Mit SPD und FDP ist die Parteispitze über den Koalitionsvertrag einig. Doch im Gerangel um die Besetzung der Ministerposten gibt es offenbar Flügelkämpfe zwischen Realos und Linken.
Anton Hofreiter, Cem Özdemir
Dem Vernehmen nach gibt es Streit zwischen linkem Flügel und Realos um die künftigen Rollen der beiden Grünen-Politiker.
Bild: dpa
Berlin Die in den vergangenen Jahren zelebrierte Einigkeit der Grünen hat Risse bekommen. Auf den letzten Metern zur angestrebten Regierungsbeteiligung verheddert sich die Partei bei der Besetzung von Ministerposten und anderen Spitzenämtern. Eigentlich wollte die Parteiführung am Donnerstagnachmittag ihr Personal bekanntgeben, mit dem sie in einer möglichen Ampel regieren wollen. Doch daraus wurde nichts.
Hinter den Kulissen gab es bis zum Abend Zoff über die Aufteilung der Posten an die Flügel der Partei. Offenbar sollte Realo Cem Özdemir das Landwirtschaftsministerium übernehmen, der damit Fraktionschef Anton Hofreiter vom linken Flügel verdrängen würde. Hofreiter würde dann leer ausgehen.
Verstärkung für den Schwaben Özdemir kam von seinem Parteifreund Danyal Bayaz, Finanzminister in Stuttgart. „Ich kann mir kein Kabinett mit grüner Beteiligung vorstellen, in dem Cem Özdemir nicht dabei ist“, twitterte Bayaz am Donnerstagabend. „Und ich denke: so geht es den allermeisten in diesem Land.“
Auch Hamburgs Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank wünschte sich Özdemir als Minister: Ihr ginge es sicher wie sehr, sehr vielen Leuten in diesem Land: Ein Bundeskabinett mit grüner Beteiligung sei ohne Özdemir „nur schwer vorstellbar“, schrieb die Grüne auf Twitter.
Gesetzt ist Parteichef Robert Habeck als Minister für Wirtschaft und Klimaschutz sowie für den Posten des Vizekanzlers. Co-Chefin und Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock soll nach dem Willen des Parteivorstands Außenministerin werden. Das bestätigte auch Habeck am Donnerstag erstmals öffentlich. Die Grünen würden „mit großer Wahrscheinlichkeit das Außenministerium mit Annalena Baerbock besetzen“, sagte er.
Die Grünen besetzen fünf Ministerien: Neben dem Landwirtschafts-, und dem Außenministerium auch das Transformationsministerium für Wirtschaft und Klima sowie das Familien- und das Umweltressort. Mit Özdemir, Baerbock und Habeck wären drei Realos im Kabinett.
Als Kandidatin für das Umweltministerium gilt die Parteilinke Steffi Lemke. Laut „Spiegel“ soll Anne Spiegel, ebenfalls Parteilinke und aktuell Landesumweltministerin in Rheinland-Pfalz, den Posten als Familienministerin übernehmen. Ursprünglich war dafür die derzeitige Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt vorgesehen, die bei einem Ministeramt für Özdemir statt für Hofreiter der Austarierung des Kräfteverhältnisses der Flügel zum Opfer fiele.
Das Ergebnis des Geschachers: Die Urabstimmung zum Koalitionsvertrag startet verspätet erst am Freitagmorgen.
„Ein bisschen müsst ihr noch warten“, sagte Habeck zum Auftakt des sogenannten Bund-Länder-Forums. Bei der Veranstaltung am Donnerstag wollten Parteiführung und Unterhändler für den mit SPD und FDP ausgehandelten Koalitionsvertrag werben, über den nun die 125.000 Parteimitglieder abstimmen sollen.
Die Urabstimmung soll nach Angaben der Grünen zehn Tage dauern. Neben der digitalen Abstimmung soll auch ein Votum per Brief möglich sein. Für die Annahme des Koalitionsvertrags und die Zustimmung zum Personaltableau sei eine einfache Mehrheit notwendig. Ein Quorum gebe es nicht.
Am Bund-Länder-Forum nahmen etwa 80 Grüne teil, zum Teil digital, zum Teil vor Ort. Sie kamen aus den Spitzen von Partei und Fraktion, den Ländern, dem Europaparlament und der Grünen Jugend. Auch das Verhandlungsteam aus den Koalitionsgesprächen war dabei.
Baerbock warb in ihrer Rede für den vorgelegten Vertrag. Man könne „stolz“ drauf sein, „was wir hier verhandelt haben“, sagte sie. Und stolz, als Partei endlich auch wieder auf Bundesebene Verantwortung übernehmen zu können.
Man könne nicht alles auf einmal verändern, sagte Baerbock weiter an alle diejenigen Mitglieder gerichtet, die den Verhandlungsführern vorwerfen, für die Grünen nicht genügend herausgeholt zu haben. „Man muss Prioritäten setzen, man kann nicht alles auf einmal tun.“
Außenexperte Omid Nouripour mahnte die Partei, sich „nicht kleinmachen zu lassen“. Die Grünen bekämen vier „hochklimarelevante Ministerien“, inklusive des Außenministeriums. Das sei ein großartiger Erfolg.
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