Als Fraktionschef treibt Friedrich Merz die Bundesregierung vor sich her. Auf seinem ersten Bundesparteitag als CDU-Chef könnte er aber zum Gejagten werden.
Friedrich Merz
Der CDU-Bundesvorsitzender und Unionsfraktionsvorsitzender spricht in der Generaldebatte zum Haushalt im Bundestag vor Bundeswirtschaftsminister Habeck und Bundeskanzler Scholz.
Bild: dpa
Berlin Friedrich Merz wäre nicht er selbst, würde er die Generaldebatte im Bundestag nicht nutzen und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) vorführen, ihm Tatenlosigkeit unterstellen und auf Anträge seiner Fraktion hinweisen, die ihm den rechten Weg weisen.
Am Mittwoch durfte der 66-Jährige als Oppositionsführer als Erster das Wort ergreifen. Vordergründig ging es um den ersten Bundeshaushalt, den die noch junge Ampelkoalition ohne Altlasten der Vorgängerregierung ins Parlament eingebracht hat.
„Jeder Kompass, auch in der Wirtschaftspolitik“, fehle der Regierung, stellte der Fraktionschef von CDU und CSU klar und dozierte gleich: Die Gaskrise sei ein „Angebotsschock“. Deshalb sei es wichtig, Angebote zu schaffen. „Mit ganzer Kraft und jeder Möglichkeit. Das nennt man Marktwirtschaft.“
Soll heißen: Atomkraftwerke müssen länger laufen, Braun- und Steinkohlekraftwerke wieder ans Netz. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sei „hilflos“, er halte mit seinen Plänen für die drei letzten Atommeiler „das ganze Land zum Narren“.
Energiepolitik gehöre endlich ins Kanzleramt. „Stoppen Sie diesen Irrsinn, solange wir die Zeit dazu noch haben“, rief Merz Richtung Regierungsbank. Langer Applaus seiner Fraktion war ihm sicher. Opposition kann der Mann.
Merz hat in diesem Jahr den Kanzler ein ums andere Mal düpiert, ist nach Kiew in die Ukraine gefahren, als Scholz sich zierte, hat Waffenlieferungen eingefordert. Dass der 66-Jährige schon vielfach seine eigenen Positionen geändert hat und selbst noch vor der großen Aufgabe steht, der CDU wieder ihren Kompass zu geben und diese als moderne Volkspartei zu präsentieren, gerät in diesen Tagen in den Schatten. Die Scheinwerfer sind auf die zerstrittene Regierung gerichtet.
Schon am Freitag könnte sich dies ändern. Auf dem 35. Bundesparteitag der CDU muss Merz aufpassen, nicht selbst zum Gejagten zu werden. Dabei könnte es für Merz eigentlich kaum besser laufen. Die Ampelkoalition, die mühsam zur „Fortschrittskoalition“ zusammengefunden hat, musste seit dem Ukrainekrieg all ihre Verabredungen vergessen. Sie streitet in der Krise über den richtigen Kurs und begeht Fehler. Aber die Union profitiert in den Umfragen kaum, liegt zwar mit 27 Prozent vorn, aber noch nicht bei 30 Prozent oder gar den erhofften 35.
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Seit Friedrich Merz' Wahl zum Parteichef im Januar hat die CDU im Saarland krachend die Macht verloren, hingegen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen halten können. Und im Oktober folgt die Wahl in Niedersachsen.
Um dort zu gewinnen, wäre auch ein gut laufender Parteitag in Hannover wichtig. „Mit klarem Kurs“ lautet die Überschrift. Aber ebenjenen klaren Kurs sucht die Partei noch. Am Freitag wird nicht nur der Vorsitzende Merz seine erste Rede vor den 1001 Delegierten halten. Diese Delegierten werden auch einen eilig zusammengeschriebenen Leitantrag zur Energiepolitik beraten müssen.
Hinzu kommen unangenehme Debatten, bei denen Merz unter Umständen mitansehen muss, wie tief die Gräben zwischen den Flügeln der Partei noch immer sind.
Da ist die Frauenquote, die die Partei nun einführen will und die bereits Vorvorgängerin Annegret Kramp-Karrenbauer vorgeschlagen hatte. Hinter den Kulissen lobbyieren seit Wochen Befürworter und Gegner. Selbst der Kompromiss des Parteichefs, die Quote bis Ende des Jahrzehnts zu befristen, kommt weder beim Wirtschaftsflügel noch bei der Jungen Union gut an.
Die Frauenunion indes hofft, dass es doch eine Mehrheit geben wird. Für Merz ist es so oder so kein Gewinnerthema. Da ist zudem die Debatte um ein entweder freiwilliges oder verpflichtendes Gesellschaftsjahr für junge Menschen. Die Junge Union will erst einen Dialog mit den Betroffenen, Merz ist Verfechter des freiwilligen Jahres, Parteivize Carsten Linnemann als Chef der Grundsatzprogrammkommission spricht sich für die Pflicht aus.
Und Linnemann hat einflussreiche Unterstützer wie Christian Haase, Chef der kommunalpolitischen Vereinigung. „Wir Kommunale unterstützen den Antrag für ein Gesellschaftsjahr“, sagt er. „Jeder sollte konkret erleben, dass nicht nur Bürgerrechte, sondern auch Bürgerpflichten bestehen, ohne die unsere Gesellschaft auseinanderdriftet. Deswegen muss das Gesellschaftsjahr für alle verpflichtend werden.“
Auch wird die Partei noch über neue Grundwerte diskutieren, die eine Kommission erarbeitet hat. Dabei geht es etwa um die Frage, ob sich die Partei für Gleichstellung oder Gleichberechtigung einsetzt.
Gleichstellung führe „letztlich zu Gleichmacherei“, warnt Christoph Ploß, Landeschef in Hamburg. Gleichberechtigung ermögliche allen „möglichst faire Voraussetzungen“, sagte er. „Die CDU sollte sich klar für eine gleichberechtigte Gesellschaft aussprechen, in der Chancengerechtigkeit und das Leistungsprinzip die Eckpfeiler sind.“ Quoten hätten da keinen Platz.
Die Machtkämpfe in den eigenen Reihen treiben den CDU-Chef um, und er muss sie nun schnell in den Griff bekommen. Seine Parteifreunde fordern Profil von ihm ein. Sonst könnte er bald zum Opfer werden.
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