Lohncheckverfahren, staatliches Wagniskapital nur für Gründerinnen, Quoten – die Parteien versprechen den Frauen einiges. Doch was erwarten Unternehmerinnen und Gründerinnen?
Frauen in Führungspositionen
Mit der Frauenquote für Vorstände, dem Entgelttransparenzgesetz oder etwa dem Ausbau der Kinderbetreuung hat die Politik zuletzt einiges versucht, um für mehr Chancengleichheit von Frauen und Männern zu sorgen.
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Berlin Bundesfrauenministerin Christine Lambrecht (SPD) hat zum Frauen-Gleichstellungstag an diesem Donnerstag davor gewarnt, die durch die Coronakrise angestoßenen Verbesserungen in der Vereinbarkeit von Beruf und Familie wieder aufzugeben. „Wir sehen, dass während der Pandemie viele Unternehmen ihren Beschäftigten familienfreundliche Angebote gemacht und diese schätzen gelernt haben“, sagte Lambrecht. „Hier sollten wir nicht wieder in alte Muster zurückfallen, sondern weiter dranbleiben.“ Die gute Vereinbarkeit von Beruflichem und Privatem komme Familien und Wirtschaft gleichermaßen zugute.
„Deshalb setze ich mich auch nachdrücklich für einen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung im Grundschulalter ein, für den wir seitens des Bundes den Ländern immense Finanzmittel und Unterstützung zur Verfügung stellen wollen“, erklärte Lambrecht. Das entsprechende Gesetz war Ende Juni im Bundesrat gescheitert und liegt nun beim Vermittlungsausschuss.
Lambrecht betonte, die Arbeitswelt sei für die tatsächliche Gleichstellung von Männern und Frauen ein entscheidender Bereich: „Wir wollen endlich gleiche Löhne für gleichwertige Arbeit erreichen, mehr qualifizierte Frauen im Top-Management und eine faire Aufteilung von bezahlter Erwerbs- und unbezahlter Sorgearbeit.“ Mehr Frauen in Vorstandsetagen bereicherten die Wirtschaft und hätten eine wichtige Vorbildfunktion, „die auch in die übrigen Bereiche der Unternehmen ausstrahlt“.
Mit der Frauenquote für Vorstände, dem Entgelttransparenzgesetz oder etwa dem Ausbau der Kinderbetreuung hat die Politik jenseits des Steuerrechts zuletzt einiges versucht, um für mehr Chancengleichheit von Frauen und Männern zu sorgen.
Doch selbst die nun scheidende Langzeitkanzlerin Angela Merkel (CDU) musste zuletzt zugeben: vom Ziel einer „Parität überall“ sei Deutschland noch „sehr weit entfernt“.
Was haben sich nun aber die Parteien für die kommende Legislatur in Sachen Gleichstellung vorgenommen? Die Analyse der Wahlprogramme zeigt: Gründerinnen können hoffen. Weitere innovative Ansätze sind indes rar.
Die Union verspricht: „In unserem Modernisierungsjahrzehnt müssen wir die nach wie vor bestehende Benachteiligung von Frauen angehen und ihnen gleiche Chancen wie Männern ermöglichen.“ Wie genau das geschehen soll, bleibt vage: CDU und CSU wollen sich für mehr Familienfreundlichkeit auch in Führungspositionen einsetzen, die „geschlechterspezifische Lohn- und Rentenlücke„ beseitigen und notfalls das Entgelttransparenzgesetz überarbeiten. Das Gesetz schreibt fest, dass Beschäftigte von ihrem Arbeitgeber Auskunft verlangen können, wie Kollegen in vergleichbarer Position entlohnt werden.
Für den öffentlichen Dienst wird lediglich der Status quo referiert: Bis 2025 solle eine gleichberechtigte Teilhabe von Frauen in Leitungsfunktionen auf allen Ebenen verwirklicht werden.
Katrin Bacic, Strategiechefin beim Innovationslabor Wayra mit der Muttergesellschaft Telefónica, fordert von der künftigen Regierung, mehr Gleichstellungsgesetze zu erlassen: „Neben branchenweiter Unterrepräsentation und dem Gender-Pay-Gap ist das gravierendste Problem für Frauen in Führungspositionen die Unsicherheit, wie es nach der Elternzeit weitergeht.“
Bacic unterstützt die Initiative #stayonboard und lobt das bereits verabschiedete Gesetz, das es Vorstandsmitgliedern von Aktiengesellschaften erlaubt, temporäre Auszeiten wie Mutterschutz oder Elternzeit zu nehmen, ohne ihr Mandat niederlegen zu müssen. „Wir brauchen mehr davon“, meint Bacic.
Die SPD steckt sich ein anspruchsvolles Ziel: Die Sozialdemokraten wollen noch in diesem Jahrzehnt die Gleichstellung von Männern und Frauen „in allen gesellschaftlichen Bereichen“ erreichen.
Dafür soll etwa eine Frauenquote für Aufsichtsräte und Vorstände für alle börsennotierten oder mitbestimmten Unternehmen eingeführt werden. Wer sich nicht daran hält, soll „wirksame Sanktionen“ zu spüren bekommen. Für Bundestag, Länder und Kommunen fordert die SPD Paritätsgesetze.
Darüber hinaus will die SPD das Entgelttransparenzgesetz verschärfen. Künftig sollen Unternehmen und Verwaltungen verpflichtet werden, Löhne und Gehälter im Sinne der Geschlechtergerechtigkeit zu überprüfen und Verfahren festzulegen, mit denen Ungleichheit bei der Entlohnung beseitigt wird, ohne dass sich Betroffene selbst darum kümmern müssen.
Stephanie Joslyn vom Software-Anbieter Coyo sieht in der Praxis, dass Frauen in der IT-Branche noch immer stark unterrepräsentiert sind. Ohne Frauenquoten ändere sich in der Wirtschaft nichts, ist sie überzeugt. Nur über Druck ließen sich „verkrustete Strukturen“ aufbrechen.
Joslyn fordert zudem ausreichend Kita-Plätze und generell mehr Struktur: „Das entlastet berufstätige Frauen und ermöglicht es, Beruf und Karriere zu vereinen – auch und vor allem in Führungspositionen.“ Dringend ändern müsse sich auch, dass es in vielen Unternehmen oft noch ungern gesehen werde, wenn Männer ihre Elternzeit nehmen.
Im Wahlprogramm der Grünen heißt es: „Freiwillige Regelungen haben nichts gebracht. Deshalb brauchen wir Quoten, die wirklich die kritische Masse herstellen, um zu unserem Ziel von 50 Prozent Frauenanteil zu gelangen.“ Entsprechend ist das Programm mit einer Vielzahl von Quoten gespickt:
• Mindestens ein Drittel der Vorstandssitze größerer und börsennotierter Unternehmen muss bei Neubesetzung an Frauen gehen.
• Die Aufsichtsräte dieser Unternehmen sollen bei Neubesetzungen verpflichtend einen Frauenanteil von mindestens 40 Prozent anstreben.
• Unternehmen, die in der Hand des Bundes sind oder an denen der Bund beteiligt ist, sollen Parität erreichen.
• In Ministerien, Verwaltungen, Anstalten des öffentlichen Rechts, kommunalen Verbänden und kommunalen Unternehmen sollen perspektivisch ebenfalls 50 Prozent Frauen in Führungspositionen angestrebt werden.
• Verfassungsgemäße Parität per Gesetz in den Parlamenten und Kommunalvertretungen.
• Einführung einer paritätischen Frauenquote für Führungspositionen im Gesundheitswesen.
• Geplanter Frauenanteil von mindestens 40 Prozent auf allen Ebenen des Wissenschaftsbereichs.
Zudem wollen die Grünen die Frauenerwerbstätigkeit unter anderem durch ein Recht auf Rückkehr in Vollzeit erhöhen, das auch für kleinere Betriebe gilt.
Wie die Union kritisieren auch die Grünen die Lohn- und Rentenlücke zwischen Männern und Frauen. Doch die Schlussfolgerungen sind anders: Die Grünen setzen auf ein „effektives“ Entgeltgleichheitsgesetz, das auch für kleine Betriebe gilt und die Unternehmen verpflichtet, von sich aus über die Bezahlung von Frauen und Männern und über ihre Maßnahmen zum Schließen des eigenen Pay-Gaps zu berichten.
Dieses Gesetz soll nach dem Willen der Grünen auch ein wirksames Verbandsklagerecht enthalten, „damit bei strukturellen Benachteiligungen auch Verbände die Klage übernehmen können und die Betroffenen nicht auf sich allein gestellt sind“.
Mit „Lohncheckverfahren“ sollen Tarifpartner und Unternehmen zudem verpflichtet werden, alle Lohnstrukturen auf Diskriminierung zu überprüfen und den Beschäftigten anonymisierte Spannen der Gehalts- und Honorarstruktur zugänglich zu machen.
Für Nisrin Ollmann, Gründerin und Geschäftsführerin von Vivera Estate, einem Maklerbüro für Wohn- und Anlageimmobilien, fehlt in Deutschland „ein genereller Mindshift“. In der Theorie gebe es eigentlich keine Hürden in der Förderung von Frauen, aber praktisch sehe es ganz anders aus. „Hier fehlen keine dedizierten Förderungsmodelle, sondern es fehlt vielmehr eine passende Grundeinstellung“, meint Ollmann. Als Ansatzpunkte nennt sie die „Erziehung“ und Bildung von Mädchen und Frauen.
Zudem fordert sie noch weitere Möglichkeiten für Mütter im Berufsleben. Es dürfe nicht sein, dass die Karriere aufgrund eines erfüllten Kinderwunsches schon mit Mitte 30 vorbei sei. „Während diese Steilkurve beim Mann im selben Alter oft nach oben geht, haben es Frauen generell noch sehr schwer, die gleichen Chancen zu ergreifen“, meint Ollmann.
Die FDP geht davon aus, dass Gleichstellungsberichte den öffentlichen Druck hin zu einem Kulturwandel in Unternehmen und Verwaltung erhöhen. Die Liberalen geloben, sich für mehr Frauen in Führungspositionen in Unternehmen, im öffentlichen Dienst und in der Politik einzusetzen. Statt starrer Quoten plädieren sie aber für Selbstverpflichtungen, in denen sich größere Unternehmen dazu verpflichten, „dass sich der Anteil von Frauen einer Unternehmensebene in der Führung der jeweiligen Ebene widerspiegelt“.
„Gleiche Bezahlung für gleiche Leistung“ – dieses Motto findet sich auch bei der FDP. Das Rezept: Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten sollen ihren unternehmensinternen Gender-Pay-Gap auswerten und veröffentlichen. Es sollen sowohl der durchschnittliche als auch der mittlere Verdienstunterschied und der prozentuale Anteil von Frauen und Männern in den jeweiligen Gehaltsgruppen angegeben werden.
„Durch diese Mechanismen wollen wir Transparenz schaffen“, heißt es im FDP-Wahlprogramm. „Sie ist ein wichtiger Grundstein für die eigenverantwortliche Lösung des Problems durch Arbeitgeber und Beschäftigte.“
Alle Parteien fordern gezielte Maßnahmen für die Förderung von Mädchen und Frauen im naturwissenschaftlichen und technischen Bereich (MINT). Am weitesten geht die FDP, die verpflichtende, qualitativ hochwertige und bundesweite Qualitäts- und Bildungsstandards in der frühkindlichen MINT-Bildung fordert. Die Union will Frauen mit „Beratungsleistungen“ unterstützen, damit sie sich für naturwissenschaftlich-technische Berufe entscheiden.
Union, SPD und Grüne nehmen zudem die Gründerinnen in den Blick. „Wir wollen einen neuen Gründergeist von klein auf befördern und mehr Frauen zu Gründungen ermutigen“, heißt es bei CDU und CSU. Die Vorschläge wie Online-Unternehmensgründungen oder der Ausbau von Wagniskapital richten sich dann allerdings an alle „Macher“.
Die SPD sichert Frauen einen besseren Zugang zu Gründungskapital zu und eine koordinierte Förderstrategie, „um geschlechtsbezogene Barrieren insbesondere für digitalisierungsbezogene Unternehmensgründungen abzubauen“. Die Grünen planen einen staatlichen Wagniskapitalfonds nur für Gründerinnen. Sie fordern zudem, dass bei der Vergabe von Fördermitteln und öffentlichen Investitionen der Frauenanteil einer Organisation oder eines Start-ups berücksichtigt werden muss.
Linda Hoffmann, die beim Plattformanbieter Shopify für die Unternehmensentwicklung verantwortlich ist, hält mehr Gründerinnen-Starthilfe für wirtschaftlich und sozial sinnvoll: „Daher sollte unter anderem die Finanzierung von Start-ups, die von Frauen gegründet wurden, für die neue Regierung oberste Priorität haben.“
Daniela Harzer, Co-Geschäftsführerin der Kommunikationsagentur Piabo, verlangt für das Thema „Female Leadership“ ein eigenes Kapitel im nächsten Koalitionsvertrag. „In den letzten Jahren haben sich hervorragende weibliche Führungspersönlichkeiten in den Chefetagen und Aufsichtsräten deutscher Unternehmen etabliert“, meint Harzer. „Aber noch immer sind es viel zu wenige, und sie kämpfen dort bis heute mit Vorbehalten und männerdominierten Strukturen.“
Auch Gründerinnen bräuchten das Augenmerk der Politik: „Start-ups von Frauen erhalten eklatant weniger bis keine Förderung von Investoren im Gegensatz zu ihren männlich geführten Mitbewerbern“, erklärt die Co-Geschäftsführerin.
Dieses System „Männer geben Männern Geld“ müsse durchbrochen werden. Harzer meint: „Hier kann und sollte staatlich interveniert werden, im ersten Schritt mit Acceleratoren und Inkubatoren speziell für Gründerinnen.“
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