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23.02.2023

15:16

Daten

EU-Kommission will Milliarden in Ausbau der Telekomnetze leiten

Von: Christoph Herwartz, Philipp Alvares de Souza Soares

Netflix und Youtube sollen für den Ausbau von Glasfaser und 5G bezahlen. Die EU-Kommission hat nun eine entsprechende Konsultation gestartet.

Die großen Anbieter von Inhalten im Internet sollen Geld bezahlen, wenn ihre Daten über das Internet abgerufen werden. dpa

Smartphone-Nutzung

Die großen Anbieter von Inhalten im Internet sollen Geld bezahlen, wenn ihre Daten über das Internet abgerufen werden.

Brüssel, Hamburg Die europäischen Telekomkonzerne haben es schon oft versucht, aber so nah waren sie ihrem Ziel noch nie: Die EU-Kommission bereitet ein Gesetz für eine sogenannte Datenmaut vor, über das Milliarden in den Ausbau der Kommunikationsnetze geleitet werden sollen.

Das Geld soll von jenen kommen, die besonders viele Daten über das Internet verschicken, also etwa Streaminganbieter wie Netflix und Youtube oder Cloud-Dienste. EU-Kommissar Thierry Breton startete am heutigen Donnerstag die Konsultationsphase für dieses Gesetz. Diese ist ein Zeitraum, in dem Rückmeldungen zu dem bisherigen Vorschlag noch berücksichtigt werden. Das Handelsblatt hatte bereits Anfang Dezember über Bretons Pläne berichtet.

Große europäische Telekomkonzerne wie Vodafone oder die Deutsche Telekom fordern eine solche Initiative bereits seit Jahren. Sie sind hochverschuldet, müssen aber dennoch hohe Investitionen in Infrastruktur stemmen. Es wäre „enorm vorteilhaft“ für die Bürger und Unternehmen in Europa, wenn die EU ein Gesetz erlassen würde, „das sicherstellt, dass alle relevanten Akteure ihren gerechten Beitrag an der Entwicklung der digitalen Infrastruktur leisten“, sagte Juan Montero Rodil, Cheflobbyist der spanischen Telefónica.

Die Telekomunternehmen, darunter auch die Deutsche Telekom, rahmen das Mautkonzept als Einforderung eines „fair share“, also gerechten Anteils, den die Tech-Unternehmen zahlen sollten. Diesen Begriff haben auch die Beamten der EU-Kommission mittlerweile übernommen.

Dahinter steckt die Annahme, dass Netflix & Co. auch dank europäischer Infrastruktur hohe Renditen erwirtschaften, sich aber nicht an den von ihren Diensten verursachten Kosten beteiligen. „Immer mehr Daten fließen durch die europäischen Netze“, klagt Telefónica-Deutschland-Chef Markus Haas. Die Lasten für den Ausbau würden die Netzbetreiber tragen.

Druck kommt auch von der EU selbst

Diese Kosten steigen nach Darstellung der Telekomunternehmen stark und werden in Zukunft noch weiter zunehmen. Verantwortlich seien etwa Cloud-Anwendungen, Streamingangebote, das sogenannte Metaverse und neue Anwendungen über den schnellen Mobilfunkstandard 5G.

Alle Bürger  in der EU sollen bis 2030 mit Gigabit-Glasfaserleitungen versorgt werden, in allen besiedelten Regionen soll ein 5G-Signal empfangbar sein. dpa

Glasfaserausbau

Alle Bürger in der EU sollen bis 2030 mit Gigabit-Glasfaserleitungen versorgt werden, in allen besiedelten Regionen soll ein 5G-Signal empfangbar sein.

Während der Coronapandemie stieg nach Daten des Beratungsunternehmens Sandvine der Anteil des Internetverkehrs, der von den größten sechs Inhalte-Anbietern Alphabet, Netflix, Meta, Microsoft, Apple und Amazon verursacht wurde, auf mehr als 50 Prozent. Mittlerweile ist dieser Anteil Sandvine zufolge wieder etwas gesunken. Die Idee der Telekomunternehmen und der EU-Kommission ist es, nicht alle Anbieter von Inhalten mit Gebühren zu belegen, sondern nur die wichtigsten.

Zuletzt wurde von der Branche ein vergleichsweise liberales Modell favorisiert: Unternehmen, die in Spitzenlastzeiten für mehr als fünf Prozent des Datenverkehrs in einem EU-Land verantwortlich sind, müssten mit ihnen dann über „angemessene“ Zugangspreise verhandeln. Einigt man sich nicht, würde ein Schiedsrichter der EU eingreifen.

Die EU will mit dem Instrument auch die Realisierung ihrer eigenen Konnektivitätsziele sichern. Alle Bürger, so der Plan, sollen bis 2030 mit Gigabit-Glasfaserleitungen versorgt werden; in allen besiedelten Regionen soll ein 5G-Signal empfangbar sein, heißt es in der Strategie „Digital Decade“, die 2021 beschlossen wurde.

Man beobachte interessante Entwicklungen am Markt und in der Übertragungstechnik, sagte eine hohe EU-Beamtin, die nicht namentlich zitiert werden möchte. Deswegen müssten nicht alle Regeln geändert werden, aber man nehme das zum Anlass, über die Zukunft des Konnektivitätssektors nachzudenken. „Wir fragen in unserer Konsultation danach, ob wir etwas daran ändern müssen, wer zu dieser Transformation beitragen sollte“, sagte sie.

In der Kommission betont man, dass die Konsultation ergebnisoffen sei, es also auch nicht zu Änderungen an der Finanzierung kommen könnte. Doch die betroffenen Unternehmen halten das für unrealistisch. Breton und die Kommissions-Vizepräsidentin Margrethe Vestager hatten sich im vergangenen Jahr bereits positiv zu der Idee geäußert, die Inhalte-Anbieter zur Kasse zu bitten.

„Wir begrüßen, dass die Öffentlichkeit endlich konsultiert wird, befürchten aber, dass die Kommission den Forderungen der großen Telekommunikationsunternehmen nach Netzgebühren bereits nachgegeben hat“, sagt darum Christian Borggreen, Chef des Verbands CCIA Europe, in dem viele der großen Tech-Unternehmen wie Amazon, Apple, Alphabet und Meta vertreten sind.

Skepsis bei Regulierungsbehörden

Die Europäer bezahlten ihre Internetzugänge bereits und sollten nicht noch einmal indirekt über höhere Streaming- und Cloud-Kosten zahlen. „Die Botschaft von Regulierern, Konsumentenorganisationen, Zivilgesellschaft und Wissenschaftlern könnte nicht klarer sein: Eine Netzwerk-Gebühr einzuführen ist eine fürchterliche Idee“, sagte Borggreen.

Das Geld soll von  Streaming-Anbietern wie Netflix und Youtube oder Cloud-Diensten kommen. imago images/MiS

Netflix

Das Geld soll von Streaming-Anbietern wie Netflix und Youtube oder Cloud-Diensten kommen.

Das Gremium europäischer Regulierungsstellen für elektronische Kommunikation (Berec) hatte im Oktober 2022 tatsächlich kritisch zu der Idee Stellung genommen. Der Markt funktioniere und bedürfe keines Eingriffs, heißt es in seinem Bericht.

Man habe das wahrgenommen, sagte ein Beamter der EU-Kommission. Jetzt sei man offen für die Antworten auf konkrete Fragen des Konsultationsverfahrens von Berec genauso wie von anderen Stakeholdern.

Die Konsultation soll zwölf Wochen dauern. Danach müsste die EU-Kommission einen Gesetzesvorschlag vorstellen, der dann vom EU-Parlament und den EU-Mitgliedstaaten auch überarbeitet oder abgelehnt werden könnte.

Etwas weiter ist die EU-Kommission mit ihren Plänen für einen „Gigabit Infrastructure Act“, kurz „GIA“. Dieser soll den Ausbau von Internetleitungen durch vereinfachte Genehmigungsverfahren beschleunigen. Außerdem soll er vorschreiben, dass neue und kernsanierte Gebäude immer mit Glasfaseranschlüssen ausgestattet werden müssen.

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