Pressekonferenz nach Marathonsitzung des Bund-Länder-Gipfels
Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD), Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) stellen zu später Stunde die Ergebnisse vor.
Bild: AFP
Berlin Angesichts weiter steigender Corona-Infektionszahlen schicken Bund und Länder Deutschland über Ostern in den schärfsten Lockdown seit Beginn der Pandemie vor einem Jahr. Vom 1. bis einschließlich 5. April, also vom Gründonnerstag bis Ostermontag, soll das öffentliche, wirtschaftliche und private Leben weitgehend heruntergefahren werden, um die dritte Welle der Pandemie zu durchbrechen.
Das haben Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Ministerpräsidenten der Länder in der Nacht zum Dienstag beschlossen:
- Der Lockdown zur Bekämpfung der Corona-Pandemie wird insgesamt bis zum 18. April verlängert.
- Die Notbremse soll konsequent umgesetzt werden. Sie soll greifen, wenn die Sieben-Tage-Inzidenz pro 100.000 Einwohner in einem Land oder einer Region an drei aufeinanderfolgenden Tagen über 100 Neuinfektionen liegt. Dann gelten ab dem zweiten darauffolgenden Werktag wieder die Beschränkungen, die bis zum 7. März in Kraft waren. Weitere Öffnungen soll es nur geben, wenn die Sieben-Tage-Inzidenz unter 100 und stabil ist oder sinkt.
- Ab einer Sieben-Tage-Inzidenz von mehr als 100 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner sollen die Landkreise weitergehende Schritte umsetzen. Als Möglichkeit genannt werden unter anderem Ausgangsbeschränkungen, verschärfte Kontaktbeschränkungen oder die Pflicht zu tagesaktuellen Schnelltests in Bereichen, in denen das Abstandhalten oder konsequente Maskentragen erschwert sind.
- Über Ostern greifen härtere Maßnahmen. Der Gründonnerstag und der Karsamstag werden demnach einmalig als Ruhetage definiert und mit weitgehenden Kontaktbeschränkungen verbunden. „Es gilt damit an fünf zusammenhängenden Tagen das Prinzip #WirBleibenZuHause“, heißt es in dem Papier. Nur am Karsamstag soll der Lebensmittelhandel im engeren Sinne geöffnet bleiben. Private Zusammenkünfte sollen auf den eigenen Haushalt und einen weiteren Hausstand, jedoch maximal fünf Personen beschränkt werden. Kinder bis 14 Jahre werden nicht mitgezählt. Paare gelten als ein Haushalt.
- Ansammlungen im öffentlichen Raum werden dem Beschluss zufolge in dieser Zeit generell untersagt. Wo bereits Außengastronomie offen ist, muss sie für diese fünf Tage wieder geschlossen werden. Nur Impf- und Testzentren sollen offen bleiben. Kirchen und Religionsgemeinschaft werden gebeten, an Ostern nur Online-Angebote für die Gläubigen zu machen.
- Für Urlauber im Ausland soll über eine Änderung des Infektionsschutzgesetzes eine generelle Testpflicht vor dem Rückflug eingeführt werden. Sie soll zur Voraussetzung für die Einreise nach Deutschland gemacht werden. Schon jetzt müssen Einreisende einen negativen Test vor dem Abflug vorweisen, die aus „Hochinzidenzgebieten“ mit besonders vielen Infektionen sowie Gebieten mit neuen Virusvarianten kommen.
- Bund und Länder wollen Corona-Tests für Schüler, Lehrkräfte und Kita-Beschäftigte ausweiten und streben „baldmöglichst zwei Testungen pro Woche“ an. Zur Organisation des weiteren Betriebs von Schulen und Kitas, etwa zu möglichen Schließungen oder anderen Einschränkungen trafen Merkel und die Ministerpräsidenten keine konkreten Vereinbarungen. Die Länder regeln diese Fragen damit weiterhin in Eigenregie.
- In „zeitlich befristeten Modellprojekten“ dürfen die Länder in ausgewählten Regionen ausprobieren, wie sich Bereiche des öffentlichen Lebens „mit strengen Schutzmaßnahmen und einem Testkonzept“ öffnen lassen.
- Arbeitgeber sollen ihren Mitarbeitern weiterhin Homeoffice ermöglichen. Wo das nicht geht, sollen sie regelmäßige Tests anbieten, „mindestens einmal und bei entsprechender Verfügbarkeit zwei Mal pro Woche“. Anfang April soll Bilanz gezogen werden wie viele Unternehmen sich beteiligen. Die Bundesregierung will dann mögliche schärfere Arbeitsschutzvorschriften prüfen.
- Für Unternehmen, die besonders schwer und lange unter Schließungen leiden, will die Bundesregierung weitere Hilfen entwickeln.
- Das Robert Koch-Institut soll bis zur nächsten Bund-Länder-Runde am 12. April einen Bericht dazu vorlegen, ab welchem Zeitpunkt Geimpfte „mit so hinreichender Sicherheit nicht infektiös sind, dass eine Einbeziehung in Testkonzepte möglicherweise obsolet wird“.
Vorausgegangen war die schwierigste Verhandlungsrunde von Kanzlerin und Länderregierungschefs seit dem Ausbruch der Pandemie. Mehr als elf Stunden lang wurde verhandelt – wegen eines Streits über sogenannten „kontaktarmen Urlaub“ im eigenen Bundesland war die große Runde allerdings stundenlang unterbrochen.
Dem Vernehmen nach zeigte sich Kanzlerin Merkel bei der Unterbrechung der Beratungen unzufrieden. Sie habe argumentiert, die bis dahin geeinten Maßnahmen reichten nicht aus, um die Infektionsdynamik zu brechen. So könne man in der Öffentlichkeit nicht bestehen.
Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Rheinland-Pfalz drangen darauf, ihren Bürgern Urlaub in Ferienwohnungen, Ferienhäusern, Appartements, Wohnwagen und Wohnmobilen möglich zu machen, sofern diese über eigene Sanitäreinrichtungen verfügen und auch das Essen in Eigenregie organisiert werden kann. Davon ist im Beschluss nichts mehr zu finden.
Bundesregierung will Lage auf Mallorca im Blick behalten
Angesichts vieler deutscher Mallorca-Urlauber hat die Bundesregierung angekündigt, die Lage auf der Insel dauernd zu beobachten. Man werde darauf schauen, ob sich Infektionsrisiken zeigen, sagte Merkel. „Es gab ja auch erste Informationen, dass dort die brasilianische Mutante aufgetaucht ist. Das wird etwas sein, was wir sehr genau untersuchen.“
„Insgesamt ist durch die Tatsache, dass es Übernachtungsmöglichkeiten auf Mallorca gibt, eine nicht einfache Lage eingetreten“, sagte Merkel. Die Rechtslage sei „verzwickt“. Die Kanzlerin erneuerte den Hinweis an die Bürger, „dass man eben nicht reisen sollte in diesem Jahr“.
Bei der Pressekonferenz sprach sich Merkel gegen „generelle Exportverbote“ für Corona-Impfstoffe aus. Es gebe bei der Impfstoff-Produktion verschiedenste internationale Abhängigkeiten, sagte die CDU-Politikerin. Man müsse sich die Lieferketten sehr genau anschauen.
Merkel sagte weiter, die EU sei der Bereich, aus dem im Augenblick am meisten exportiert werde. Sie unterstütze daher EU-Kommissionspräsidenten Ursula von der Leyen, die sehr deutlich gemacht habe, dass Verträge nicht erfüllt würden. Merkel verwies auf Probleme mit Astra-Zeneca. Man werde „in verantwortungsvoller Weise“ entscheiden und das Gespräch mit der britischen Regierung suchen, wie sie es bereits mit Premierminister Boris Johnson gemacht habe.
Kommentare (19)