PremiumNun also doch: SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach soll Deutschland als Minister durch die Pandemie führen. Er muss aber auch das Gesundheitswesen an zentralen Stellen reformieren.
Berlin Karl Lauterbach steht in der SPD-Parteizentrale, die Hände hat er in den Hosentaschen vergraben. Er tippelt etwas auf und ab – so, als könne er es kaum erwarten, auf die Bühne zu gehen, auf der Olaf Scholz gleich die sieben SPD-Minister vorstellen wird.
Lauterbach wollte es immer werden, und jetzt darf er auch: Der SPD-Gesundheitsexperte wird neuer Gesundheitsminister der künftigen Ampelkoalition. Der 58-Jährige übernimmt im Kabinett des künftigen Kanzlers Olaf Scholz den Posten des derzeit wichtigsten Krisenmanagers.
Die Coronapandemie sei „noch lange nicht vorbei“, sagte Scholz bei der Vorstellung der SPD-Minister. Die meisten Bürger hätten sich deshalb gewünscht, dass der nächste Gesundheitsminister vom Fach sei und dass er Karl Lauterbach heiße, sagte Scholz. „Er wird es.“
Von Lauterbach wird nun maßgeblich abhängen, wie gut Deutschland durch die Pandemie kommt, woran sich auch der künftige Kanzler Scholz messen lassen muss. Auf Lauterbach wartet damit das wohl schwierigste Amt der künftigen Ampelkoalition.
Lauterbach zeigte sich zuversichtlich, die Coronapandemie zurückzudrängen. Sie werde länger dauern, als viele dächten. „Wir werden das aber schaffen. Impfen wird die zentrale Rolle spielen, aber nicht nur. Wir werden den Kampf gegen die Pandemie gewinnen, und für weitere Pandemien werden wir besser gerüstet sein.“
Auch wenn Lauterbach schon länger als Gesundheitsminister gehandelt wurde, sorgte Scholz mit der Personalie am Montag doch für eine Überraschung.
Für Lauterbach spricht, dass er sich nicht lange einarbeiten muss, aber auch nicht darf: Die Dringlichkeit der Coronakrise duldet die sonst übliche Schonfrist nicht. Seit Beginn der Pandemie tritt der Epidemiologe als Coronaerklärer und -mahner auf, warb in der Öffentlichkeit für die oft umstrittenen Maßnahmen der Großen Koalition mit detailliertem Studienwissen und seiner nüchternen Art. In den sozialen Netzwerken musste Lauterbach dafür viele Anfeindungen hinnehmen – er erhielt Polizeischutz –, er bekam allerdings auch viel Anerkennung.
Scholz soll die Entscheidung nicht leichtgefallen sein, hieß es aus SPD-Kreisen. Als Kandidaten waren auch die sächsische Gesundheitsministerin Petra Köpping und die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Sabine Dittmar, im Gespräch.
Lauterbach hat seit seiner Kandidatur um den SPD-Parteivorsitz 2019 keinen leichten Stand in der Partei. Schonungslos wetterte er damals gegen die Große Koalition und damit gegen die Parteiführung – und gegen Scholz.
Viele in der SPD halten Lauterbauch zudem für unberechenbar, sind genervt von seinen ständigen Fernsehauftritten und haben große Zweifel, dass Lauterbach sich im Bundeskabinett unterordnet.
Lauterbach entsprach damit genau dem Politikertypus, dem der künftige Kanzler Scholz wenig traut und den er eigentlich auch nicht in seinem Umfeld haben will. Doch Scholz sprang über seinen Schatten. Vielleicht ließ er sich aber auch vom Druck der Öffentlichkeit treiben.
In Teilen der Bevölkerung ist Lauterbach extrem beliebt, die Menschen vertrauten ihm, heißt in der SPD. Gleichzeitig kenne sich keiner in der Gesundheitspolitik und mit der Coronakrise so gut aus wie Lauterbach. Vor seiner Zeit in der Politik war der Professor für Gesundheitsökonomie in Köln. Nachts und in seiner Freizeit verschlingt er Studien, die er dann am nächsten Tag in einfachen Worten den Bürgern erklärt.
Auch privat lebt Lauterbach ein gesundes Leben vor, verzichtet seit Jahren vollständig auf Salz und Zucker, womit er seinen Parteifreunden allerdings auch auf den Wecker geht, wenn er sie an Buffets beim Befüllen von Tellern ermahnt, was sie da gerade Ungesundes in sich hineinschaufeln.
Die Fallhöhe für den neuen Gesundheitsminister ist hoch. Lauterbach hat in den vergangenen Jahren alle spüren lassen, sich für den besten Gesundheitsminister zu halten. Er muss nun von Tag eins an liefern.
Lauterbach übernimmt das Amt in einer Zeit, in der vielerorts die Lage in den Krankenhäusern dramatisch ist – und sich mit der Omikron-Variante die nächste Verschärfung der Situation ankündigt. Auf der Ministerpräsidentenkonferenz am Donnerstag erwartet den künftigen Minister deswegen die erste Bewährungsprobe.
Zwar stehen bei den Bund-Länder-Treffen die Regierungschefs in der ersten Reihe. Der Gesundheitsminister ist aber bei zentralen Themen gefordert, etwa bei der Beschaffung der Impfstoffe und Tests, die derzeit zum Unmut der Länderchefs knapp sind. Schwierige Fragen erwartet Lauterbach auch mit der allgemeinen Impfpflicht, die zwar von der Bevölkerung mehrheitlich und auch ihm gewünscht wird, unter den Ampelparteien allerdings umstritten ist. Und mit den im Dezember beginnenden Kinderimpfungen wartet auf Lauterbach die nächste, logistische Herausforderung.
Einen Eindruck von ihm als Gesundheitsminister erhielt die Bevölkerung am Sonntag bei Anne Will. „Wir impfen jetzt wirklich gegen die Zeit“, mahnte Lauterbach dort in bekannter Weise. Er sehe, dass sich die Omikron-Variante schneller durchsetze als gedacht. Mit Blick auf die zunehmende Wut in Teilen der Bevölkerung – etwa gegen eine Impfpflicht – sagte er: „Der Staat darf sich nicht erpressen lassen.“
Als Lauterbach bei Anne Will saß, wusste er schon, dass er Gesundheitsminister wird. Viele Genossen schalteten nur deshalb die Sendung ein – um zu sehen, ob Lauterbach sich wirklich nichts anmerken ließ.
Vorschusslorbeeren gab es von Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU), der in der Sendung sagte, er würde Lauterbach als Gesundheitsminister begrüßen. Er verfüge über einen „Grundkompass“ und müsse sich nicht lange einarbeiten. Er schätze und respektiere Lauterbach, oft sei man einer Meinung.
Der Posten ist allerdings auch ein Schleudersitz. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) wollte den scheidenden Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) mit dem Amt politisch kaltstellen, als sie ihm das Ministerium zuwies.
Zwar avancierte Spahn in der Coronakrise zwischenzeitlich zu einem der beliebtesten Politiker des Landes. Das politische Kapital ist aber mittlerweile aufgebraucht, Spahn hat keine Aussicht auf einen einflussreichen Posten in der Union. Lauterbach weiß also, worauf er sich einlässt.
Das Amt gilt als wenig glamourös. Wer es übernimmt, muss sich mit mächtigen Lobbyverbänden der Apotheker, Ärzte, Krankenhäuser, Krankenkassen und anderen Bereichen des Gesundheitswesens herumschlagen, die oftmals gegeneinander arbeiten und Reformen blockieren.
Spahn löste den Widerwillen mit einer gehörigen Portion Tatkraft und viel Geld auf. Vor allem in der Digitalisierung machte der CDU-Politiker Tempo. Die elektronische Patientenakte, die seit Jahren im Gesetz steht, wird nun tatsächlich ausgerollt.
Doch Noch-Minister Spahn hinterlässt Lauterbach auch leere Kassen in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung, eine lückenhafte Pflegereform und eine marode Kliniklandschaft. Diesem will die Ampel mit einigen weitgehenden Reformen entgegenwirken, die der SPD-Politiker umsetzen muss.
Höhere Löhne in der Pflege, eine effizientere Kliniklandschaft und eine bessere ambulante Versorgung sind nur einige Projekte, die sich die Ampelparteien vorgenommen haben. „Bei uns wird es keine Leistungskürzungen geben“, sagte Lauterbach bei seiner Vorstellung. „Im Gegenteil, wir werden das Gesundheitswesen stärken.“
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