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24.04.2022

11:59

Bundeswehr

Entscheidung für den neuen schweren Transporthubschrauber soll bald fallen

Von: Martin Murphy, Frank Specht

Die US-Hersteller Boeing und Lockheed Martin bewerben sich um den milliardenschweren Hubschrauber-Auftrag der Bundeswehr. Einem Medienbericht zufolge gibt es bereits eine Entscheidung.

Die Chinook ist schon lange das Arbeitspferd der US-Streitkräfte. imago images/newspix

Boeing CH-47 Chinook

Die Chinook ist schon lange das Arbeitspferd der US-Streitkräfte.

Berlin Nach jahrelanger Verzögerung soll die Bundeswehr neue Transporthubschrauber erhalten. Derzeit prüfen die Einkäufer des Verteidigungsministeriums die Angebote der US-Hersteller Boeing und Sikorsky, einer Lockheed-Martin-Tochter, die diese vor einigen Tagen über die US-Regierung an die Deutschen übermittelt hatten. Eine Vorentscheidung soll dem Vernehmen nach im Mai fallen.

Nach Informationen der „Bild am Sonntag“ soll Boeing den Zuschlag erhalten. Das Verteidigungsministerium erklärte aber, es gebe noch keine Entscheidung.

Die Bundesregierung steht unter Handlungsdruck, da die bisherige Flotte in die Jahre gekommen ist. Die von der Bundeswehr genutzten Sikorsky CH-53G wurden seit 1972 bei der Truppe eingeführt und haben den geplanten Lebenszyklus deutlich überschritten. Die Beschaffung von Ersatzteilen für die rund 60 Maschinen, die noch beim Hubschraubergeschwader 64 im brandenburgischen Holzdorf/Schönewalde unweit von Leipzig im Einsatz sind, ist schwierig und die Kosten für Betrieb und Wartung sind unvertretbar hoch.

Ein bereits seit Jahren laufendes Vergabeverfahren für neue Helikopter hatte die Bundesregierung im September 2020 gestoppt. Hauptgrund waren die aus dem Ruder gelaufenen Kosten, wie ein Beteiligter berichtete. Die Beamten des Verteidigungsministeriums hatten eine Vielzahl von Spezifikationen für das Fluggerät gefordert, die den Preis in die Höhe getrieben hatten.

Im neuerlichen Anlauf setzt das Ministerium nun auf bewährte, bereits im Einsatz befindliche Modelle und stellt dafür laut Haushaltsentwurf bis zum Jahr 2030 insgesamt knapp 5,2 Milliarden Euro bereit. Das Modell von Boeing, der CH-47 Chinook, wird seit Jahrzehnten von der US-Armee eingesetzt. Er gilt als bewährte Technik, die über die Jahre auf neuem Stand gehalten wurde. Lockheed Martin schickt den CH-53K King Stallion ins Rennen, einen neu entwickelten Transporthubschrauber.

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Bei der nun geplanten Anschaffung verzichtet die Bundeswehr weitgehend auf Sonderwünsche. Über das Verfahren soll das Material zügig beschafft werden können – und schnellstmöglich einsatzbereit sein. Die CH-53K könnte bereits ab 2025 verfügbar sein, wie der Hersteller kürzlich gegenüber der Fachpresse in Aussicht stellte. Auch Boeing könne eine deutsche Bestellung in die bestehende Produktionskette einfügen, sagte ein Unternehmensvertreter. Voraussetzung sei allerdings, dass die US-Armee oder andere Kunden den Deutschen den Vortritt lassen.

Nach Angaben des FDP-Verteidigungspolitikers Marcus Faber will das Verteidigungsministerium in der kommenden Woche die Abgeordneten über den aktuellen Stand informieren. Es wolle dabei wissen, wie die Kosten für die jeweiligen Modelle auch über die Laufzeit aussähen, sagte Faber.

Den Zuschlag will das Ministerium schnell erteilen: Die Informationen über die Beschaffenheit der infrage kommenden Hubschrauber-Modelle hat die US-Regierung an den Bund übermittelt. Es war eher eine Formsache, wie ein Beteiligter berichtet. Schon bei der letzten Ausschreibung hätten beide Hersteller Zehntausende Seiten an den Bund geliefert. Ausgedruckt ließe sich mit dem Papier ein Raum füllen.

Leistungsfähig, aber auch teurer als das Konkurrenzmodell. AFP/Getty Images

Sikorsky CH-53K King Stallion

Leistungsfähig, aber auch teurer als das Konkurrenzmodell.

Die Hubschrauber von Boeing und Lockheed Martin sind zwar für den Transport von Menschen und Material ausgelegt, wirklich vergleichen lassen sich diese aber nicht. Boeings zweimotorige Chinook ist der Standard der US-Armee, ein robustes und in der Anschaffung günstiges Gerät. Der King Stallion ist eine Neuentwicklung, die bisher lediglich von den US-Marines und der israelischen Armee eingesetzt wird.

Helikopter kann in der Luft betankt werden

Vom reinen Stückpreis her ist der Helikopter von Lockheed Martin deutlich teurer. Dafür ist das Modell technisch auf einem neueren Stand und kann zudem in der Luft betankt werden. Beim Chinook ist dies bisher erst in einer Variante erprobt. Diese Fähigkeit gehört zu den Spezifika, die das Verteidigungsministerium fordert. Boeing beteuert, dass sein Modell diese Forderung erfüllen kann.

Innerhalb der Bundeswehr wird ein Zuschlag für Lockheed Martin favorisiert, wie ein Militär sagte. „Der Hubschrauber ist der neue Goldstandard, zumal er deutlich mehr Last transportieren kann als der Chinook.“ Die Militärs sind indes in der beratenden Rolle, die Entscheidung fällt die Politik.

Dass diese dem Vernehmen nach befürwortet, den Auftrag an Boeing zu vergeben, liegt in erster Linie am Preis. Das in Aussicht gestellte Geld würde für 60 Chinook-Hubschrauber reichen, vom King Stallion wären es lediglich 44. Diesen Nachteil will Lockheed Martin durch eine höhere Verfügbarkeit sowie die höhere Transportleistung ausgleichen.

Ein weiterer Grund klingt ein Stück weit verwegen: Die Politik fürchtet, Boeing zu verprellen. Denn mit der beschlossenen Anschaffung des Kampfjets F-35 geht bereits ein Milliardenauftrag an Lockheed Martin und nicht an den Boeing-Konzern, der die F-18 angeboten hatte. Mit einer Beauftragung für die Fertigung der Transporthubschrauber könnte Boeing ein Stück weit besänftigt werden, hieß es in Berlin.

Mit dem Auftrag sind allerdings auch handfeste industrie- und standortpolitische Interessen verbunden. So hatte Lockheed Martin die CH-53K bereits bei der im September 2020 gestoppten Ausschreibung ins Rennen geschickt – und auf eine enge Industriekooperation mit deutschen Unternehmen wie Rheinmetall, Hensoldt oder MTU verwiesen.

Außerdem wollten Rheinmetall und Sikorsky am Flughafen Leipzig/Halle ein Logistikzentrum und Flottenmanagement-Zentrum für die schweren Transporthubschrauber einrichten und dort Arbeitsplätze schaffen.

Im jüngsten Bericht des Verteidigungsministeriums zu Rüstungsangelegenheiten heißt es, man strebe an, „einen substanziellen Beitrag zum Erhalt nationaler rüstungswirtschaftlicher Kapazitäten über die Einbeziehung der heimischen Industrie durch den zukünftigen Auftragnehmer auszugestalten“.

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