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18.01.2023

23:08

Bundeswehr

Boris Pistorius hat direkt ein doppeltes Panzer-Problem

Von: Martin Murphy, Frank Specht

Die Union will endlich Klarheit, ob und wann die Regierung Kampfpanzer an die Ukraine liefert. Und die Ampelfraktionen sind noch nicht vom Puma überzeugt. In der Kampfpanzerfrage deutet sich Bewegung an.

Beide Panzer können dem neuen Verteidigungsminister noch Probleme bereiten – wenn auch aus unterschiedlichen Gründen. imago images/Björn Trotzki

Kampfpanzer Leopard 2 (vorn), Schützenpanzer Puma (hinten links)

Beide Panzer können dem neuen Verteidigungsminister noch Probleme bereiten – wenn auch aus unterschiedlichen Gründen.

Berlin Der designierte Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hat von seiner Vorgängerin Christine Lambrecht ein doppeltes Panzerproblem geerbt. Sollte Bundeskanzler Olaf Scholz sich doch dazu durchringen, der Ukraine Leopard-Kampfpanzer zur Verfügung zu stellen, dürften diese zeitnah mindestens ebenso schwer aufzutreiben sein wie die schon zur Lieferung vorgesehenen Marder-Schützenpanzer. Und die Regierungsfraktionen stellen weiter die Zukunft des modernen Schützenpanzers Puma bei der Bundeswehr infrage.

Wenn Pistorius am Donnerstag kurz nach der Vereidigung im Bundestag seinen US-Amtskollegen Lloyd Austin trifft, dürften Panzerlieferungen an die Ukraine das Hauptthema sein. Großbritannien will Challenger-Panzer zur Verfügung stellen, Polen Leopard 2.

An Pistorius Teilnahme beim Treffen der Ukraine-Kontaktgruppe am Freitag in Ramstein ist deshalb die Erwartung der Alliierten geknüpft, dass die Bundesregierung zumindest Polen die Weitergabe der in Deutschland produzierten Waffensysteme erlaubt.

Sowohl zu der Exportgenehmigung als auch zur Frage eigener Panzerlieferungen an die Ukraine hält sich Scholz bislang bedeckt. Beim Weltwirtschaftsforum in Davos sagte er, dass Deutschland bereits jetzt zusammen mit Großbritannien und nach den USA zu den größten Waffenlieferanten der Ukraine zähle.

„Wir werden weiter ein so großer Unterstützer bleiben“, betonte der Kanzler. Aber über qualitativ neue Schritte bei Waffenlieferungen werde nur gemeinsam mit den Verbündeten entschieden. Allerdings scheint Bewegung in die Sache zu kommen. US-Verteidigungsminister Austin twitterte am Mittwochabend nach seiner Landung in Deutschland, er werde am Donnerstag nicht nur Verteidigungsminister Pistorius, sondern auch Kanzleramtschef Wolfgang Schmidt treffen.

Bereits am Dienstag hatten Bundeskanzler Scholz und US-Präsident Joe Biden telefoniert. Nach einem Bericht der „Süddeutschen Zeitung“ soll Scholz dabei die Bereitschaft signalisiert haben, Leopard-2-Panzer an die Ukraine zu liefern, wenn die USA ihrerseits Abrams-Panzer zur Verfügung stellen.

Die Unionsfraktion will trotzdem den Druck erhöhen und die Bundesregierung am Donnerstag im Bundestag auffordern, umgehend die Genehmigung für Kampfpanzerlieferungen aus Industriebeständen zu erteilen und Anfragen anderer Länder, die in Deutschland hergestellte Waffen liefern wollen, positiv zu bescheiden. „Die Ukraine ist bis heute unbesiegt und hat eine reelle Chance, ihren und damit den europäischen Freiheitskampf zu gewinnen“, heißt es in dem entsprechenden Antrag.

Konkret schlägt die Union vor, vorrangig die Lieferung von schon lange ausrangierten Leopard-1-Panzern zu genehmigen, von denen die Industrie noch große Stückzahlen auf Halde hat. Diese müssten aber erst instandgesetzt werden. Den entsprechenden Auftrag sollte die Bundesregierung jetzt rasch erteilen, heißt es auch aus den Ampelfraktionen.

FDP warnt vor gleichen Fehlern wie beim Marder

„Wir dürfen nicht den gleichen Fehler wie beim Marder machen und der Industrie erst den Auftrag zur Instandsetzung geben, wenn es zu spät ist“, sagt der verteidigungspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Alexander Müller. Die Panzer vom Typ Leopard 1, die noch bei der Industrie stünden, sollten jetzt bereit gemacht werden.

Beim Marder hatte sich die Bundesregierung lange gegen eine Weitergabe an die Ukraine gesperrt, bis sie nach Abstimmung mit den USA Anfang Januar dann doch erklärte, bis Ende März 40 Exemplare liefern zu wollen. Weil die Industrie bis dahin diese Stückzahl nicht bereitstellen kann, sollen jetzt 20 Marder, die ursprünglich im Rahmen eines Ringtauschs nach Griechenland gehen sollten, an die Ukraine geliefert werden. Die übrigen 20 Exemplare versucht die Bundeswehr unter großen Mühen aus dem eigenen Bestand loszueisen.

Die Union fordert in ihrem Antrag aber auch, zusammen mit der Industrie und anderen Ländern, die den moderneren Leopard 2 nutzen, auch eine Lieferung dieses Waffensystems vorzubereiten. Neben Polen haben sich auch Spanien und Finnland bereiterklärt, der Ukraine Leopard 2 zu übergeben.

Spaniens Außenminister José Manuel Albares äußerte sich allerdings auf dem Weltwirtschaftsgipfel in Davos zurückhalten. Die Möglichkeit, dass Spanien liefere, liege „derzeit nicht auf dem Tisch“, sagte Albares, verwies allerdings auf das Ramstein-Treffen am Freitag. Entscheidungen wie die zur Lieferung von Kampfpanzern sollten „gemeinsam und vereint“ getroffen werden.

Die Opposition erwartet von ihm eine rasche Entscheidung in der Panzerfrage. dpa

Designierter Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD)

Die Opposition erwartet von ihm eine rasche Entscheidung in der Panzerfrage.

Der stellvertretende Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Henning Otte (CDU), erwartet, dass sich die Bundesregierung in dieser Frage bald positioniert: „Man wird sehen müssen, ob sich der neue Verteidigungsminister in der Panzerfrage gegen den Kanzler durchsetzen kann.“

Allerdings kann die Bundeswehr selbst allenfalls eine sehr begrenzte Stückzahl von Leopard 2 abgeben. Denkbar wäre aber, dass sich die Slowakei und Tschechien – ähnlich wie Griechenland bei den Mardern – bereiterklären, Leopard 2, die im Rahmen eines Ringtauschs eigentlich für sie bestimmt waren, zunächst in die Ukraine liefern zu lassen. Auch die Industrie könnte eine kleine Stückzahl von Panzern bereitstellen.

Weiterer Problemfall Puma

In der Sitzung des Verteidigungsausschusses war neben der Ukraine am Mittwoch der Schützenpanzer Puma das zweite große Thema. Nachdem Ende vergangenen Jahres bei einer Übung alle 18 eingesetzten Fahrzeuge ausgefallen waren, hatte die inzwischen zurückgetretene Verteidigungsministerin Lambrecht die geplante Modernisierung bereits ausgelieferter Fahrzeuge und die Nachbestellung weiterer Exemplare gestoppt.

Bei ihrem letzten öffentlichen Auftritt hatte Lambrecht dann nach Gesprächen mit den Herstellern Rheinmetall und Krauss-Maffei Wegmann (KMW) und Generalinspekteur Eberhard Zorn erklärt, dass der Puma eine Zukunft bei der Bundeswehr habe.

Mit einer technischen Nachrüstung und verbesserter Ausbildung und Wartung werde man versuchen, aus dem Puma ein zuverlässiges System zu machen, sagte Lambrecht. Bis dahin bleiben sowohl die Modernisierung größerer Stückzahlen bereits gelieferter Panzer als auch die geplante Neubeschaffung ausgesetzt.

CDU-Verteidigungsexperte Otte warf der Ministerin vor, vorschnell gehandelt und die Schuld einseitig bei der Industrie abgeladen zu haben. Die Fehler hätten aus seiner Sicht eher bei der Bundeswehr gelegen, weil die Soldaten noch zu wenig mit dem Gerät vertraut seien. „Das Ausbildungs- und Instandsetzungskonzept muss dringend angepasst werden.“

Dagegen erklärte FDP-Experte Müller, die Ampel sei weiter nicht von der technologischen Einsatzreife des Schützenpanzers überzeugt, der laut Herstellern zu den modernsten der Welt zählt. „Wir fürchten, dass wir beim Puma in eine Endlosschleife geraten.“

Zwar sollen die Ende vergangener Woche zwischen Bundesregierung und Industrie verabredeten technischen Anpassungen bis April erfolgen. Müller fürchtet aber, dass es danach zu erneuten Pannen und weiterem Anpassungsbedarf kommt.

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