In Brüssel soll die Regulierung Künstlicher Intelligenz bald zum Abschluss kommen. Das Gesetzesvorhaben steht im Spannungsfeld verschiedener düsterer Warnungen.
Gesichtserkennungstechnologie
Wie weit darf Künstliche Intelligenz gehen? Darum geht es gerade in Brüssel.
Bild: imago images/Ikon Images
Berlin Schnell wurde am Montag im Digitalausschuss des Bundestags klar, dass die Regulierung Künstlicher Intelligenz (KI) vor allem an der Frage entschieden wird, welche Zukunftsvision sich durchsetzen wird.
Auf der einen Seite stehen Enthusiasten wie Jonas Andrulis, Gründer des Start-ups Aleph Alpha. Er machte gleich zu Beginn der Anhörung klar, dass KI Dinge möglich mache, die lange undenkbar schienen. „Der Einfluss von KI auf das Wirtschaftswachstum wird höher eingeschätzt als das, was wir von Dampfmaschine, Buchdruck oder Elektrizität kennen.“ Die Frage sei, inwieweit Europa diese Entwicklung aktiv mitgestalten könne oder am Ende nur von Technologie fremdbestimmt werde.
Auf der anderen Seite gibt es viele Stimmen, die vor dem großen Einfluss lernfähiger Maschinen warnen. Ihre Sorge: Dadurch könne ein Werkzeug zur Massenüberwachung und Manipulation geschaffen werden. Im schlimmsten Fall, so äußern sich selbst renommierte Wissenschaftler neuerdings, könnten Künstliche Intelligenzen irgendwann die Kontrolle über die Menschheit erlangen.
Momentan versucht Brüssel den Spagat, die Enthusiasten und die Mahner zufriedenzustellen. Voraussichtlich im November wird das Europaparlament über einen Vorschlag zum KI-Gesetz abstimmen. Das Gesetz würde einige bisherige Regeln der Mitgliedstaaten überschreiben.
KI-Anwendungen sollen nach den Plänen des Gesetzes in vier Risikoklassen aufgeteilt werden: minimales Risiko, begrenztes Risiko, hohes Risiko und inakzeptables Risiko. Je nach Zuteilung würden unterschiedlich scharfe Zulassungsregeln und Kontrollen angewendet.
Nach dem Vorschlag der EU-Kommission soll praktisch nur das „Social Scoring“, das von der chinesischen Regierung derzeit erprobt wird, um die Bürger des Landes möglichst umfassend zu durchleuchten, als „inakzeptabel“ gelten. Von einem hohen Risiko soll zum Beispiel ausgegangen werden, wenn KI zum Besetzen von Arbeitsstellen eingesetzt wird.
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Die Wirtschaft fürchtet, dass die neuen Regeln die Innovationen der Tech-Firmen ausbremsen könnten und Europa technologisch noch weiter in Rückstand gerät. „Ich verstehe, dass man das regeln will“, sagte Universal-Robots-Gründer Esben Östergaard dem Handelsblatt.
Wenn aber jedes Mal der Tüv kommen müsse, nur weil er seine kooperativen Roboter umprogrammiere oder anders aufstelle, könne das „Wochen dauern und viel Geld kosten“. Wenn das so komme, verliere der Standort Europa seine Wettbewerbsfähigkeit.
Auch die Generalsekretärin der International Federation of Robotics (IFR) fürchtet eine Überregulierung, die sich als „extremer Hemmschuh für die Wirtschaft auf einem wichtigen Zukunftsfeld“ erweisen könne. Patrick Glauner, Professor für Künstliche Intelligenz an der Technischen Hochschule Deggendorf (THD), der als Sachverständiger im Digitalausschuss auftrat, spannt in einer Stellungnahme den Bogen zur Datenschutz-Grundverordnung der EU.
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Diese sei ursprünglich verabschiedet worden, um die Macht von US-amerikanischen Cloud-Anbietern zu begrenzen und europäische Unternehmen zu stärken. Allerdings sei genau das Gegenteil eingetreten. Eine ähnliche Entwicklung fürchtet Glauner auch bei der KI-Regulierung. Seine Sorge: Europas Technologiesektor könnte dann keine konkurrenzfähige Stellung mehr einnehmen, insbesondere chinesische Unternehmen würden die europäischen verdrängen oder übernehmen.
Es ist ein düsteres Zukunftsszenario, das die Gegner einer zu starken Regulierung zeichnen. In seiner Schärfe wird es nur noch von den Skeptikern Künstlicher Intelligenz übertroffen. So warnt Markus N. Beeko, Generalsekretär von Amnesty International in Deutschland, dass etwa die Gesichtserkennungstechnologie eine Überwachung in „nie da gewesenem Ausmaß“ ermögliche.
Amnesty will auf die Bundesregierung einwirken, elektronische Gesichtserkennung in Brüssel verbieten zu lassen. Die bisherige Verordnung sehe so weitgehende Ausnahmen vor, dass der Schutz von Menschenrechten dadurch nicht gewährleistet sei. Beeko will daher auf eine „menschenrechtskonformere“ Regulierung von KI hinwirken.
Noch deutlicher wird derzeit nur eine Studie der Universität Oxford, bei der Wissenschaftler das Belohnungsverhalten von Künstlicher Intelligenz untersuchten. Die Studie erkennt dabei die Gefahr, dass lernfähige Maschinen dazu übergehen könnten, ihr menschliches Umfeld zu manipulieren, um zum gewünschten Ergebnis zu kommen.
Am Ende könnte der Anreiz für solche Systeme bestehen, die Kontrolle des Menschen über die Maschine eigenhändig zu beseitigen. Die Meinung der Autoren ist zwar nicht weit verbreitet, alarmiert aber nichtsdestotrotz. Michael Cohen, Hauptautor der Studie, schreibt: Eine Künstliche Intelligenz, die weit genug fortgeschritten sei, könne in letzer Konsequenz zur „Auslöschung biologischen Lebens“ führen.
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