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16.01.2021

11:42

Digitaler Parteitag

Wie Armin Laschet das Rennen um den CDU-Vorsitz für sich entschieden hat

Von: Daniel Delhaes, Jan Hildebrand, Thomas Sigmund

Historische Entscheidung unter ungewöhnlichen Umständen: Auf einem digitalen Parteitag wurde Laschet zum neuen CDU-Chef gewählt. Er steht für eine Politik der Mitte.

Der neue Parteivorsitzende Armin Laschet (r) gestikuliert neben Friedrich Merz zum Abschluss beim digitalen Bundesparteitag der CDU. dpa

Digitaler CDU Bundesparteitag

Der neue Parteivorsitzende Armin Laschet (r) gestikuliert neben Friedrich Merz zum Abschluss beim digitalen Bundesparteitag der CDU.

Berlin Die CDU hat einen neuen Vorsitzenden: Armin Laschet ist mit 521 Stimmen zum neuen Parteichef gewählt worden. Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident setzte sich auf dem coronabedingt rein digitalen Bundesparteitag gegen den früheren Unionsfraktionschef Friedrich Merz durch, auf den 466 Stimmen entfielen. Norbert Röttgen war zuvor im ersten Wahlgang ausgeschieden.

Laschet rief die Partei in seiner Dankesrede zur Geschlossenheit auf. Man werde „zusammen durch dieses Jahr gehen“. Merz wünschte Laschet viel „Erfolg in der enorm anstrengenden Zeit“. Röttgen sagte, dass es nun keinen Wettbewerb mehr in der CDU gebe und Laschet sich nun voll auf ihn verlassen könne.

Die Entscheidung hat Auswirkungen weit über die Partei hinaus: Mit der Wahl zum neuen CDU-Chef hat Laschet auch gute Chancen, Kanzlerkandidat der Union zu werden und damit die Nachfolge von Angela Merkel (CDU) anzutreten. Somit verbindet sich mit der Wahl nicht nur eine Richtungsentscheidung für die CDU, sondern möglicherweise auch für das ganze Land.

So bedeutsam das Ergebnis ist, so ungewöhnlich waren die Umstände, unter denen es zustande kam. Erstmals wurde ein Vorsitzender auf einem rein digitalen Parteitag bestimmt. Im Parteitagsstudio auf dem Berliner Messegelände waren am Freitag und Samstag wegen der Corona-Pandemie nur der engste Führungszirkel um die bisherige CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer und Generalsekretär Paul Ziemiak, die drei Kandidaten sowie Techniker anwesend.

Die 1001 Delegierten verfolgten die Reden der drei Kandidaten vor dem Computer oder Fernseher und konnten anschließend online abstimmen. Um die Wahl rechtssicher zu machen, schließt sich eine Briefwahl an. Deren Ergebnis soll am 22. Januar verkündet werden.

Armin Laschet wirbt für Politik der Mitte

In den jeweils rund 15-minütigen Reden hatten die drei Kandidaten noch einmal für sich geworben. Armin Laschet hielt eine starke Rede, in der er sich als Mann der Mitte präsentierte, dem man vertrauen könne.

Laschet begann seinen Auftritt mit einer Geschichte über seinen Vater, einen Bergmann. Der habe ihn gelehrt, dass es unter Tage nicht darauf ankomme, wo ein Kollege herkomme, welche Religion er habe, oder wie er aussehe, sondern nur, ob man sich auf ihn verlassen könne.

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Zusammenhalt in Gesellschaft und auch in der Partei – das war die Botschaft von Laschet. Deshalb dürfe man auch nicht polarisieren, sagte Laschet. Eine Abgrenzung zu Mitbewerber Merz.

Die Abgrenzung zu Merz gab es auch beim Verhältnis zur Kanzlerin. Viele Menschen fänden erst Angela Merkel gut, danach die CDU. Deshalb brauche es die „Kontinuität des Erfolgs“. Das sei kein „Weiter-so“, welches das Merz-Lager immer abgelehnt hat.

Laschet versprach den Delegierten, dass er alle mitnehmen werde – die christlich-sozialen Anhänger genauso wie die liberalen und konservativen. Und er stellte seine Regierungserfahrung heraus, erinnerte an nächtliche Verhandlungsrunden im Kanzleramt zum Kohlekompromiss. „Wir müssen das Handwerkszeug einer Politik der Mitte beherrschen.“

Mit inhaltlichen Details hielt sich Laschet nicht lange auf. In vielen Fragen seien er und seine Mitbewerber sich einig. Laschet ging es in seiner Rede vor allem darum, die Delegierten zu überzeugen, dass sie sich auf ihn verlassen können, ihm vertrauen können.

Und so schloss Laschet seine Rede auch mit dem Verweis auf seinen Vater, mit dem er die Rede begonnen hatte. Laschet zeigte die Erkennungsmarke, die alle Bergsteiger bei sich trugen. Die habe ihm sein Vater als Glücksbringer mitgegeben. Und Laschet trug ein Zitat vor, das zugleich Schlüsselsatz der Rede war: „Sag den Leuten, sie können dir vertrauen.“

Merz machte Führungsanspruch der CDU deutlich

Merz schwor die CDU auf einen Sieg bei der nächsten Bundestagswahl ein und bekräftigte die Führungsrolle der Partei. „Wir sind als deutsche Christdemokraten fest entschlossen, diese nächste Bundesregierung auch wieder zu führen“, sagte der Sauerländer.

Merz warnte davor, angesichts der Pandemie angstvoll auf die nächsten Wochen zu schauen. „Wir können auch Mut und Zuversicht vermitteln und den Menschen sagen: Wir kommen da raus!“, rief er den 1001 Delegierten zu, die zu Hause den digitalen Parteitag verfolgten. Er wolle sich die Untergangsszenarien anderer nicht zu eigen machen, sagte Merz. „Die Welt geht morgen nicht unter.“

Merz setzt vor allem auf technologischen Fortschritt, die CDU werde zudem Standards setzen, etwa im Bereich der Digitalisierung. Merz zeigte sich davon überzeugt, dass der Klimawandel „mit dem System, mit der sozialen Marktwirtschaft“ zu lösen sei.

Es sei eine wichtige Herausforderung, Konsens und Kompromiss, Maß und Mitte zu halten, sagte Merz. Darum müsse in einer Demokratie gerungen werden. Er setze sich dafür ein, in  Zeiten des Populismus den Meinungsstreit zurück in die politische Mitte zu holen. Die Grünen, die SPD und die FDP seien Konkurrenten, mit denen gestritten werden müsse, sagte Merz.

Zuletzt versicherte der Sauerländer, dass es mit ihm keine Zusammenarbeit mit der AfD geben würde. In keinem Landtag, keinem Bundestag und auch nicht im europäischen Parlament.

Röttgen präsentierte sich als Modernisierer

Röttgen, der Überraschungskandidat, war als letzter der drei Kandidaten ans Rednerpult getreten, auf dem der Slogan „#wegenmorgen“ prangte. Röttgens Botschaft: Er wollte für das Neue in der Partei, für die Erneuerung, stehen. „Ich lade sie ein, sich heute gemeinsam auf den Weg zu machen“, warb der mit 55 Jahren jüngste Kandidat für sich.

Die CDU solle die Partei „der Zukunftskompetenz“ werden. Dazu müsse sie bei sich selbst anfangen, um Volkspartei zu bleiben. „Wir bleiben es nur, wenn wir uns verändern. Die Richtung kommt aus der Gesellschaft.“ Die CDU müsse weiblicher, jünger, digitaler werden. Es gehe darum, neue Themen und neue Wähler zu gewinnen.

„Ich möchte, dass die CDU umfassend die Partei der Nachhaltigkeit wird“, sagte er. Die CDU sei die einzige Partei, die Klimaschutz und soziale Marktwirtschaft vereine. „Klimaschutz geht nur mit der Wirtschaft“, sagte er.

Der Staat müsse den Rahmen für wirtschaftliches Wachstum setzen, etwa den Ausbau des Breitbandnetzes und den Anschluss der Schulen forcieren. „Wir müssen ins Wachstum investieren“, forderte er. Erst müsse Wohlstand erarbeitet, dann könne er verteilt werden. Daher lehnte er eine Vermögensabgabe, wie sie SPD und Linke fordern, ab.

Eine kurioser Wahlkampf

Mit der Entscheidung für Laschet endet für die CDU eine fast einjährige Hängepartie. Die Kandidaten hatten zuletzt versucht, vor allem über die sozialen und klassischen Medien sowie in unzähligen Telefonaten für sich zu werben. Während Merz besonders intensiv die sozialen Medien nutzte und zuletzt eine Debatte zur von der SPD geplanten Vermögensabgabe unter #Neidsteuer auslöste, kritisierte Laschet seine Konkurrenten, etwa die Ankündigung einer Steuerreform durch Röttgen. Dieser sorgte unterdessen für eine Debatte, da er eine Koalition mit der FDP im Falle eines Wahlsiegs nach der Bundestagswahl ausschloss.

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Christlich Demokratische Union: Laschet bittet in erster Rede als CDU-Vorsitzender um Rückendeckung

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Kramp-Karrenbauer hatte Mitte Februar nach nur gut einem Jahr als CDU-Chefin ihren Rückzug angekündigt. Ein ursprünglich für Ende April anvisierter Sonderparteitag sowie ein Parteitag im Dezember waren wegen der Pandemie verschoben worden.

Der innerparteiliche Wahlkampf war immer wieder unterbrochen und von der Coronakrise überlagert worden. Erst ganz zum Schluss versuchten die drei Bewerber, sich noch mal voneinander abzusetzen. Innerhalb der Partei blieb die Stimmungslage trotzdem bis zur Entscheidung unklar.

Wünsche der Wirtschaft

Die Wirtschaft hatte hingegen einen Favoriten. Laut einer Forsa-Umfrage für das Handelsblatt sprachen sich kurz vor dem CDU-Bundesparteitag 39 Prozent der Führungskräfte für den früheren Unions-Fraktionschef als Parteivorsitzenden aus. 27 Prozent waren für Röttgen, 18 Prozent votierten für Laschet.

Nach der Wahl des Parteichefs stellt sich nun die Frage nach der Kanzlerkandidatur. Diese will der neue CDU-Vorsitzende mit CSU-Chef Markus Söder klären. Allerdings dürfte es bis dahin noch dauern. Eine Entscheidung wird erst nach den Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz, die Mitte März stattfinden, erwartet. Zuletzt wurde als Zeitpunkt kurz nach Ostern genannt.

Norbert Röttgen, Annegret Kramp-Karrenbauer, Paul Ziemiak und Friedrich Merz sind vor Ort im Studio. dpa

Digitaler CDU Bundesparteitag

Norbert Röttgen, Annegret Kramp-Karrenbauer, Paul Ziemiak und Friedrich Merz sind vor Ort im Studio.

In Umfragen war immer wieder deutlich geworden, dass Söder beliebter ist als die drei Bewerber um den CDU-Vorsitz. Auch in der Wirtschaft ist das Stimmungsbild bisher klar: 40 Prozent der Führungskräfte wünschen sich den bayerischen Ministerpräsidenten als Kanzlerkandidaten der Union. Laut der Forsa-Umfrage kam Merz auf den zweiten Platz mit 23 Prozent. 11 Prozent sprachen sich für Röttgen aus, 8 Prozent für Laschet.

Ruf nach Geschlossenheit

Mit Spannung wird nun erwartet, wie sich die Unterlegenen verhalten und ob sie und ihre Anhänger den neuen Parteichef unterstützen. Schon vor dem Parteitag hatten führende CDU-Politiker angesichts der nahenden Bundestagswahlen Geschlossenheit gefordert.

„Nach dem Samstag kommt der Sonntag. Dann werden wir uns alle hinter dem neugewählten Vorsitzenden versammeln und ihn als neugewählten Vorsitzenden, möglichen Kanzlerkandidaten und möglichen künftigen Kanzler der Bundesrepublik Deutschland aus vollen Kräften unterstützen – solidarisch und uneingeschränkt“, sagte etwa CDU-Bundesvize Thomas Strobl. „Der Wettbewerb um den Parteivorsitz ist dann beendet.“ Die CDU dürfe sich im Superwahljahr „nicht länger als unbedingt nötig“ mit sich selbst beschäftigen.

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