Das Neun-Euro-Ticket wurde wohl von Juni bis August 52 Millionen Mal verkauft. Ein Nachfolgeticket ist noch nicht beschlossen – aber der Termin für einen neuen Vorschlag.
Bundesverkehrsminister Volker Wissing
Wissing erklärte, mit dem Beschluss der Verkehrsministerkonferenz seien alle „dem Ziel einen großen Schritt näher“ gekommen – damit erntete der Minister allerdings Widerspruch.
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Berlin Die Verkehrsminister von Bund und Ländern haben sich auf einer digitalen Sonder-Verkehrsministerkonferenz nicht auf eine Nachfolgeregelung für ein deutschlandweit gültiges Nahverkehrsticket verständigen können.
Dies erklärten sowohl Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) wie auch die Vorsitzende der Verkehrsministerkonferenz, die Bremer Senatorin Maike Schaefer (Grüne), am Montagnachmittag.
Stattdessen haben Bund und Länder beschlossen, zunächst eine hochrangige Arbeitsgruppe auf Ebene der Staatssekretäre einzurichten. Diese sollen Modellrechnungen erstellen und so einen möglichen Tarif ermitteln, wie es hieß.
Auf der nächsten regulären Verkehrsministerkonferenz, am 12. und 13. Oktober, soll die Arbeitsgruppe einen gemeinsamen Vorschlag unterbreiten. Ob ein neuer Rabatttarif bereits zum 1. Januar 2023 angeboten wird, wie Bundesminister Wissing hofft, steht nicht fest. Es sei „ein ehrgeiziges Ziel“, sagte er.
Wissing erklärte, mit dem Beschluss der Verkehrsministerkonferenz seien alle „dem Ziel einen großen Schritt näher“ gekommen. Das Ziel sei ein „einfacher Nahverkehr in der Fläche“. Es gebe zu komplexe Tarifstrukturen. Er setzt auf Digitalisierung, um Verkehrsangebote zu vernetzen und „unser Land zu modernisieren“.
Allerdings erntete Wissing Widerspruch. „Uns reichen keine warmen Worte mehr“, erklärte Landesministerin Schaefer im Anschluss an das Treffen. Die Länder seien bereit, sich konstruktiv zu beteiligen. Das Neun-Euro-Ticket sei ein Erfolg gewesen. Die Erwartungen der Menschen seien „groß“.
Bahnsteig
Zuletzt hatten die Länder für 2022 wie auch für 2023 jeweils 1,65 Milliarden Euro extra für den Nahverkehr gefordert.
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Allerdings sei es „eine Gesamtaufgabe“, wie sie sagte. „Wir brauchen mehr Geld im System“, stellte sie klar. Die Mittel des Bundes für den Nahverkehr reichten „nicht einmal, um den Status quo zu erhalten“. Für den aktuellen Nahverkehr sowie für ein Anschlussticket sei „zusätzliches Geld“ nötig.
Die saarländische Verkehrsministerin Petra Berg (SPD) stellte klar, das Ticket sei nur „die Kür“. Die Länder seien „enttäuscht“ von Minister Wissing, der keine Zusage für mehr Geld gegeben habe. Es mache keinen Sinn, wenn Tickets günstig seien, aber keine Züge führen.
Wissing hingegen verwies auf den „Mobilitätspakt“, den er mit den Ländern beraten und schließen wolle, um einen modernen Nahverkehr zu organisieren. Dazu seien noch Fragen offen. Vorher könne er keine Zusage für mehr Geld geben. „Für mich ist der Beschluss heute klar: Es soll ein Nachfolgeticket geben“, sagte Wissing.
Dies sehen die Länder anders. So hätten die Verkehrsminister in den letzten Jahren bereits sechs Mal den Bund aufgefordert, mehr Geld zu überweisen, erklärte der brandenburgische Landesminister Guido Beermann (CDU).
Zuletzt hatten die Länder für 2022 wie auch für 2023 jeweils 1,65 Milliarden Euro extra für den Nahverkehr gefordert. Erst dann seien sie bereit, sich an einer Nachfolgeregelung für das Neun-Euro-Ticket zu beteiligen. Wie es hieß, sollen nun auch die Ministerpräsidenten mit Kanzler Olaf Scholz (SPD) bei der nächsten Ministerpräsidentenkonferenz beraten. „Wir erhoffen uns ein Zeichen der Ministerpräsidenten“, sagte Schaefer.
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Die Länder fordern das Geld, um die gestiegenen Energie- und Bau- sowie die Personalkosten im Nahverkehr zu kompensieren und um ihren Nahverkehr zu modernisieren. Auch auf „Mindereinnahmen durch die Coronapandemie“ verweist Senatorin Schaefer.
Da die Stadtwerke vor Ort angesichts der Strom- und Gaspreise massiv unter Druck stehen, fallen sie als Finanzier des Nahverkehrs aus. Einige Verkehrsunternehmen und -verbünde haben bereits angekündigt, die Ticketpreise anzuheben und notfalls auch weniger Bus- und Bahnverkehr anzubieten.
Der Haushaltsentwurf des Bundes für 2023 sieht hingegen nicht die verlangte Erhöhung der Mittel vor, auch nicht der laufende Etat. Dies hat bereits für reichlich Verdruss unter den Bundesländern gesorgt. „Das ist definitiv zu wenig“, sagte Beermann. „Es kann nicht sein, dass das Pferd von hinten aufgezäumt wird.“ Die Länder seien nicht in der Lage, „mal eben nebenbei 1,5 Milliarden Euro bereitzustellen“. Der Bund müsse seine „Pflicht erfüllen“.
Seit Jahren streiten Bund und Länder darüber, wer für den Nahverkehr zuständig ist. Laut Grundgesetz steht den Ländern „ein Betrag aus dem Steueraufkommen des Bundes zu“, um den Nahverkehr zu organisieren. Sie sind unter anderem zuständig, Nahverkehrsleistungen auszuschreiben und Tarife zu entwickeln.
Allerdings haben die Länder in der Vergangenheit die sogenannten Regionalisierungsmittel nicht ausschließlich für den Nahverkehr eingesetzt, sodass der Bund immer öfter Forderungen nach stärkerer finanzieller Hilfe abgelehnt.
Fast zehn Milliarden Euro überweist der Bund den Ländern für den Nahverkehr, jedes Jahr steigt die Summe um 1,8 Prozent. Da aber Busse und Bahnen ihre Fahrgastzahlen bis 2030 verdoppeln sollen, so das Argument der Länder, reicht das Geld vorn und hinten nicht. Dies funktioniere nur mit einem qualitativ hochwertigen Nahverkehr, argumentieren die Länder, etwa einem besseren Angebot und elektrifizierten Bussen. Dies koste entsprechend mehr Geld.
Das Neun-Euro-Ticket war Ende März von der Ampelkoalition in Berlin beschlossen worden, um die Menschen neben dem Tankrabatt auch im Nahverkehr zu entlasten. Nach anfänglichen Protesten der Branche und der Länder hatten die Verkehrsunternehmen das Ticket eingeführt.
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Nach Angaben des Verbands der Verkehrsunternehmen wurde von Juni bis August 52 Millionen Mal verkauft. Die Rabattaktion kostete den Bund 2,5 Milliarden Euro, mit denen die Einnahmeausfälle der Unternehmen kompensiert wurden. Mit drei Milliarden Euro für ein Jahr hoffen Bund und Länder, ein 49-Euro-Ticket anbieten zu können.
Bundesminister Wissing hatte zunächst eine Nachfolgeregelung abgelehnt. Inzwischen aber hat sich der Bund im Rahmen eines weiteren Entlastungspakets bereit erklärt, im kommenden Jahr 1,5 Milliarden Euro für eine Nachfolgelösung bereitzustellen, wenn die Länder sich mindestens in gleicher Höhe beteiligen.
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