PremiumDie stellvertretende Regierungschefin wirkt entscheidend in der Ukrainepolitik ihres Landes mit. Bei den Russen steht sie auf der Sanktionsliste.
Am Tisch der G7-Finanzministerinnen und -minister, die in Bonn und Königswinter tagen, sitzt mit Kanadas Ressortchefin Chrystia Freeland eine Frau, die nicht nur für Kanadas Finanzen verantwortlich ist, sondern auch entscheidend bei der Formulierung der Ukrainepolitik ihres Landes mitwirkt.
Vor klaren Worten schreckt die Politikerin aus Toronto nie zurück. So auch in ihrer Etatrede im Parlament vor wenigen Wochen: „Putin und seine Schergen sind Kriegsverbrecher.“
Schon lange steht die 53-jährige Politikerin, die durch ihre Großeltern mütterlicherseits ukrainische Wurzeln hat und fließend Ukrainisch spricht, auf der Sanktionsliste der Russen. Sie gehörte 2014 zu den ersten 13 Kanadierinnen und Kanadiern, die die Regierung von Wladimir Putin mit einem Einreiseverbot belegte.
Freeland war damals Oppositionsabgeordnete der Liberalen Partei und kurz nach der Annexion der Krim mit einer Parlamentarierdelegation durch Russland nach Kiew gereist. Es sei für sie eine „Ehre, auf Putins Sanktionsliste zu stehen“, schrieb sie damals auf Twitter.
Oft tritt Freeland in dem für die Liberale Partei stehenden Rot auf. Als sie im April den Bundeshaushalt präsentierte, kleidete sie sich aber in ein blaues Kostüm – mit einem gelben Knopf an den Ärmeln, als Zeichen der Solidarität mit der Ukraine.
>> Lesen Sie hier: Solidarität ist nicht genug: Ukraine ruft G7-Länder zu mehr Hilfe auf
Ein Foto von Freeland bei diesem Auftritt im Parlament wurde zum Titelblatt der aktuellen Ausgabe des kanadischen Zweimonats-Magazins „Policy“, das sie als „A Woman of Influence“, eine Frau des Einflusses, bezeichnete.
Die Demokratien der Welt könnten nur sicher sein, „wenn der russische Tyrann und seine Armeen völlig besiegt“ seien, sagte sie. „Man kann sicher sein, dass dies nicht von den Erbsenzählern im Finanzministerium geschrieben wurde, sondern von ihrer eigenen Hand“, urteilt Ian MacDonald, Chefredakteur von „Policy“.
Freeland wurde 1968 in Peace River in der Provinz Alberta geboren. Nach Studium in Harvard und Oxford hatte sie eine journalistische Kariere begonnen. Sie ging in die Ukraine und arbeitete als Korrespondentin für die „Financial Times“, die „Washington Post“ und „The Economist“, dann als stellvertretende Chefredakteurin der kanadischen Tageszeitung „Globe and Mail“ in Toronto und danach der „Financial Times“ sowie als Reuters-Korrespondentin in Washington. 2013 kehrte sie nach Kanada zurück.
Der liberale Parteivorsitzende Justin Trudeau berief sie in sein Team und ernannte sie nach seinem Wahlsieg 2015 zur Handelsministerin, später zur Außenministerin. Sie leitete Kanadas Verhandlungen über das kanadisch-europäische Freihandelsabkommen CETA und die äußerst schwierigen Neuverhandlungen des nordamerikanischen Nafta-Abkommens mit den USA und Mexiko, nachdem US-Präsident Donald Trump das existierende Abkommen aufgekündigt hatte.
Die Europäer und die USA lernten sie als entschlossene Verhandlungspartnerin kennen. Seit November 2019 ist sie stellvertretende Premierministerin, koordinierte Kanadas Reaktion auf die Covidpandemie und wurde im August 2020 zudem Finanzministerin. So wundert es nicht, dass in politischen Zirkeln, wenn über eine Post-Trudeau-Zeit spekuliert wird, natürlich auch ihr Name als mögliche künftige Regierungschefin fällt.
Seit Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine steht Kanada an der Spitze der Länder, die Sanktionen gegen Russland erließen. Kanada hat enge Beziehungen zur Ukraine: Kanadierinnen und Kanadier mit ukrainischen Wurzeln sind eine der größten ethnischen Bevölkerungsgruppen Kanadas und nach Russland die zweitgrößte ukrainische Diaspora.
Freeland bezeichnet sich selbst als Tochter der kanadisch-ukrainischen Diaspora. Hörbar bewegt hatte sie sich an „meine eigene kanadisch-ukrainische Gemeinde“ gewandt, als sie nach Kriegsbeginn mit Premierminister Trudeau Sanktionen gegen Russland bekannt gab.
Kanadas Regierung verurteilte deutlich Putins „entsetzlichen, unprovozierten Angriff“ auf die Ukraine. Die Trudeau-Regierung erließ Sanktionen gegen Politiker Russlands und Personen im Umfeld Putins, ebenso gegen Banken und Unternehmen. Frühzeitig unterstützte Kanada den Ausschluss Russlands aus Swift.
Neben militärischer Ausrüstung wie Panzerwesten, Helmen, Gasmasken und Nachtsichtgeräten stellt Kanada der Ukraine auch Panzerabwehrwaffen und Munition zur Verfügung. In ihrem Budget 2022 weist Chrystia Freeland weitere 500 Millionen Can-Dollar, etwa 350 Millionen Euro, für Militärhilfe für die Ukraine aus. Die „Frau mit Einfluss“ prägt den Kurs des Landes.
Auf tippen, dann auf „Zum Home-Bildschirm“ hinzufügen.
Auf tippen, dann „Zum Startbildschirm“ hinzufügen.
×