defizite aufgedeckt, bei Preisvergleichsportalen, Nutzerbewertungen oder Smart-TVs. Das Problem: Die Beamten können nicht mehr tun, als diese Dinge festzustellen. Sie haben bislang keine Befugnisse, die Unternehmen zu zwingen, ihr Verhalten zu ändern. Das könnte sich nun ändern, und das wäre ein wichtiger Schritt.

Beim Verbraucherschutz wird es generell zu einer Neuordnung kommen. Laut Koalitionsvertrag wird das Thema nicht weiter im Justiz-, sondern künftig im Umweltministerium angesiedelt. Verstehen Sie das?
Das verwundert mich in der Tat. Natürlich gibt es Punkte beim Verbraucherschutz, die Umweltfragen betreffen. Aber die größten Herausforderungen im Verbraucherschutz sehe ich aktuell im Bereich der digitalen Märkte. Bisher waren diese Themen im Justizministerium angesiedelt. Die Änderung des Ressortzuschnitts kann ich nicht verstehen. Aber ich habe auch noch keine Erklärung dazu gehört, vielleicht kommt die ja noch. Eigentlich hätte man das mit der Zuständigkeit für Wettbewerbsthemen verknüpfen sollen.

Ein Digitalministerium wird es nun nicht geben.
Stimmt, aber das Verkehrsministerium soll sich offenbar nun nicht mehr bloß um die digitale Infrastruktur, sondern um Digitales insgesamt kümmern. Gleichzeitig sollen die Kompetenzen für Digitalisierung in der Bundesregierung neu geordnet und gebündelt werden und es soll ein zentrales zusätzliches Digitalbudget geben. Wer dies verantworten soll, steht allerdings nicht im Koalitionsvertrag.

Was spricht gegen das Verkehrsministerium?
Digitalisierung ist ein Querschnittsthema. Das zeigt auch der Koalitionsvertrag. Ich halte viele der dort aufgeführten Maßnahmen für sinnvoll. Ein Digitalcheck für Gesetzesvorhaben und ein eigenes Digitalbudget, solche großen Schritte braucht es dringend. Aber das muss sich in allen Bereichen der Regierungsarbeit zeigen. Hier wird in jedem Fall viel Koordinationsarbeit notwendig sein.

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