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16.09.2021

04:00

Wahlprogramme im Vergleich

Viele Milliarden, zu wenig Erfolge – Parteien streiten über bessere Förderung von Spitzenforschung

Von: Barbara Gillmann

Für Union und Grüne gilt: Mehr finanzielle Förderung bringt auch bessere Forschungsergebnisse. Die FDP dagegen will die Leistung von Forschern strenger kontrollieren.  

Mikrochips für Quantenprozessoren – nur eins von vielen milliardenschweren Forschungsprojekten in Deutschland. dpa

Forschung an Quantencomputer

Mikrochips für Quantenprozessoren – nur eins von vielen milliardenschweren Forschungsprojekten in Deutschland.

Berlin Bis 2025 will Deutschland Geld in Höhe von 3,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes für Forschung und Entwicklung (FuE) ausgeben – zuletzt waren es 3,2 Prozent. Denn mehr Geld für Forschung soll Innovationen beflügeln, ohne die die Wirtschaft im globalen Wettbewerb nicht bestehen kann. In den Wahlprogrammen bekennen sich jedoch nur die Union und die Grünen explizit zu diesem Ziel. Die SPD nennt kein Jahr, in dem das 3,5 Prozent-Ziel erreicht sein soll.

Bei den Liberalen fehlt das übergeordnete FuE-Ziel, an dem sich lange Wohl und Wehe der Forschungspolitik festmachte, völlig. Stattdessen will die FDP Forschungsmittel des Bundes zumindest teilweise daran koppeln, dass auch etwas dabei herauskommt. Vor allem die milliardenschweren „Strategien“ der Bundesregierung – für Künstliche Intelligenz, Wasserstoff, Hightech oder Nachhaltigkeit – wollen die Liberalen  mit „Zielhierarchien und Erfolgsindikatoren“ effektiver machen. 

Mindestens 15 Prozent der Förderung soll künftig abhängig sein vom Erfolg – rückwirkend ab 2020. Anderenfalls sollen frei werdende Mittel an andere Akteure verteilt werden. Zudem soll „jedes Ministerium bis 2025 zehn konkrete KI-Anwendungsfälle benennen und umsetzen“, verspricht die FDP.

Wissenschaft und Forschung: Förderung aber mit Zielkontrollen

Dieser Punkt steht für einen Trend, der sich an anderen Stellen auch bei der politischen Konkurrenz findet, wenn auch in deutlich abgemilderter Form: weg vom unkonditionierten Geldsegen, von dem sich Politiker bisher bessere Forschung erhofft haben, hin zu mehr Kontrolle des Outputs und einem besseren Transfer der Forschungsergebnisse in Wirtschaft und Gesellschaft. 

Um das von Experten seit Langem beklagte Strukturproblem anzugehen, dass trotz enormer Ausgaben für die Wissenschaft am Ende zu wenig dabei herauskommt, wollen Grüne und Liberale eigens neue Organisationen schaffen: Die FDP plant eine „Deutsche Transfergemeinschaft“ (DTG), die unabhängig Steuergeld an von ihr ausgewählte Forschungsprojekte verteilt, an denen Hochschulen und Unternehmen gemeinsam arbeiten. 

Diese DTG soll sowohl technische als auch soziale Innovationen fördern. Das Ganze wäre kostenneutral, weil die Gesellschaft Budgets übernehmen soll, über die bisher mehrere Ministerien verfügen. Die Grünen planen etwas Ähnliches: Ihre ebenfalls eigenständige Innovationsagentur „D.Innova“ soll regionale Innovationsnetzwerke aus Hochschulen, Mittelstand und Zivilgesellschaft fördern, „systematisch, proaktiv und flexibel“.  

Grafik

Der neuen Agentur für Sprunginnovationen „SprinD“ , die im Staatsauftrag nach herausragenden Erfindungen sucht und diese massiv fördern kann, versprechen sowohl die Union als auch die Grünen mehr Flexibilität. Diese soll dann effektiv dazu beitragen, Deutschland technologisch „an die Weltspitze“ zu führen (Union). Im Programm der FDP hingegen taucht die erst vor zwei Jahren nach dem Vorbild der mächtigen US-amerikanischen „Darpa“ gegründete SprinD gar nicht explizit auf – ebenso wenig bei den Sozialdemokraten. 

CDU verspricht Verdopplung der Forschungszulage

Bei der direkten Förderung der Forschung in Unternehmen prescht die CDU/CSU vor: Sie will die Forschungszulage für Unternehmen, die bereits in der Pandemie verdoppelt worden war, erneut verdoppeln. Damit würde die gedeckelte Förderung auf bis zu zwei Millionen Euro pro Unternehmen im Jahr steigen.  Die Grünen wollen dieses neue Instrument hingegen wieder mehr auf Mittelständler und Start-ups konzentrieren, weil sie bei den Konzernen mehr Mitnahmeeffekte fürchten. 

Daneben verspricht die Union auch, die Programme zur  Förderung von Innovationen in den Betrieben auszuweiten, vor allem das Zentrale Investitionsprogramm Mittelstand (ZIM), die Industrielle Gemeinschaftsforschung (IGF) und das Förderprogramm Innovationskompetenz INNO-KOM. Anstatt aber weiterhin nur Kosten zu bezuschussen und um künftig „Fehlanreize zu verhindern“, soll ein Teil der Förderung „von den erzielten  und im Unternehmen verbliebenen Gewinnen abhängig“ gemacht werden. „Das Ergebnis soll belohnt werden, nicht der Prozess“, gibt die Union die neue Marschroute aus. 

Serie: Wahlcheck

Die Idee der Serie

Am 26. September wählen die Deutschen einen neuen Bundestag. In loser Folge stellt das Handelsblatt deshalb in den kommenden Wochen zentrale Themen vor, die die künftige Regierung angehen muss. So geht es zum Beispiel um den Ausbau Erneuerbarer Energien, die Digitalisierung, den Wohnungsbau und die künftige Steuerpolitik.

Teil 1 – Steuern für Unternehmer, Spitzenverdiener oder Familien: Wen die Parteien entlasten wollen

In der Steuerpolitik setzen die Parteien – je nach Profil – eigene Akzente.

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Teil 2 – Wohnraum, Eigentum: Um diese fünf Baustellen muss sich der neue Bauminister kümmern

Die Wohnungspolitik dürfte für die künftige Bundesregierung zu einem zentralen Thema werden.

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Teil 3 – Ausbildung und Weiterbildung: Wie die Parteien den Fachkräftemangel bremsen wollen

Die nächste Regierung steht vor der Jahrhundertherausforderung, die duale Ausbildung zu retten – Was die Parteien geplant haben.

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Teil 4 – Energie und Klima: Wo es beim Bau von Solaranlagen und Windrädern hakt

Der rasche Ausbau der erneuerbaren Energien genießt bei den meisten Parteien hohen Stellenwert. Doch die Wahlprogramme operieren oft mit unrealistischen Zielen.

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Teil 5 – Kinderbetreuung, Elterngeld, Ehegattensplitting: So wollen die Parteien den Familien helfen

In der Pandemie sind vor allem Familien unter Druck geraten. Doch die Parteien setzen bislang nur auf moderate Anpassungen. Experten erklären, welche Vorschläge besser funktionieren.

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Teil 6 – Digitalisierung der Verwaltung: Warum vieles in den neuen Wahlprogrammen gar nicht neu ist

Seit 2009 wirbt jede Koalition in ihrem Regierungsplan mit der „Digitalisierung“. Doch „digital first“ gilt bis heute selten in der Verwaltung.

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Teil 7 – Steuerzuschuss, Beitragssatz, Alter: An welchen Stellschrauben die Parteien bei der Rente drehen wollen

Die Rente ist kein Gewinnerthema im Wahlkampf, weil jede Reform Verlierer mit sich bringt. In den Parteiprogrammen dominiert deshalb das Prinzip Hoffnung.

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Teil 8 – Schulden, Klimaschutz, Digitales: Diese Europa-Themen muss die nächste Bundesregierung anpacken

Wer Deutschland regiert, kann entscheidend Einfluss nehmen auf die Schicksalsfragen der Europäischen Union. Schon bald stehen Richtungsentscheidungen bevor.

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Teil 9 – Was Frauen von der neuen Regierung erwarten können

Lohncheckverfahren, staatliches Wagniskapital nur für Gründerinnen, Quoten – die Parteien versprechen in ihren Wahlprogrammen den Frauen einiges. Doch was erwarten Unternehmerinnen und Gründerinnen?
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Teil 10 – Diese zentralen Herausforderungen sehen Ökonomen auf dem Arbeitsmarkt nach der Wahl

Rot-Rot-Grün wirbt für höhere Mindestlöhne und Weiterbildungsansprüche, Schwarz-Gelb will wenig regulieren. Wo die Trennlinie bei den arbeitsmarktpolitischen Plänen verläuft.

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Teil 11 – Viele Milliarden, zu wenig Erfolge: Parteien streiten über bessere Förderung von Spitzenforschung

Für Union und Grüne gilt: Mehr finanzielle Förderung bringt auch bessere Forschungsergebnisse. Die FDP dagegen will die Leistung von Forschern strenger kontrollieren.

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Zudem verspricht sie ein „Innovationsfreiheitsgesetz“ und gemeinnützige Hilfen für potenzielle Gründer. Gründungen sollen „innerhalb von 24 Stunden online möglich“ sein, und Beteiligungen an Start-ups erst versteuert werden, wenn diese Gewinn machen, heißt es im CDU/CSU-Programm. Die Grünen versprechen generell mehr Förderung für Hightech-Start-ups und setzen auf stille Beteiligungen des Staates als „neuen Ausgründungsstandard“. 

„Leistungskomponenten“ für die großen Forschungsorganisationen 

Die großen Forschungsorganisationen –  Fraunhofer-Gesellschaft, Helmholtz-Gemeinschaft, Max-Planck-Gesellschaft und Leibniz-Gemeinschaft – können sich darauf verlassen, dass ihre auskömmliche Finanzierung nicht angetastet wird: Zumindest Union und Grüne bekennen sich explizit zum „Pakt für Forschung“, der ihnen bis zum Jahr 2030 ein jährliches Plus von drei Prozent garantiert – aktuell erhalten die großen vier vom Staat jährlich gut drei Milliarden Euro. 

Die Union erwägt hier jedoch zaghaft mehr Outputorientierung: Sie will exzellente wissenschaftliche Leistungen „mit zusätzlichen Leistungskomponenten noch mehr Anerkennung verleihen“  – da klingt mehr Kontrolle zumindest an, wenn die Drohung auch eher freundlich daherkommt. 

Die im Vergleich zu den potenten außeruniversitären Organisationen eher unterfinanzierten Hochschulforscher will niemand härter anfassen. Die Grünen stellen ihnen vielmehr eine „auskömmliche Grundfinanzierung“ in Aussicht, um sie wieder unabhängiger von Drittmitteln, beispielsweise aus der Wirtschaft, zu machen.

Auch die CDU verspricht „kraftvolle Unterstützung“ zumindest für exzellente Universitäten. Sie gibt auch das hochgesteckte Ziel aus, „mindestens eine deutsche Universität in die Top 20 der Welt zu bringen“. Dafür müssten die besten allerdings – je nach Ranking – 20 bis 40 Plätze nach vorn rücken. 

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