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11.02.2022

12:26

Bundesverfassungsgericht

Karlsruhe lehnt Eilanträge gegen Impfpflicht für Klinikpersonal ab

Zahlreiche Menschen in Gesundheits- und Pflegeberufen wehren sich gegen die Impfpflicht für ihre Branche. Die Karlsruher Richter lehnten ihre Eilanträge nun ab.

Das Gericht kündigte die Veröffentlichung der Entscheidung auf seiner Homepage an. dpa

Bundesverfassungsgericht

Das Gericht kündigte die Veröffentlichung der Entscheidung auf seiner Homepage an.

Karlsruhe Die Impfpflicht für Personal in Kliniken und Pflegeeinrichtungen kann Mitte März in Kraft treten. Das Bundesverfassungsgericht lehnte Eilanträge von zahlreichen Betroffenen für einen Stopp der Impfpflicht am Freitag ab. Damit ist noch nicht über die vielen Verfassungsbeschwerden gegen die Teil-Impfpflicht entschieden. Die umfassende Prüfung steht noch aus. (Az. 1 BvR 2649/21)

Geklagt haben überwiegend ungeimpfte Beschäftigte und auch Einrichtungsleiter, die weiter ungeimpftes Personal beschäftigen wollen. Die Richterinnen und Richter nahmen im Eilverfahren nur eine Folgenabwägung vor.

Sie prüften, was die schlimmeren Konsequenzen hätte: wenn sie erst einmal alles laufen lassen, obwohl die Klagen berechtigt wären oder wenn sie die Impfpflicht vorübergehend aussetzen und sich diese später als verfassungsgemäß herausstellt.

Diese Abwägung ging zum Nachteil der Klägerinnen und Kläger aus. „Der sehr geringen Wahrscheinlichkeit von gravierenden Folgen einer Impfung steht die deutlich höhere Wahrscheinlichkeit einer Beschädigung von Leib und Leben vulnerabler Menschen gegenüber“, teilte das Gericht mit.

Die Richterinnen und Richter haben bereits Stellungnahmen verschiedener Experten eingeholt. Danach begegne die Teil-Impfpflicht „zum Zeitpunkt dieser Entscheidung keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken“, hieß es.

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Allerdings sieht der Erste Senat kritisch, dass im Infektionsschutzgesetz nichts Genaues zum Impf- und Genesenennachweis steht. Dort wird nur auf die maßgebliche Verordnung „in der jeweils geltenden Fassung“ verwiesen. Die Verordnung wiederum verweist auf die aktuellen Vorgaben des Paul-Ehrlich-Instituts und des Robert Koch-Instituts. Hier bedürfe es „weiterer Aufklärung“.

Dutzende Verfassungsbeschwerden anhängig

Die Impfpflicht gilt für Beschäftigte in Einrichtungen wie Kliniken, Pflegeheimen und Arztpraxen und war am 10. Dezember von Bundestag und Bundesrat beschlossen worden. Sie soll alte und geschwächte Menschen vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus schützen. Inzwischen sind nach Auskunft des Gerichts 85 Verfassungsbeschwerden von deutlich mehr als 300 Klägerinnen und Klägern anhängig.

Betroffene müssen bis 15. März 2022 nachweisen, dass sie voll geimpft oder genesen sind – oder ein Attest vorlegen, dass sie nicht geimpft werden können. Fehlt der Nachweis, muss das Gesundheitsamt informiert werden. Es kann ein Betretungs- oder Tätigkeitsverbot aussprechen, hat aber Ermessensspielraum. Neue Beschäftigte brauchen den Nachweis ab 16. März von vornherein.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) mahnte nach Verkündung der Entscheidung gegenüber den Bundesländern die Umsetzung der Impfpflicht an. „Es geht um den Schutz derer, die darauf ganz besonders angewiesen sind – Kranke und die ältesten Mitglieder unserer Gesellschaft“, sagte er in seiner Antrittsrede im Bundesrat. Unionsregierte Länder und die Bundes-CDU fordern mit Verweis auf ungeklärte praktische Fragen die Aussetzung.

Der Grünen-Gesundheitsexperte Janosch Dahmen sagte der Deutschen Presse-Agentur, das „parteipolitische Hickhack“ habe der Akzeptanz der Impfpflicht schwer geschadet. „Jetzt gilt es, die Impfpflicht für Pflege- und Gesundheitspersonal bundesweit ab Mitte März umzusetzen.“

Impfpflicht sorgt für Reibereien in der Politik

Unions-Fraktionsvize Andrea Lindholz (CSU) erklärte, die Karlsruher Entscheidung sei gerade für Menschen in Pflegeeinrichtungen eine gute Nachricht. „Umso wichtiger ist jetzt, dass die Bundesregierung dringend die offenen Fragen insbesondere im Arbeitsrecht klärt und eine für die Arbeitgeber gute und praktikable Lösung vorschlägt.“

Zuvor hatte sich im Konflikt um die Umsetzung der Impfpflicht für Beschäftigte im Gesundheitswesen der Ton verschärft. So attackierte Justizminister Marco Buschmann (FDP) Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) scharf: „Im Rechtsstaat gelten Gesetze. Wenn sich die Regierenden selbst aussuchen, an welche Gesetze sie sich halten und an welche nicht, ist die Tyrannei nicht mehr fern“, twitterte Buschmann am Mittwochabend.

CSU-Generalsekretär Markus Blume konterte: „Der Dilettantismus der Ampelparteien schadet der Demokratie.“ Es sei Aufgabe des Justizministers, bestehende Rechtsunsicherheiten zu klären, statt auf Twitter vom eigenen Versagen abzulenken.

Die partielle Impfpflicht sieht vor, dass Gesundheits- und Pflegepersonal bis Mitte März nachweisen muss, dass es voll geimpft oder genesen ist. dpa

Corona-Impfzentrum Berlin-Tegel

Die partielle Impfpflicht sieht vor, dass Gesundheits- und Pflegepersonal bis Mitte März nachweisen muss, dass es voll geimpft oder genesen ist.

Söder hatte am Montag angekündigt, den Vollzug der ab Mitte März greifenden Impfpflicht auszusetzen. Sie sei in der jetzigen Form nicht umsetzbar, der Bund müsse nachbessern.

Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) sagte im Bayerischen Rundfunk, Bayern halte die Impfpflicht nach wie vor für eine gute Idee. Die Einführung werde sich aber um ein „paar Wochen“ verschieben, weil viele Fragen offen seien. Söder hatte zunächst von „großzügigsten Übergangsregelungen“ gesprochen, was „de facto zunächst einmal auf ein Aussetzen des Vollzugs“ hinauslaufe. „Für wie viele Monate, wird man dann sehen.“

Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) sieht die aktuelle Debatte als schlechtes Vorzeichen für die mögliche allgemeine Impfpflicht. Wie die Meinungsbildung dazu im Bundestag laufe, wage er nicht abschließend zu beantworten. „Fest steht aber eines: Wenn es nicht gelingt, die einrichtungsbezogene Impfpflicht vernünftig auf den Weg zu bringen, dann sehe ich für eine allgemeine Impfpflicht kaum mehr Chancen“, sagte Haseloff.

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