Vizekanzler Scholz führt die SPD als Kanzlerkandidat in die Bundestagswahl 2021. Ein Vorstoß der Parteispitze zu Koalitionsoptionen sorgt in der Wirtschaft für Unruhe.
Ifo-Präsident Clemens Fuest
Fuest sieht Scholz Positionen mit denen der Linken als nicht vereinbar an.
Bild: dpa
Berlin Der Präsident des Münchner Ifo-Instituts, Clemens Fuest, hat vom designierten SPD-Kanzlerkandidaten Olaf Scholz eine klare Absage an ein mögliches rot-rot-grünes Regierungsbündnis verlangt. „Die Umsetzung der wirtschafts- und sicherheitspolitischen Positionen der Linken würde Deutschland erheblichen Schaden zufügen“, sagte Fuest dem Handelsblatt. „Ich würde von Olaf Scholz erwarten, dass er eine Koalition mit der Linken ausschließt, denn seine Positionen sind mit denen der Linken nicht vereinbar.“
Als Beispiele nannte Fuest etwa die Forderung der Linkspartei nach einer Auflösung der Nato sowie die Umverteilungspläne der Linken, die eine Vermögensteuer von fünf Prozent auf alle Vermögen oberhalb von eine Million Euro vorsehen.
Vorstand und Präsidium der SPD hatten Scholz am Montag einstimmig nominiert. Vor der Kandidatenkür hatte die SPD-Spitze um Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans am Wochenende eine Koalition mit der Linkspartei nach der Bundestagswahl nicht ausgeschlossen.
Auch die deutschen Familienunternehmer warnten vor einem solchen Regierungsbündnis. „Der Investitionsstandort würde in seinem labilsten Moment schwer geschädigt“, sagte Reinhold von Eben-Worlée, Präsident des Verbands „Die Familienunternehmer“, der Zeitung „Die Welt“. Coronabedingt werde Deutschland über das Wahljahr 2021 hinaus um die wirtschaftliche Genesung kämpfen müssen. „Gerade in so einer kritischen Phase wäre ein Bündnis aus Rot-Rot-Grün ein völlig falsches Signal, denn es steht für Vermögenssteuer und andere wirtschafts- und investorenfeindliche Projekte“, sagte er.
In Umfragen ist die SPD derzeit drittstärkste Kraft hinter Union und Grünen. Die Union hatte in der sogenannten Sonntagsfrage im ARD-Deutschlandtrend zuletzt 38 Prozent erreicht. Die Grünen kommen demnach auf 18 und die SPD auf 15 Prozent. Eine Mehrheit hätten deshalb derzeit nur eine erneute CDU/CSU-SPD-Koalition oder ein schwarz-grünes Bündnis. Eine rot-rot-grüne Koalition hätte dagegen keine Mehrheit.
Das SPD-Führungstrio vermied am Montag eine Festlegung auf eine mögliche Konstellation. Allerdings schlossen sowohl Scholz als auch Walter-Borjans eine weitere Juniorpartnerschaft unter einem Unions-Kanzler aus. Die Möglichkeit einer rot-rot-grünen Koalition sei dagegen bereits seit 2013 Beschlusslage der SPD.
Scholz betonte, man werde dafür kämpfen, so stark zu werden, dass andere Parteien auf die SPD zukommen müssten. Es liege an anderen, sich dann zu verändern, sagte er in Anspielung etwa auf die außen- und europapolitischen Positionen der Linkspartei.
Linken-Chefin Katja Kipping zeigte sich offen für linke Mehrheiten. „Um die CDU, und die hinter ihr stehen stehenden Lobbygruppen, in die Opposition zu schicken, brauchen wir ein breites Bündnis für einen sozial-ökologischen Politikwechsel“, sagte die 42-Jährige dem Handelsblatt. „Dafür sind die Inhalte entscheidend.“
Die Möglichkeiten für eine Mitte-links-Regierung lotete Kipping in ihrem im Februar dieses Jahres erschienenen Buch „Neue linke Mehrheiten – eine Einladung“ aus. Die Linken-Vorsitzende fordert darin eine Umverteilung des Reichtums von oben nach unten, öffentliche Zukunftsinvestitionen und Daseinsvorsorge, wirksamen Klimaschutz sowie die Förderung solidarischer Wirtschaftsmodelle – ganz nach der Devise „Mehr Demokratie, weniger Markt“.
Bei einer Diskussionsrunde mit Kipping im Frühjahr dieses Jahres stufte SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil die Chancen für eine mögliche Koalition von Grünen, SPD und Linkspartei auf Bundesebene als „noch nie so groß wie heute“ ein. Man sei aber noch lange nicht soweit, schränkte Klingbeil zugleich ein. Zuerst müsse die SPD wieder stärker werden, und auch die Grünen müssten die Frage nach einem möglichen Bündnis mit SPD und Linker noch beantworten.
Die Grünen wollen derzeit jedoch von Koalitionsfragen nichts wissen. Es gehe zunächst um einen Wettstreit der besten Ideen, nicht um eine „langweilige Farbdebatte“, sagte Bundesgeschäftsführer Michael Kellner der ARD.
Als Knackpunkt gilt die Außenpolitik. Zur Frage, wie man vor allem hier bei möglichen Koalitionsverhandlungen mit SPD und Grünen auf einen Nenner kommen könnte, sagte Kipping bei der Diskussion mit Klingbeil: „Ich glaube, das wird eine harte Nuss und ein knallharter Konflikt. (...) Es gibt ein paar Dinge, da machen wir nie mit. Dazu gehören Sozialabbau, Privatisierung und Kriege.“
Klingbeil nannte die Meinungsverschiedenheiten mit der Linken in der Außenpolitik „sehr problematisch“. „Es wird mit der SPD keinen Austritt aus der Nato geben“, sagte der SPD-Generalsekretär.
Scholz nannte für sein Programm als Kanzlerkandidat drei zentrale Punkte. Zum einen gehe es um Respekt, um gerechte Löhne und sichere Arbeitsplätze. Zudem sei es zentral, die Zukunft mit Blick etwa auf die Digitalisierung zu entwickeln und den Industriestandort Deutschland zu erhalten. Dritter Aspekt sei die Europapolitik. Er sei sehr froh, dass sich die EU-Mitgliedstaaten in der Coronakrise solidarisch gezeigt hätten. Dies werde keine Einmal-Aktion bleiben. Deutschland trage hier eine besondere Verantwortung.
Linken-Chef Bernd Riexinger deutete am Montag an, wie sich seine Partei einen Richtungswechsel bei der nächsten Bundestagswahl vorstellt. Die SPD-Chefs Esken und Walter-Borjans hätten etwa bei Hartz-IV oder höheren Steuern für Reiche einige Aussagen gemacht, die in die inhaltlich richtige Richtung gingen, sagte er. „Ich bin hochgespannt, ob Olaf Scholz in die gleiche Richtung geht.“ Das werde die spannende Frage sein. „Daran werden wir natürlich die Kanzlerkandidatur von Olaf Scholz messen.“
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