Er ist 46 Jahre alt, Jurist, im Herzen konservativ und doch Hoffnungsträger einer CDU der Mitte in Nordrhein-Westfalen: Hendrik Wüst soll auf Armin Laschet folgen.
Hendrik Wüst
Für den designierten Nachfolger von Armin Laschet im Amt des NRW-Ministerpräsidenten gab es langen Applaus.
Bild: dpa
Berlin Als Hendrik Wüst am Mittwoch den Fraktionssaal der Liberalen betrat, gab es für den CDU-Politiker und designierten Nachfolger von Armin Laschet im Amt des Ministerpräsidenten langen Applaus. Das Signal war umso wichtiger für den gebürtigen Rhederer, als CDU und FDP mit nur einer Stimme Mehrheit im Landtag das größte Bundesland Nordrhein-Westfalen regieren.
„Diese Mehrheit hat jetzt die letzten viereinhalb Jahre gut und vertrauensvoll zusammengearbeitet und immer jeweils Mehrheiten im Landtag gebracht. Das wird hier auch funktionieren“, sagte Wüst hoffnungsfroh und vernahm den Hinweis von FDP-Landtagsfraktionschef Christof Rasche, dass „selbstverständlich“ alle 28 FDP-Abgeordneten geschlossen für Wüst stimmen würden.
Früher forsch und als Generalsekretär unter Jürgen Rüttgers geradezu brachial, was ihm seinen Rücktritt einbrachte, gilt der konservative Katholik heute als die neue Nummer eins des größten Landesverbands der CDU.
Vorsitzender soll der derzeitige Chef der Mittelstandsunion werden wie auch neuer Regierungschef. Dem 46-Jährigen traut auch der Chef des Arbeitnehmerflügels, Dennis Radtke, zu, dass er „die CDU als Volkspartei der Mitte positioniert und stärkt“.
Den letzten Ausschlag für den passionierten Jäger dürfte die desaströse Bundestagswahl gegeben haben. Wer noch Zweifel hatte, dass in Zeiten der sozialen Medien Bekanntheit und am besten gleich ein Amtsbonus unerlässlich sind, um gezielte Falschmeldungen und den daraus resultierenden Hohn und Spott zu überleben, war nach den Erfahrungen Laschets im Bund überzeugt: Die Wahl musste auf Verkehrsminister Wüst fallen.
Denn seine Rivalin, Bauministerin Ina Scharrenbach, gehört nicht dem Landtag an – eine zwingende Voraussetzung, um Ministerpräsident zu werden, wenn Laschet sein Amt am 26. Oktober mit der Konstituierung des Bundestags verfassungsgemäß zur Verfügung stellt.
Für Scharrenbach hätte es eine Interimslösung geben müssen. Da aber die CDU in Nordrhein-Westfalen angesichts des Abwärtssoges nur auf 26 Prozent gekommen ist, soll es kein Risiko geben. Mit dem Amtsbonus halten sie es im Wüst-Lager für realistisch, bei der Landtagswahl im Mai 2022 auf 30 Prozent der Stimmen zu kommen und damit erneut die Regierung zu stellen.
Wüst vertritt den münsterländischen Wahlkreis Borken I im Landtag und steht wie vermutlich kein anderes Regierungsmitglied für die Botschaft Laschets, zu entfesseln und Planungs- und Genehmigungsverfahren zu entschlacken. Der Jurist weiß im Zweifel, wovon er redet.
Nach Jahren, in denen Nordrhein-Westfalen Planungspersonal abgebaut hat und Bundesmittel für Straßenprojekte sogar an den Bund zurückgeben musste, weil sie nicht mehr verbaut werden konnten, hat die Regierung unter Wüst wieder Personal eingestellt, um diesen Flaschenhals in den Verfahren zu beseitigen.
Zwar hat die Große Koalition im Bund vier Gesetze für schnellere Planungen beschlossen, doch gingen sie dem Düsseldorfer Minister nicht weit genug. Er nannte sie „Trippelschrittchen“ und forderte, Umweltverträglichkeitsprüfungen bei Ersatzneubauten an Bundesfernstraßen nur noch dann vorzuschreiben, wenn eine erhebliche Umgestaltung mit dem Neubau einhergeht.
Auch sollten in Vergabeverfahren mehrere Teilaufträge gebündelt und somit ganze Bauverfahren beschleunigt werden und bei der Elektrifizierung von Eisenbahnstrecken Umweltprüfungen erst ab 50 Kilometer Streckenlänge nötig sein.
„Er hat alles beschleunigt“, lobt der Koalitionspartner Thomas Nückel von der FDP, Vorsitzender des Verkehrsausschusses. Wenn es Klagen über Staus gebe, so sei dies den vielen Baumaßnahmen geschuldet. Er lobt, dass Wüst Probleme umgehend zu lösen versucht. So müssten inzwischen Lokführer-Lehrlinge ihre Ausbildung nicht mehr allein bezahlen. Auch entwickeln endlich alle Verkehrsverbünde gemeinsam ein einheitliches digitales Ticket fürs Land. „Anfang 2022 soll das E-Ticket umgesetzt werden“, sagt Nückel.
Wüst hat versucht, Tempo zu machen (Briefformel: „Wüst grüßt!“), was sich etwa bei der Hochwasserkatastrophe zeigte. Per Erlass setzte er Regeln für Genehmigungsverfahren aus, damit Straßen und Brücken schnell wiederaufgebaut werden konnten.
Umweltverträglichkeit, Artenschutz, Eigentumsrechte? Alles unerheblich, wenn es sich um „konstruktive Anpassungen der Straße oder des Brückenbauwerks“ handelte. 85 Prozent der gesperrten Straßen sind „wieder befahrbar, in Bau oder beauftragt“, berichtete sein Ministerium zufrieden vor wenigen Wochen.
Kritik kommt hingegen von Umweltverbänden. Der Erlass sei ein Fehler, erklärte BUND-Landesgeschäftsführer Dirk Jansen. Vor der Flut seien Überschwemmungsgebiete bebaut und Risikokarten missachtet worden. Die Regierung habe die Versiegelung erleichtert. „Wer eine solche Politik fortführt, ist mitverantwortlich für all die klimawandelbedingten Schäden, die uns zukünftig drohen.“
Zumindest setzt Wüst nicht nur auf das Auto. Er fördert auch den Nahverkehr, wobei er bei der Finanzierung in erster Linie den Bund in der Pflicht sieht und sich dabei auch mit den Haushaltspolitikern der CDU im Bund anlegt.
Wüst, der selbst mit dem Fahrrad fährt, weiß, wie viel noch bei den Radwegen zu tun ist. Zwar hat er mit mehr als 700 Kilometern weit mehr als die letzte Regierung unter Rot-Grün gebaut. Aber in der Landeshauptstadt etwa, diese Erfahrung macht er selbst, müsse man „Schleichwege“ fern der Hauptstraßen kennen, um sicher an sein Ziel zu kommen. Nach Hause ins Münsterland fährt er dann doch mit dem Auto.
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