Der CDU-Chef steht nach Ostern vor seiner entscheidenden Bewährungsprobe. Merz' Erfolg zeigt sich nicht im Bund, sondern in seiner Heimat NRW. Die Probleme der Partei sind vielfältig.
Friedrich Merz
Wie soll die Neuausrichtung der CDU genau aussehen?
Bild: IMAGO/Future Image
Berlin Vielleicht wird es für Friedrich Merz der wichtigste Termin, seit er am 22. Januar zum Parteivorsitzenden der CDU Deutschlands gewählt wurde: der offizielle Wahlkampfauftakt der CDU in seinem Heimatverband Nordrhein-Westfalen. Am kommenden Samstag wird Merz gemeinsam mit dem Spitzenkandidaten Hendrik Wüst auf der Bühne der Eventarena Castello in der Landeshauptstadt Düsseldorf stehen und sich siegessicher geben, was sonst?
Wüst regiert seit Oktober das Land anstelle von Armin Laschet. Der 46-Jährige soll am 15. Mai die Wahl gewinnen, er muss sie gewinnen. Für sich. Für Merz. Für die CDU.
In keinem Bundesland leben so viele Menschen wie in NRW. Ihre Stimmen sind alle fünf Jahre bei Landtagswahlen der Seismograf für die Stimmung im Bund. Sie entscheiden sogar über Bundeskanzler: 2005 verlor die SPD in NRW - und mit ihr Gerhard Schröder im Bund den Rückhalt. 2017 sicherte sich Angela Merkel mit dem überraschenden Wahlsieg von Armin Laschet in NRW doch noch einmal die Wiederwahl. Was immer auch in NRW passiert: Es schlägt auf die Stimmung – auch in den Bundesparteien. Mindestens.
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Der Sauerländer Merz steht vor seiner Bewährungsprobe: Da ist zum einen seine Rolle als Bundesvorsitzender, der seiner Partei ein neues Grundsatzprogramm und Wertegerüst geben will. Da ist der Oppositionsführer im Bundestag, der klare Kante zeigt.
Da sind aber auch die Probleme in den eigenen Reihen: Gutes Spitzenpersonal ist rar, der Nachwuchs droht abhandenzukommen, die angekündigte „personelle Neuaufstellung“ zeigt erste Risse. Und im Hintergrund nervt die Debatte um Angela Merkel, die sich trotz des Kriegs in der Ukraine und damit in Europa nicht zu ihrer Russlandpolitik äußern will.
Und doch: Die CDU muss Staatskanzleien verteidigen, muss Wahlen gewinnen: In Schleswig-Holstein am 8.5., in NRW am 15.5. In Niedersachsen (9.10.) will sie den Ministerpräsidenten stellen.
„Wir gewinnen zusammen, wir verlieren zusammen“, hat Merz erklärt. Das war im März nach der krachenden Niederlage der CDU im Saarland. Mit der Wahl verlor der Wirtschaftsliberale Merz auch Tobias Hans, einen der noch unter 50-Jährigen in der Partei, der als Ministerpräsident eine gewisse Bekanntheit hatte und der zum Sozialflügel zählt. Hans wird bald nur noch einfacher Landtagsabgeordneter sein.
Und Wüst? „Machen, worauf es ankommt“, lautet sein Wahlkampfmotto. Es wirkt entrückt, seit „Mallorca-Gate“ kursiert. So nennt die SPD als Opposition den Umstand, dass die Umweltministerin Ursula Heinen-Esser wenige Tage nach der schrecklichen Hochwasserkatastrophe im Rheinland mit Kabinettsmitgliedern auf Mallorca den Geburtstag ihres Mannes feierte. Als Ministerin trat Heinen-Esser eine Woche vor Ostern zurück. Der Imageschaden aber bleibt. Und Heinen-Esser kandidiert weiter in der Metropole Köln.
Der NRW-Skandal erreichte die CDU-Zentrale vor Ostern wie ein Tsunami. Zu den Partygästen gehörten schließlich NRW-Bauministerin Ina Scharrenbach, Präsidiumsmitglied der Bundes-CDU, sowie Bundesvorstandsmitglied Serap Güler, Vize-Chefin der Programmkommission. Beide mussten sich für den Fehltritt entschuldigen.
Umweltministerin Ursula Heinen-Esser
Ihre "Mallorca-Affäre" bringt die CDU bei der Landtagswahl in NRW in Schwierigkeiten.
Bild: dpa
Hinzu kam, dass sich Merz zu der Zeit schon wieder von seiner Büroleiterin und Chefin des Leitungsstabs, Andrea Verpoorten, trennte. Auch sie stammt wie Heinen-Esser aus Köln. „Die Erwartungshaltungen passten nicht“, erklärte die 48-Jährige zum Abschied. Und ein Sprecher des CDU-Chefs sagte: „Mit tagespolitischen Vorgängen in NRW“ habe die „einvernehmliche Trennung“ nichts zu tun gehabt.
Merz sagte mit Blick auf die Lage in NRW: „Es wird nicht einfach.“
„Wer wird NRW-Chef, wenn wir verlieren sollten?“, fragen sie in der Partei. Namen wie der des ehemaligen Bundesgesundheitsministers Jens Spahn oder von Carsten Linnemann, Chef der Grundsatzprogrammkommission, kursieren.
In der Partei heißt es angesichts der Personalprobleme: „Wir haben nix mehr im Angebot.“ Als sichere Bank gilt dieser Tage allenfalls Daniel Günther, der in Schleswig-Holstein zur Wahl steht und gute Chance auf seine erste Wiederwahl hat. Im Herbst wird Bernd Althusmann erneut sein Glück in Niedersachsen versuchen und als CDU-Wirtschaftsminister gegen den beliebten Ministerpräsidenten Stephan Weil (SPD) antreten. Beide sitzen im Präsidium der Bundes-CDU.
Dazu gehört auch Michael Kretschmer, der sächsische Ministerpräsident. Als Russlandfreund hat er indes seit dem Angriffskrieg gegen die Ukraine ein Problem mehr – neben dem der Pegida-Anhänger und Coronaleugner. Der 46-Jährige kann froh sein, dass es im Bundestag keine Mehrheit für eine Impfpflicht gab. Bleibt noch der Thüringer Landeschef Mario Voigt, Vize-Chef in der Grundsatzprogrammkommission im Bund. Er könnte für eine Überraschung bei der Landtagswahl sorgen, die aber erst 2024 abgehalten wird.
Der baden-württembergische CDU-Chef Thomas Strobl indes hat sich ebenso wie Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier aus der Bundespolitik zurückgezogen. Auch Julia Klöckner in Rheinland-Pfalz spielt in der Bundes-CDU nur noch die Rolle der Schatzmeisterin. In Mainz hat Christian Baldauf die Führung übernommen. Er war bereits vor Klöckner bis 2010 Landeschef.
Und die weibliche Anhängerschaft? Merz weiß, dass die Partei ein Problem hat. Kürzlich erzählte er beim Frühlingsempfang der Jungen Union in Berlin, wie er seinen Generalsekretär Mario Czaja nach einem Wahlkampfauftritt im Sauerland befragte. „100 Menschen waren da, darunter zwei Frauen – eine Ehefrau eines Mitglieds und eine Bedienung“, habe Czaja ihm berichtet. „Das kann so nicht bleiben“, sagt Merz.
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Im September wird sich auf dem Bundesparteitag zeigen, wie ernst er es meint. Seit die Pandemie Parteitage in Präsenz verhindert hat, liegt ein Antrag der Struktur- und Satzungskommission rund um eine Frauenquote vor. Es sind alles Ideen, die unter Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer entstanden. Merz hat zugesagt, sie nicht verwässern zu wollen.
Vorher aber muss die CDU in NRW bestehen. Eine Niederlage, sie wäre bitter für Merz. Kaum ein Tag vergeht, an dem der 66-Jährige nicht versucht einzulösen, wofür ihn seine Anhänger gewählt haben: Mit klaren Worten attackiert der CDU-Chef die Regierung. Wie am Fließband legt seine Fraktion Anträge vor oder führt die Regierungskoalition wie zuletzt bei der Impfpflicht vor.
Nach Ostern dürfte es bei der Frage nach dem 100-Milliarden-Euro-Sondertopf für die Bundeswehr weitergehen. Die Union will der Grundgesetzänderung zustimmen – wenn sie rechtssicher und auf Dauer mitbestimmen darf, was sich Deutschland von dem Geld kauft. Bundeskanzler Olaf Scholz schwant eine neuerliche Niederlage, weshalb er inzwischen eine „patriotische Haltung“ der Opposition anmahnt. Unterdessen klagt die Unionsfraktion gegen die Haushaltspläne der Ampel, die 60 Milliarden Euro als Vorsorge im Energie- und Klimafonds zu parken. Für die Union verstößt dies gegen die Schuldenregeln.
Was nach klarer Kante klingt, ist es indes nicht zwingend. Auch Merz sucht noch Positionen. „Wir haben wahrscheinlich – jedenfalls für eine gewisse Zeit – den Höhepunkt unseres Wohlstandes hinter uns. Es wird schwieriger“, sagte er etwa kurz vor Ostern. Dabei hatte er noch wenige Wochen zuvor angekündigt, dass er „das letzte große Wohlstandsversprechen der CDU“ einlösen wolle: die Beteiligung der Arbeitnehmer am Kapital.
Angela Merkel bei Wladimir Putin
Merz nennt die Russlandpolitik seiner Vorgängerin einen "Irrtum."
Bild: dpa
Und dann ist da noch die Russlandpolitik der CDU unter Angela Merkel. Merz hat sich bereits distanziert und sie als großen „Irrtum“ bezeichnet, wohl wissend, dass 16-Jahre CDU-Regierung wie ein Mühlstein an ihm als Oppositionsführer hängen. Nur gut, dass er sich glaubhaft distanzieren kann, war er doch seit 2009 nicht mehr Teil der Unionsfraktion. Unklar ist indes, wie sich die CDU künftig verhalten wird.
Anfang Mai will er gemeinsam mit der CSU zumindest ein Energieprogramm beschließen. Darin dürften sich auch Antworten auf die Energieabhängigkeit von Russland finden. Die klare Linie fehlt noch, wie auch beim Empfang der Nachwuchsorganisation in Berlin deutlich wurde.
Die Bühne war in das ukrainische Blau-Gelb getaucht, während JU-Chef Tilman Kuban ein Energieembargo forderte. Merz stand am Bühnenrand, hörte zu, die linke Hand nachdenklich unterm Kinn. Später betrat er die Bühne, attackierte pflichtgemäß die Regierung, erklärte seine Solidarität mit der Ukraine, um zum Ende seiner Rede noch Perikles, Staatsmann der griechischen Antike, zu zitieren: „Das Geheimnis des Glücks ist die Freiheit. Das Geheimnis der Freiheit ist der Mut.“ Doch bedeute Mut nicht „Übermut“, wie Merz hinzufügte. Ab sofort keine Energie mehr aus Russland? „Wir müssen sehr genau bedenken, welche Folgen es für unser Land hat.“
Und so steht die CDU unter Merz am Anfang ihrer Neuerfindung, Probleme inklusive. Um es mit Perikles zu sagen: „Es kommt nicht darauf an, die Zukunft vorauszusagen, sondern darauf, auf die Zukunft vorbereitet zu sein.“
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